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Der Mars-Wahn: Wieso will Elon Musk den Roten Planeten erobern?

„Die ersten bemannten Flüge zum Mars mit Starship werden in 4 Jahren stattfinden. Danach werden die Flüge exponentiell zunehmen, mit dem Ziel eine sich selbst-versorgende Stadt in 20 Jahren zu bauen.“

Bei all dem Hass und politischem Getöse, das Elon Musk zuletzt auf dem Nachrichtendienst X, dessen Besitzer er ist, von sich gibt, ist diese kühne Aussage etwas untergegangen. Vor ein paar Jahren hätte man das noch als eines seiner Hirngespinste abgetan. Selbst die NASA bezeichnete es im Vorjahr noch als „kühnes Ziel“, bis 2040 Astronauten am Mars landen zu lassen. Mittlerweile halten Experten das Bestreben des Milliardärs, Menschen in 4 Jahren zum Mars zu schicken, aber für realistisch.

Musks aktuelle Prognose hat nicht nur die Diskussionen um das „Wie“ bei der Frage zur Reise zum Mars neu entfacht, sondern auch das „Warum“. Präziser: „Warum er?“ Warum ist Musk scheinbar so besessen vom Mars?

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"Retter der Menschheit"

Fragt man den Milliardär selbst, hört man die philanthropische Antwort: „Wenn wir multi-planetar sind, erhöhen wir die Lebenserwartung unserer gesamten Existenz“ – Musk will also nichts Geringeres als das Überleben der Menschheit sichern

Wirtschaftsanalysten und -experten sehen einen anderen Grund: Es ist ein riesiger PR-Stunt. Das heißt nicht, dass das Unterfangen zum Scheitern verurteilt ist oder nie stattfinden wird – ganz im Gegenteil. Dieses Ziel tatsächlich zu erreichen, und nicht bloß darüber zu reden, ist essenziell für Musks Pläne.

Die Ursprünge SpaceX

Musk schmiedet das Mars-Eisen schon lange. 2001 begann er sich für das Thema zu begeistern, als er auf der NASA-Website gesehen hatte, dass es keine Pläne für eine bemannte Mars-Mission gab. Ein Jahr später gründete er SpaceX. Er sei zur Ansicht gekommen, dass eine Mars-Besiedelung nur funktionieren kann, wenn günstigere Raketenstarts möglich sind. Schließlich muss man viele Menschen und Material zum Mars bringen, um dort eine Kolonie aufzubauen.

Diese Ursprungsgeschichte schließt passenderweise das heutige Kerngeschäft von SpaceX ein: günstigere Raketenstarts. Damit werden hauptsächlich Satelliten ins All gebracht und seit ein paar Jahren auch Fracht und Astronauten und Astronautinnen zur ISS.

Was Musk hier also gemacht hat und immer noch macht, ist sehr clever. Er hat ein großes Ziel gesetzt, das scheinbar nicht mal für die NASA, die Weltraumorganisation des mächtigsten Landes der Welt, erreichbar ist, um auf dem Weg dorthin kommerziell erfolgreiche Dienste zu erschaffen.

So konnte er sich Investoren, talentierte Angestellte und Aufmerksamkeit sichern. Mit „Wir wollen billiger Satelliten ins All bringen“ kann man ambitionierte Raketenwissenschaftler wohl nicht so gut zur Firma locken wie mit: „Wir werden schon bald Menschen zum Mars bringen.“ Ähnlich ist es mit Investoren und Kunden: Vertraut man eher einem Unternehmen, das man aufgrund seiner hochgesteckten Ziele und einem Chef, der auf deren Erreichbarkeit pocht, aus den Medien kennt oder einem unbekannten Raketen-Start-up, das vielleicht mal irgendwo einen Informationsstand bei einer Weltraumtagung hatte?

„Das ist der Kern, worum es bei der ganzen Mars-Sache geht: Talente anziehen und Leidenschaft, Kapital und harte Arbeit von allen Menschen bekommen, die mit SpaceX zu tun haben“, sagt Matthew Weinzierl zum Guardian, der sich an der Universität Harvard auf Weltraum-Wirtschaft spezialisiert hat: „Die Mars-Mission war schon immer das Kernthema, mit dem SpaceX seine Existenz rechtfertigt.“

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Starship: Ein Weltraum-Lkw

Musk weiß, dass er jetzt nicht nachlassen darf. „Mit dem aggressiven Zeitplan will SpaceX zeigen, dass es nicht nachlässt und sich nicht auf seinen Lorbeeren ausruht. Es will zeigen, dass man kein träges Unternehmen wird, das die Raumfahrt dominiert“, sagt Weinzierl. SpaceX will sich also, trotz seiner Marktdominanz bei Raketenstarts, seinen Ruf als agiles Unternehmen beibehalten, das von großen Zielen - zum Wohle der Menschheit - träumt.

Eine wichtige Rolle dabei spielt Starship. Es wird als das Raumschiff gesehen, das künftig Menschen zum Mars bringt. Das könnte auch wirklich so sein, aber öfters wird es wohl als „Weltraum-Lkw“ genutzt werden, der große Lasten, darunter viele Satelliten auf einmal und Bauteile von Raumstationen in den Orbit bringen wird. Und weil es wiederverwendbar ist, also nach dem Flug wieder auf der Erde landen soll, genauso wie die Teile der Raketen, die es in den Weltraum bringen, sinken erneut die Startkosten.

