Huawei P40 Pro im Test: Top-Handy mit großem Problem
Ohne Publikum mussten die neuen Huawei-Flaggschiffe präsentiert werden. Die Beschränkungen im Kampf gegen das Coronavirus machten ein Event mit zahlreichen Medienvertretern unmöglich. Wir haben dennoch bereits vorab ein Huawei P40 Pro erhalten und konnten uns das Gerät in den vergangenen Tagen ansehen.
Huawei ist beim Design wenig Risiko eingegangen und setzt auf altbewährte Stilmittel. Auch wenn es nur etwas Oberflächliches ist, haben es mir die matten Farben der neuen Huawei-Flaggschiffe angetan. Jahrelang haben glänzende und schimmernde Rückseiten die Smartphone-Mode dominiert. Da kommt das matte Design gerade recht und sorgt endlich für etwas Abwechslung im farblichen Einheitsbrei.
Der Notch in Tropfenform, der noch die Front des P30 Pro geprägt hat, ist beim P40 Pro nun Geschichte. Stattdessen versteckt sich die Frontkamera in einem länglichen Kameraloch, das sich oben rechts befindet. Dieses Loch fällt vergleichsweise relativ groß aus und beherbergt neben der 32-MP-Selfie-Kamera auch einen Infrarot-Tiefensensor.
Nur leicht gebogenes Display
Das Display zieht sich sowohl oben und unten als auch seitlich leicht über die Ränder des Gerätes. Allerdings kann hier nicht wirklich von einem Edge- oder Waterfall-Screen gesprochen werden. Dafür fällt das gebogene "Rand-Display" zu gering aus.
Das Positive daran ist, dass dadurch unbeabsichtigte Berührungen des Touchscreens unterbunden werden, aber gleichzeitig das rahmenlose Design aufrecht erhalten bleibt. Außerdem bleibt dadurch genug Platz, um die Power- und Volume-Tasten wie gewohnt auf der Seite unterzubringen. Beim Huawei Mate 30 Pro konnte die Lautstärke bekanntlich nur über den berührungsempfindlichen Edge-Screen reguliert werden, was für viel Kritik sorgte.
Handhabung und Verarbeitung
Das Huawei P40 Pro hat für mich eine angenehme Größe, um es noch weitgehend mit einer Hand bedienen zu können. Die matte Rückseite ist nicht allzu glatt, wodurch das Gerät auch nicht so leicht aus der Hand zu rutschen droht.
Der Aluminiumrahmen, der das Display einfasst, lässt das Handy robust wirken. Die Materialien sind einwandfrei verarbeitet: Kleine Spalten oder ähnliches waren nicht auszumachen.
Display mit 90 Hz
Das Display ist im Vergleich zum P30 Pro etwas angewachsen und misst nun 6,58 Zoll. Bei Helligkeit und Farbdarstellung gibt es am Bildschirm nichts auszusetzen - die Inhalte werden glasklar dargestellt. Auch der Fingerprintsensor im Display funktioniert mittlerweile schnell und zuverlässig.
Außerdem kommt das Display nun mit einer optionalen Bildwiederholfrequenz von 90 Hz, welche auch standardmäßig eingestellt ist. Beim Bedienen des Geräts ist mir schnell aufgefallen, dass bewegte Inhalte und das Scrollen durch Apps wesentlich flüssiger dargestellt werden, als mit den herkömmlichen 60 Hz.
Beim Briefing hat Huawei betont, dass sich die Bildwiederholfrequenz bei der 90-Hz-Einstellung intelligent an die dargestellten Inhalte anpasst: Bei statischem Content wird die Frequenz automatisch reduziert, während sie etwa beim Scrollen wieder hochgefahren wird. Dadurch soll die hohe Bildwiederholfrequenz keine oder nur geringe Auswirkungen auf die Akkudauer haben.
Der Testzeitraum war zu kurz, um umfassend zu analysieren, inwieweit sich die 90 Hz negativ auf den Akku auswirken. Gerade beim Scrollen durch Social-Media-Seiten, am Home-Screen oder bei Texten ist die höhere Bildwiederholfrequenz jedenfalls eine Wohltat.
