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Huawei Pura 80 Ultra im Test: Erschütternd, was von Huawei übrig ist

Im Mai 2019 ging eine Schockwelle durch die Smartphone-Welt. Die damalige Trump-Regierung hatte US-Unternehmen verboten, mit Huawei zusammenzuarbeiten - wegen Bedenken rund um die nationale Sicherheit. Der chinesische Handy-Hersteller durfte auf seinen Geräten keine Google-Dienste mehr installieren. 

Zu jener Zeit waren Huawei-Handys überaus beliebt, sodass das Unternehmen kurz davor war, zum weltweit größten Smartphone-Hersteller zu werden. Doch mit einem Schlag waren die Huawei-Handys für Kundinnen und Kunden unattraktiv geworden. Huawei versprach ein alternatives Betriebssystem auf den Markt zu bringen. 

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Was ist von Huawei übrig geblieben?

Mehr als 6 Jahre nach Beginn des so genannten Android-Banns ist von diesem Versprechen nicht mehr allzu viel übrig geblieben - oder?

Ich habe mir das neueste Huawei-Spitzengerät besorgt und angesehen, wie gut das Huawei Pura 80 Ultra funktioniert. Vor allem wollte ich wissen, wie sich das hauseigene Betriebssystem derzeit schlägt und ob es mittlerweile konkurrenzfähig ist. 

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Technische Spezifikationen

Huawei Pura 80 Ultra

  • Maße und Gewicht: 163 x 76,1 x 8,3 Millimeter, 234 Gramm
  • Display: 6,8 Zoll LTPO-OLED, bis 120 Hz, 1.276 x 2.848 Pixel, 3.000 Nits (peak)
  • Kamera:
    • 50 MP Hauptkamera: f/1.6 bis f/4.0 23mm, 1"-type, PDAF, OIS
    • 50 MP Teleobjektiv mit 3,7x optischen Zoom: f/2.4, 83mm, 1/1.28", PDAF, OIS
    • 12,5 MP Teleobjektiv mit 9,4x optischen Zoom: f/3.6, 212mm, PDAF, OIS
    • 40 MP Weitwinkel: f/2.2, 13mm
    • Video: 4K
    • Selfie-Kamera: 13 MP, f/2.0, 4K
  • Prozessor: Kirin 9020 (7 nm)
  • Speicher: 16/512GB, 16GB/1TB;
  • Akku: 5.170 mAh, 100 Watt Charging, 80 Watt Wireless-Charging
  • Software: EMUI 15 (auf Basis von Android 12)
  • Sonstiges: NFC, eSIM, 5G, Wi-Fi 7, Bluetooth 5.2, Dual-SIM, Wasserschutz IP68/IP69,
  • Farben: Prestige Gold, Golden Black
  • Preis: 1.499 Euro

Top-Ausstattung mit Makel

An der Verarbeitung des Pura 80 Ultra gibt es nichts auszusetzen. Auch der 6,8 Zoll große OLED-Screen überzeugt. Und ein Blick auf die Kameraspezifikationen zeigt, dass Huawei in diesem Bereich noch immer zu den fortschrittlichsten Herstellern zählt. Vor allem beim Teleobjektiv mit 9,4x optischem Zoom kann derzeit niemand Huawei das Wasser reichen.

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Huawei Pura 80 Ultra

Eine Schwachstelle stellt der hauseigene Kirin-Chip dar. Er ist zwar beim Ausprobieren des Geräts nicht negativ aufgefallen, was auch daran liegt, dass man viele Apps einfach nicht verwenden kann - mehr dazu aber später. Ein Blick auf Vergleichsdaten und Benchmark-Rankings zeigt aber, dass der Kirin 9020 nicht im Geringsten mit der Konkurrenz mithalten kann. 

Auf der Rangliste beim Benchmark-Test von AnTuTu liegt der Kirin 9020 weit abgeschlagen hinter all den aktuellen Apple-, Snapdragon-, MediaTek-, Tensor- und Exynos-Chips. Außerdem: Während die Konkurrenz in der Regel ihre Spitzenprozessoren längst nach dem 3-nm-Verfahren fertigt, produziert Huawei seine Kirin-Chips noch mit 7 nm

Bei Smartphones aller Preisklassen gehört es eigentlich seit Jahren zum Standard, dass der Fingerprintsensor im Display integriert ist. Daher ist es eigenartig, dass er sich beim Pura 80 Ultra im seitlichen Power-Button befindet. Auch wenn das eine Gewöhnungssache ist, kann ich dem seitlichen Fingerprintsensor nichts abgewinnen. 