Weniger Kosten bedeutet mehr Kunden und mehr Profit. Würde Musk das so deutlich verkünden, anstatt weiter auf die menschliche Eroberung des Mars zu pochen, könnte das bei der Belegschaft und Investoren für Unruhe sorgen. Man könnte Musk vorwerfen, den Traum von SpaceX dem Profit geopfert zu haben – schließlich ist die Reise zum Mars der Grund, warum es das Unternehmen überhaupt gibt und nicht der günstige Transport von Satelliten ins All.

2028 zum Mars: Realistisch, aber ohne Wiederkehr

Noch ist Starship nicht so weit, diese Reise bestreiten zu können oder seinen Job als Weltraum-Lkw anzutreten. Der nächste Testflug soll frühestens im November stattfinden.

Dennoch sollen 2026 laut Musk gleich mehrere Starships unbemannt zum Mars fliegen und dort auch landen. Wenn dabei alles klappt, sollen 2028 Menschen zum Mars gebracht werden – ansonsten finden weitere Testflüge zum Roten Planeten statt.

Der 2-Jahres-Abstand in dieser Zeitlinie ist kein Zufall. Denn alle 2 Jahre stehen Erde und Mars in der besten Position, um die Reise mit möglichst geringem Energieaufwand zu schaffen. Wenig Energieaufwand heißt, dass weniger Treibstoff für die Strecke benötigt wird und damit mehr Nutzlast transportiert werden kann.

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Die Reise zum Mars dauert zwischen 7 und 9 Monaten. Dass Starship diesen Flug bald schafft, halten Experten zumindest für plausibel. „Ein erster Flug im Jahr 2026 ist nicht unmöglich, aber schon sehr ambitioniert“, sagt Robert Zubrin, Präsident der Mars Society, zum Guardian: „2028 ist hingegen gut möglich. Wir sprechen hier allerdings von einer Reise ohne Wiederkehr.“

Für die Rückkehr würde der Treibstoff nicht reichen. Selbst, wenn man mit den 2026-Flügen Treibstoff auf der Marsoberfläche platzieren würde, damit die Crew des 2 Jahre später landenten Starships für den Rückflug nachtanken kann, wäre das unrealistisch. Denn um das energiesparendste Zeitfenster für die Rückkehr zur Erde zu erwischen, müssten die Menschen gut 16 Monate am Mars aushalten.

Tankstellen im Orbit

Eine mögliche Alternative, die auch SpaceX erforscht, ist OOS: On-Orbit Staging. Dabei werden entweder ganze Triebwerksstufen oder Treibstofftanks im Orbit der Erde und des Mars platziert. Nach dem Start von der Erde würde Starship sich entweder an die Triebwerke koppeln oder über die Treibstofftanks die eigenen Tanks randvollmachen.

Dann geht es mit höherer Geschwindigkeit in 120 Tagen zum Mars. Dort bleibt man bis zu 14 Tage. Danach wird von der Oberfläche gestartet und beim Treibstofftank im Mars-Orbit nachgetankt. Der Rückflug zur Erde dauert 75 Tage. Der OOS-Plan ist allerdings noch nicht weit genug entwickelt. Dass dieser rasch genug umgesetzt werden kann, dass 2028 Menschen auf eine insgesamt knapp 8-monatige Rundreise zum Mars aufbrechen, gilt aus heutiger Sicht als ausgeschlossen.

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Mars-Stadt als nächster großer Anreiz

Weltraumforscher werfen Musk deshalb vor, für seinen Traum den „leichten Weg“ zu nehmen. Er stellt das Transportmittel zur Verfügung – jemand anderes soll sich darum kümmern, wie die Menschen am Mars überleben sollen, nachdem er sie dort ausgesetzt hat. „Das ist eines der Probleme, die ich mit Musks Behauptung habe. SpaceX arbeitet hart am Transportsystem, aber nicht an Systemen zur Herstellung von Sauerstoff, Wasser und Energie am Mars. Menschen brauchen diese Dinge, um am Mars überleben zu können“, sagt Zubrin.

Daher scheint die „selbst-versorgende Mars-Stadt in 20 Jahren“ aus heutiger Sicht nicht umsetzbar zu sein. Zubrin geht aber davon aus, dass SpaceX höchstwahrscheinlich die meisten von Musk gesetzten Ziele erreichen wird - zu einem späteren Zeitpunkt.

Weinzierl stellt in Frage, ob SpaceX Musk noch als lautstarken Vorträumer braucht, um diese Ziele zu erreichen: „Musk hat viel dazu beigetragen, um eine Kultur bei SpaceX zu etablieren, die unglaublich talentierte Menschen anzieht. Aber jetzt ist die Kultur in den Köpfen so vieler SpaceX-Mitarbeiter verankert, dass das Unternehmen nicht mehr so stark auf Musk angewiesen ist.“

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Gregor Gruber

Testet am liebsten Videospiele und Hardware, vom Kopfhörer über Smartphones und Kameras bis zum 8K-TV.

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