Verbesserungen bei der Kamera
Wie bei den meisten Spitzenmodellen der Konkurrenz ist nun auch beim Huawei P40 Pro die vierfache Kamera auf der Rückseite auf einem rechteckigen Feld untergebracht, welches sich leicht vom restlichen Gehäuse abhebt.
Anders als so manche Konkurrenz-Modelle will auch Huawei beim P40 Pro mit hoher Kameraauflösung und hohem Zoom-Faktor punkten. Anstatt die Pixel-Anzahl und die Vergrößerung in exorbitante Höhen zu schrauben, versucht es Huawei mit niedrigeren Kennzahlen. Dafür soll das Ergebnis wesentlich brauchbarer sein, wie bei der Präsentation erklärt wurde.
Großer Sensor für 50 MP
Insofern kommt das P40 Pro mit einer 50 MP Hauptkamera (f/1,9), dessen Sensor eine Größe von 1/1,33" hat. Dadurch soll die Kamera pro Bildpunkt mehr Licht aufnehmen können, als dies etwa bei einer 108-MP-Kamera der Fall ist.
Das Teleobjektiv löst mit 12 MP (f/3,4) auf und hat eine Brennweite von 125mm mit einem optischen Periscope-Zoom mit fünffacher Vergrößerung und einem 50x Hybrid-Zoom.
Begleitet werden diese beiden Kamera-Linsen von einem 40-MP-Shooter, der hauptsächlich für Videoaufnahmen zum Einsatz kommen soll und einem Tiefensensor, der bei Portrait-Fotos zur Anwendung kommt.
KI wählt Bilder aus
Standardmäßig nimmt das P40 Pro Bilder mit einer Auflösung von 12 MP auf. Optional können Fotos mit den entsprechenden Einstellungen in der Kamera-App aber auch mit 50 MP aufgenommen werden.
Damit man immer das beste Ergebnis erhält, nimmt das P40 Pro etwas weniger als 2 Sekunden lang mehrere Frames auf. Eine KI errechnet daraus das beste Bild und speichert es ab. Dabei wird beispielsweise auf Spiegelungen und Hintergründe geachtet sowie darauf, dass alle Personen die Augen geöffnet haben.
Was hier allerdings extrem Schade ist, dass man keinen Zugriff auf die restlichen Frames hat. Wer im Nachhinein selbst kontrollieren will, ob in diesen rund 2 Sekunden vielleicht doch ein noch besseres Bild zustande kam, kann keine manuelle Auswahl treffen. Man muss sich also auf die KI verlassen und darauf vertrauen, dass sie tatsächlich den besten Schnappschuss ausgewählt hat.
50-facher Hybrid-Zoom
Der fünffache, optische Periscope-Zoom funktioniert nahezu einwandfrei. Im Vergleich zu Fotos ohne Zoom ist das Ergebnis aber dann doch um einiges schlechter. Die gezoomten Bilder sind schnell unscharf und die Details kommen nicht derart gut zur Geltung. Um für einen Schnappschuss einen Bildausschnitt näher ranzuholen, ist das Ergebnis aber noch gut genug.
Beim 50-fachen Hybrid-Zoom, bei dem digitale Vergrößerung und der optische Zoom gemeinsam zur Anwendung kommen, sieht es dann schon deutlich schlechter aus. Zwar versucht das P40 Pro das Ergebnis mittels Bildverbesserungsalgorithmen zu verschönern, die Details gehen dabei aber nahezu komplett verloren.
Positiv aufgefallen ist mir der Bildstabilisator beim 50x-Zoom. Er sorgt dafür, dass das angezeigte Bild nicht wie wild herumspringt und zittert. Das erleichtert es, das gewünschte Motiv einzufangen. Leider hat Huawei keinen Sucher für den hohen Zoom-Faktor integriert. Dadurch kann es manchmal recht schwierig werden, das Motiv zu finden.