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Huawei Pura 80 Ultra

Bei der Kamera noch immer top

Kurzer Sprung zurück zur Kamera: Um zu sehen, dass Huawei-Handys noch immer hochwertige Bilder liefern, muss man nur ein paar Fotos aufnehmen. Schon nach den ersten Schnappschüssen wird man feststellen, dass das Huawei Pura 80 Ultra mit anderen Spitzengeräten mithalten kann. 

Interessant beim Kamera-Setup sind vor allem der 3,7-fache und 9,4-fache optische Zoom. Die beiden Teleobjektive nutzen nämlich denselben Bildsensor. Außerdem kommt bei der Hauptkamera eine variable Blende von f/1.6 bis f/4.0 zum Einsatz. 

Bei der Fotoqualität und dem Kamera-Setup zeigt Huawei noch immer seine alte Stärke. Kaum ein anderes Smartphone liefert derartig gute Bilder und bietet eine derart leistungsfähige Hardware. 

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Noch immer kein eigenes Betriebssystem

Richtig arg wird es, wenn man einen Blick auf die Software und das Huawei-Ökosystem wirft. Das beginnt mit der Tatsache, dass das hauseigene Betriebssystem noch immer nicht in Europa verfügbar ist. Die Huawei-Handys in China werden mit HarmonyOS ausgeliefert. 

In Europa bekommt man eine spezielle Android-Adaption, die auf dem quelloffenen AOSP (Android Open Source Project) basiert und über die das User-Interface EMUI gestülpt wurde. EMUI 15 liegt das veraltete Android 12 zugrunde. Huawei hat es also mehr als 6 Jahre nach Inkrafttreten des Android-Banns noch immer nicht geschafft, seinen Smartphones weltweit ein hauseigenes Betriebssystem zu verpassen. 

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Google-Dienste durch Huawei-Dienste ersetzt 

Das Fehlen der Google-Dienste geht weit über die Abwesenheit von Maps, Gmail, Drive, Fotos oder Chrome hinaus. Ebenso wenig gibt es auf dem Huawei Pura 80 Ultra einen Gemini-KI-Assistenten und einen Play Store, womit das gesamte Ökosystem aus Android-Apps wegfällt. 

Außerdem fehlen die Google Mobile Services (GMS). Das sind jene Hintergrunddienste, die für Standortdienste, Push-Nachrichten, Sicherheitsprüfungen, Updates, Backups und dergleichen zuständig sind. Huawei hat die GMS auf seinen Handys durch HMS (Huawei Mobile Services) ersetzt, die für ebendiese Aufgaben zuständig sind.

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Wenn das die populärsten Anwendungen im Huawei-App-Store sind, kann es ja lustig werden.

Das reinste Chaos

Wer ein Android-Handy mit Google-Services oder iPhone mit iOS gewohnt ist, dem wird das Betriebssystem auf einem Huawei-Smartphone wie das reinste Chaos vorkommen. All die Huawei-Dienste für Cloud-Speicher, Backups, Payments, Sicherheit und Updates sind zwar vorhanden, haben aber keine konkurrenzfähige Usability. 

Ein Beispiel: Als ich mich bei der Inbetriebnahme mit meinem Huawei-Account angemeldet habe, wurde als zweiter Faktor ein 6-stelliger Code abgefragt, der per SMS an meine Telefonnummer geschickt wurde. Dieser Code ist nicht angekommen. Erst nach mehreren Minuten und mehreren Versuchen wurde mir der Code zugesandt. 

Diese lästige Panne sorgte für einen holprigen Start und untergräbt das Vertrauen in das Huawei-System. Und gerade dieses Vertrauen ist für mich von zentraler Bedeutung, wenn es um ein Gerät geht, das ich für eine Vielzahl von persönlichen und privaten Angelegenheiten nutze - vom Banking über Fotos bis zum Aufzeichnen von Gesundheitsdaten. 

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Der App-Store lässt zu wünschen übrig

Anschließend habe ich mich in Huaweis App-Store umgesehen, der als AppGallery bezeichnet wird. Zum vorhin beschriebenen Chaos kommt nun die Wilder-Westen-Komponente hinzu. Nahezu alles an dem Store wirkt zwielichtig und wenig vertrauensvoll. Außerdem ist die Auswahl an vorhandenen Apps weniger geworden und nicht mehr. Gefühlt findet man dort kaum eine brauchbare App, die man sich installieren will.