Nachtmodus und Portraits
Im Test ist mir aufgefallen, dass der Normal-Modus bei Dunkelheit die Bilder manchmal etwas überbelichtet. Der Nachtmodus ist hier meist die bessere Wahl. Dieser schafft es die Belichtung und die Farbabstimmung besser zu treffen als der Normal-Modus. Empfehlenswert ist, dass man sich etwas spielt, da manchmal das Ergebnis im Normal-Modus, manchmal im Nachtmodus besser ist. Da aber im Nachtmodus das Smartphone ungefähr 5 Sekunden stillgehalten werden muss, ist es eine Glücksache, sich bewegende Objekte zu treffen oder schnelle Schnappschüsse aufzunehmen.
Der Portrait-Modus schafft es, den Unterschied zwischen Vorder- und Hintergrund zu erkennen. Dabei wird das Objekt im Vordergrund makellos scharf dargestellt, während der Hintergrund eine Tiefenunschärfe erzeugt
Selfie-Kamera
Der Tiefensensor ist es auch, der die Fotoqualität der Frontkamera spürbar verbessert. Gerade bei Portrait-Aufnahmen sorgt er für eine einwandfreie Tiefenunschärfe.
Im Vergleich mit Geräten der Vorgängerversion ist die Fotoqualität der P40-Pro-Frontkamera deutlich gestiegen. Hier können auch nur wenige Konkurrenzmodelle mithalten.
Fazit der Kamera
Wie schon bei früheren Huawei-Smartphones, braucht man sich um die Qualität der Fotos keine Sorge machen. Das Huawei P40 Pro ist im Stande, sowohl bei schlechten als auch bei guten Lichtverhältnissen, erstklassige Bilder abzuliefern.
Bei der Fotoqualität der Kamera hat es Huawei erneut geschafft, noch eines draufzulegen. Die Farbabstimmung der Fotos wirkt beim P40 Pro nun noch besser, als bei der Vorgängerversion. Auch die Details kommen besser zur Geltung. Ebenso wurde die Fotoqualität beim Nachtmodus verbessert, wodurch die Bilder bei Dunkelheit nicht mehr so künstlich wirken.
Der Zoom, hauptsächlich der 50-fache Hybrid-Zoom, ist mehr eine Spielerei als eine brauchbare Kameraeinstellung. Schade ist auch, dass man nicht selbst auswählen kann, welches der aufgenommen Frames am Ende abgespeichert wird.
Im Großen und Ganzen hat das Huawei P40 Pro eine Spitzenkamera, die ihresgleichen sucht. Es wird spannend, wie sich die Kamera des neuen Huawei-Flaggschiffs im Vergleich mit ebenbürtigen Konkurrenzmodellen schlagen wird.
Leistungsfähigkeit
Der Kirin 990 5G und die 8 GB Arbeitsspeicher versorgen das Gerät mit ausreichend Power. Das Gerät läuft erwartungsgemäß flüssig und ohne Verzögerungen.
Der Speicherplatz von 256 GB dürfte ausreichen. Und wenn nicht kann er mittels proprietärer Huawei-Speicherkarte erweitert werden. Dass Huawei lediglich seine eigenen NM-Speicherkarten unterstützt und die gängigen microSD-Karten außen vor lässt, ist nicht gerade optimal.
Akku und Schnellladen
Der Akku des Huawei P40 Pro ist für ein 5G-fähiges Smartphone mit einem 90-Hz-Display etwas klein bemessen. Bei einer durchschnittlichen Nutzung schafft man es zwar mit einer Akkuladung über den Tag, über Nacht muss das Handy aber mit Sicherheit an die Steckdose.
Ein Wermutstropfen ist dabei das Schnellladen mit einer Leistung von 40 Watt. Damit konnte ich das P40 Pro in 15 Minuten von 15 auf 50 Prozent aufladen.
Android 10 ohne Google
Google-Dienste und Google-Apps sucht man auf dem Huawei P40 Pro vergeblich. Verantwortlich dafür ist bekanntlich der Android-Bann, der eine Zusammenarbeit zwischen US-Firmen und Huawei verbietet. Daher kommt beim P40 Pro auch die quelloffene Version von Android 10 mit Huaweis Benutzeroberfläche EMUI 10 zum Einsatz.
Um neue Apps zu installieren, ist man folglich auch auf die Huawei AppGallery angewiesen. Als ich mir den Huawei-AppStore im Oktober vergangenen Jahres genauer angesehen habe, war das Angebot enden wollend bis unbrauchbar. Mittlerweile sich hier aber einiges zum Guten verändert.
Huawei hat viel Geld in die Hand genommen und in den Aufbau seines eigenen Ökosystems mit dem Huawei Mobile Services (als Pendant zu den Google Mobile Services) investiert. Und das zeigt sich an einer deutlich verbesserten Auswahl an Anwendungen.
So gibt es mittlerweile auch einige lokale und regionale Apps. Wer beispielsweise Facebook oder WhatsApp installieren will, wird von der AppGallery zur offiziellen Website des sozialen Netzwerkes weitergeleitet, wo die originale APK der App heruntergeladen werden kann.
Apps einfach mitnehmen
Für all jene, die von einem älteren Huawei-Handy auf ein P40 Pro umsteigen wollen, ist aber der Phone-Clone die beste Möglichkeit, die gewohnten Apps mitzunehmen. Dabei werden einfach die Apps vom alten Smartphone an das neue übertragen. Auf diese Weise können auf den neuen Huawei-Handy Anwendungen installiert werden, die gar nicht in der AppGallery vorhanden sind.
Phone-Clone hat bei mir mit den allermeisten Apps funktioniert. Sicherheitskritische Apps, wie Banking-Anwendungen, lassen sich aber nicht auf diese Weise übertragen. Diese müssen direkt aus den offiziellen App-Stores heruntergeladen werden. Und bis auf GoogleMaps sind natürlich sämtliche Google-Anwendungen bei der Übertragung "verloren gegangen".
Alternative App-Stores
Um das Auffinden von Apps zu vereinfachen, stehen MoreApps und AppSuche zur Verfügung. Darin sind unter anderem populäre und regionalspezifische Apps aufgelistet. Bei manchen Apps wird man allerdings an Drittanbieter-App-Stores wie APK-Mirror oder APKPure weitergeleitet. Ob man Apps aus solchen Quellen installieren möchte, muss jeder für sich selber entscheiden.
Hier gilt zu bedenken, dass es sich nicht um die originalen Apps handeln muss: Manchmal kommen die Apps direkt vom Hersteller, manchmal werden die APKs von irgendwelchen Entwicklern bereitgestellt. Gerade wenn eine App zahlreiche und tiefgreifende Berechtigungen einfordert oder wenn dort etwa Kreditkartendaten hinterlegt werden, sollte man sich das Nutzen solcher APKs nochmal überlegen.
Wer also nicht allzu tief im Google-Ökosystem steckt, könnte den Umstieg auf ein Google-freies Handy riskieren. Jenen, die jedoch im Google-System verankert sind, wird ein Umstieg schwerfallen.
Fazit
Mit dem P40 Pro hat Huawei ein Smartphone der Spitzenklasse hingelegt, das diese Bezeichnung tatsächlich verdient. Mit einem 90-Hz-Display, zeitgemäßem modernem Design, einwandfreier Verarbeitung und einer erstklassigen Kamera gehört das Huawei P40 Pro ohne Zweifel zu den absoluten Top-Smartphones.
Das leidige Google-Thema verleiht dem P40 Pro aber trotz aller Bemühungen seitens Huawei einen Dämpfer. Auch wenn mittlerweile zahlreiche populäre Apps auf dem Smartphone funktionieren und für viele andere Anwendungen Ersatz-Apps gefunden werden können, ist das Ökosystem noch keine runde Sache. Schade, dass ein Gerät mit einer nahezu perfekten Hardware vom USA-China-Zwist ausgebremst wird.
In den Handel kommen die Huawei-Spitzengeräte Anfang April. Das Huawei P40 Pro mit 8/256 GB kostet in Österreich 999 Euro. Das Huawei P40 Pro ist in den Farben Black, Silver Frost und Ice White verfügbar.