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Der Huawei-App-Store ist nicht gerade einladend. Die Auswahl in den einzelnen Kategorien lässt zu wünschen übrig.

Sowohl im Jänner 2021 als auch im Jänner 2023 hatte ich mir angesehen, wie es um die Verfügbarkeit der gängigsten Apps steht. Im Vergleich dazu sind mittlerweile wieder mehrere wichtige Anwendungen aus der AppGallery verschwunden - beispielsweise die ÖBB-App. Nach wie vor vorhanden sind die österreichischen Banking-Apps sowie die Apps der wichtigsten Airlines, TikTok, Booking.com, Telegram und Snapchat. 

Auch die ORF TVThek kann über die AppGallery noch immer heruntergeladen werden. Auch wenn die TVThek bereits im März 2024 durch ORF ON gänzlich ersetzt wurde, gibt es sie auf Huawei-Handys noch  - im alten Design, mit aktuellen Inhalten. Sie funktioniert sogar noch, zumindest halbwegs. 

Der Wilde Westen

Der gesetzlose Wilde Westen kommt dann ins Spiel, wenn es um Apps geht, die nicht in der AppGallery vorhanden sind - und das sind viele. Für WhatsApp muss man beispielsweise über den Browser die Website des Messengers ansteuern und dort die passende APK herunterladen und installieren. 

Das ist noch die positive Ausnahme. Alle anderen Apps - etwa Instagram, Reddit, X, Facebook, Spotify, Signal, Netflix, WienMobil, ÖBB und unzählige andere Anwendungen, die man als Alltags-Apps bezeichnen könnte - müssen über externe und inoffizielle App-Stores heruntergeladen werden. 

Das ist nicht nur umständlich, vor allem hinsichtlich der automatischen Updates. Solche Stores sind auch ein riesiges Sicherheitsrisiko und vielfach ein Einfallstor für jegliche Art von Schadsoftware. Man kann die Verwendung solcher App-Stores nicht mit gutem Gewissen empfehlen. Vor allem nicht für Geräte, auf denen auch Banking-Apps und andere sensible Anwendungen laufen. 

Was übrigens ebenfalls nicht funktioniert, ist das mobile Payment mit Google Pay. Die alternative Huawei-Lösung kann nicht mit der eigenen Bankkarte verknüpft werden. Im Geschäft mit dem Handy bezahlen ist somit nicht möglich.

Wer auf Amazon shoppen möchte, muss die App über einen externen Store installieren. Das wirkt alles nicht sehr vertrauenswürdig. Ich würde auf keinen Fall meine Zahlungsinfos hinterlegen, wenn ich auf diesem Weg eine App installiere.

Doch noch an Google-Apps gekommen

Aber es geht noch schlimmer: Es gibt einen Workaround, wie man sich trotz des offiziellen Verbots die Google-Apps auf sein Huawei-Handy holen kann. Da kommt eine App namens GBox ins Spiel. Sie kann entweder direkt über die Website des Anbieters oder über externe App-Stores installiert werden. 

GBox dient dann als dubioser App-Store, über den man sich den Google Play Store, Google Maps, Drive, Fotos, Gmail sowie zahlreiche andere Anwendungen installieren kann: Willhaben, Spotify, Instagram, YouTube, X, Uber, Facebook, Netflix, Disney+ usw. 

Dafür ist es allerdings notwendig, dass man sich mit seinem Google-Account anmeldet. Und hier tritt Schauderhaftes zutage: Als ich mich mit einem Test-Account eingeloggt habe, bekam ich von Google eine Sicherheitswarnung, dass sich jemand in Österreich auf einem Samsung Galaxy A52 mit meinem Google-Account angemeldet hat.

Meine Google-Dienste laufen also auf einem (virtuellen) Samsung Galaxy A52 - nicht allzu vertrauenswürdig.

Massives Sicherheitsrisiko

Das war natürlich ich selber. Denn die GBox-Umgebung dient als Container - eine Art virtuelles Device. Es wird ein Google-zertifiziertes Android-Gerät simuliert und Geräteinformationen vorgetäuscht. Die installierten Apps beziehen dann die Google-Mobile-Services über GBox und nicht über das Huawei-Handy. 

Das mag zwar weitgehend recht gut funktionieren. Was die Sicherheit betrifft, ist das aber ein wahrer Albtraum. Man kann eigentlich davon ausgehen, dass man durch die Nutzung von GBox jemandem seinen Google-Login schickt. Nutzt man noch andere Apps samt Zahlungsinformationen und Logins über GBox, verteilt man auch diese Daten an irgendwelche Dritte.

Man muss gar nicht lange suchen und wird schnell auf Horrorgeschichten stoßen. Leute, die Apps über GBox nutzten, berichten darüber, dass ihre Accounts dabei permanent gehackt wurden oder zumindest versucht wurde, auf die Konten zuzugreifen. Man kann also nur davor warnen, GBox zu verwenden.

Mit GBox hat man Zugriff auf zahlreiche populäre Apps. Die Nutzung über den Dienst sollte man aber unterlassen.

Fragen über Fragen

Eine Frage, die sich bei GBox aufdrängt: Wie kommt der Dienst an Geld? GBox ist nämlich absolut kostenlos und es gibt keine Werbung. Entwickelt wurde die App angeblich von einem Start-up aus Singapur, über das so gut wie nichts bekannt ist. Das wirkt alles extrem zwielichtig. 

Mancherorts wird sogar behauptet, dass Huawei selbst hinter der Entwicklung von GBox steckt, um die Google-Dienste auf seine Handys zu bekommen. Das ist aber reine Spekulation. Konkrete Hinweise darauf gibt es nicht.

Alternative zu GBox

Neben GBox gibt es noch microG, mit dem man ebenso die Google-Services auf ein Huawei-Gerät bekommt. Anders als bei GBox handelt es sich hier nicht um einen Container oder eine Emulation. Bei microG werden die GMS direkt im System durch eine eigene Implementierung ersetzt. 

Aus technischer Sicht könnte microG sicherer sein als GBox. Ich würde aber auch diesem Dienst nicht uneingeschränkt meinen persönlichen Google-Account anvertrauen.

Huawei Pura 80 Ultra

Keine KI-Funktionen

Was es auf dem Huawei Pura 80 Ultra ebenso nicht gibt, sind brauchbare KI-Tools. Beispielsweise haben mittlerweile alle vergleichbaren Smartphones eine KI-basierte Transkriptionsfunktion für Audioaufzeichnungen - nicht so das Pura 80 Ultra. Auch der KI-Assistent, der mit "Hey Celia" geweckt wird, ist so gut wie unbrauchbar. Dasselbe gilt für das Bearbeiten von Fotos. Auch hier gibt es keine nützlichen KI-Tools.

Google Gemini und die ChatGPT-App können auf dem Huawei-Handy nicht zum Laufen gebracht werden. Sie funktionieren auch dann nicht, wenn man GBox oder microG verwendet. 

Fazit

Nachdem der Handy-Markt im Mai 2019 durch den Android-Bann in seinen Grundfesten erschüttert wurde, hatte ich die Hoffnung, dass sich neben Googles Android und Apples iOS ein drittes Betriebssystem samt dazugehörigen Ökosystem etablieren könnte. Das hätte dem Wettbewerb und den diesbezüglichen Innovationen vielleicht gutgetan. Leider ist Huawei an dieser Herkulesaufgabe gescheitert

Das Huawei Pura 80 Ultra mag oberflächlich ein ansprechendes Smartphone sein - abgesehen vom Design. Es hat eine der besten Smartphone-Kameras und ein ordentliches Display zu bieten. Aber schon beim Prozessor hinkt es der Konkurrenz deutlich hinterher. Software und App-Ökosystem hat Huawei komplett vermasselt.

Wenn man sich den Smartphone-Alltag absichtlich schwer machen und Steine in den Weg legen will, dann sollte man zu einem Huawei-Handy greifen. Die Usability ist nämlich alles andere als einwandfrei und reibungslos. Gleichzeitig drängen sich massive Sicherheitsbedenken auf. Somit lässt mir das Huawei Pura 80 Ultra keinen Grund, es auch nur irgendjemanden zu empfehlen. 

Es ist nicht einmal günstig: Das Huawei Pura 80 Ultra kostet in Österreich 1.499 Euro. Jedes andere aktuelle Spitzengerät - egal ob von Apple, Samsung, Google, Xiaomi, Vivo oder Oppo - ist im Vergleich dazu günstiger zu haben. So gesehen fällt das Huawei-Flaggschiff trotz Spitzenkamera komplett durch - leider.

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Florian Christof

Großteils bin ich mit Produkttests beschäftigt - Smartphones, Elektroautos, Kopfhörer und alles was mit Strom betrieben wird.

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