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Wofür österreichische Versicherungen Satellitenfotos nutzen

Um unseren Planeten kreisen Hunderte Satelliten, die die Erde beobachten. Allein das europäische Erdbeobachtungsprogramm Copernicus sammelt täglich 20 Terabyte an Daten.

Damit unterstützt die Europäische Raumfahrtagentur (ESA) z.B. die Einsatzkräfte in Katastrophengebieten. Sie werden auch für den Kampf gegen die Klimakatastrophe eingesetzt, indem z.B. Ozeane, Gletscher und Wälder beobachtet werden. 

Doch das Potenzial solcher Daten ist noch längst nicht ausgeschöpft. Vor allem in der Wirtschaft ist es noch weitestgehend ungenutzt. „Ein großer Trend in den nächsten Jahren wird die Einschätzung von Versicherungsprämien sein“, erklärt Andreas Kapounek vom ECSECO, dem Wirtschaftszentrum der ESA der futurezone. Es wurde 2022 in Wien mit dem Ziel gegründet, Vertreter aus Wirtschaft, Wissenschaft und Ingenieurwesen zusammenzubringen.

Ein Beispiel für konkrete Anwendungsfälle liefern Versicherungen. Sie können Erdbeobachtungsdaten einsetzen, um ihre Risikomodelle zu verbessern. Überschwemmungen, Unwetter und Dürren häufen sich. Mit den Daten lassen sich bessere Prognosen über die Landentwicklung machen. Damit können Versicherungen einschätzen, ob das Haus, der Grund oder das Feld, das man versichern möchte, künftig gefährdet ist und daran die Versicherungsprämie ausrichten. 

Schadensermittlung mit Satellitenbildern 

Gleichzeitig können im Nachhinein bestimmte Schäden schnell erfasst werden, ohne dass Gutachter*innen vorbeikommen müssen. Das klingt nach Zukunftsmusik, wird aber seit Jahren von den Österreichischen Hagelversicherungen eingesetzt. Sie sind spezialisiert auf Landwirtschaft und können mit den Daten der europäischen Satelliten unter anderem Ernteerträge erfassen. Mithilfe der Satellitenbilder wird eine Prognose zu den Erträgen gemacht. Fällt die Ernte schlechter aus, kann damit auch der Schaden ermittelt werden. 

Die HV hat den durchschnittlichen Weizenertrag für 2023 mithilfe von Satellitendaten und Parametern wie Bodenbeschaffenheit und Wetterdaten berechnet

Erdbeobachtung zur Unterstützung und Verbesserung

Allerdings dienen die Daten nur der Unterstützung. „Der Sachverständige nutzt diese Information, um den Schaden effizienter und genauer erheben zu können. Das ersetzt jedoch nicht die Schadenserhebung vor Ort“, erklärt die Hagelversicherung gegenüber der futurezone. Die Satellitenbilder werden kostenlos über das Kundenportal zur Verfügung gestellt. Alle 5 Tage gibt es dort neue Aufnahmen und die Landwirt*innen können die Entwicklung ihrer Felder beobachten. Zum Ermitteln der Versicherungsprämie werden die Daten bei den Österreichischen Hagelversicherungen nicht eingesetzt. 

Bei der Generali Versicherung fließen bereits Erdbeobachtungsdaten in die Modelle zur Risikobewertung ein. So genutzte Satellitendaten bieten Vor- und Nachteile. Einerseits lassen sie bessere Analysen zu, andererseits kommen Bedenken auf, Versicherungen könnten die Bilder zu ihrem Vorteil interpretieren und höhere Versicherungsprämien einfordern. Allerdings wird nie nur eine Quelle für eine Bewertung genutzt. Die Versicherungen greifen auch auf den Gefahrenzonenplan und die Plattform „HORA“ des Landwirtschaftsministeriums zurück, die Risikobewertungen für Naturkatastrophen liefert.

➤ Mehr lesen: Vom All auf den Acker: Satelliten scannen Österreichs Felder

Hilfe in Krisengebieten

Satellitenbilder spielen auch in der Sicherheitspolitik eine zunehmend wichtige Rolle. „Es gibt sehr viele Krisenherde, die globale Auswirkungen haben. Die Erdbeobachtung ist wesentlich, um den Einfluss des Kriegs auf die Zivilbevölkerung zu sehen, aber auch um militärische Aktionen und Bewegungen zu beobachten“, sagt Hermann Ludwig Moeller, Direktor des Instituts für europäische Weltraumpolitik (ESPI). Das Institut sitzt in Wien und erstellt Analysen und Empfehlung zu Raumfahrtthemen.

Laut Moeller ist die Sicherheitspolitik eines der großen Zukunftsthemen. Das habe sich im Ukraine-Krieg gezeigt. Nach der Sprengung des Kachowka-Staudamms lieferten Satellitenbilder schnell Einschätzung zum Ausmaß der Katastrophe. Zudem können moderne Satelliten auch Truppenbewegungen dokumentieren und zur Aufklärung beitragen. Damit können Karten des Kriegsgeschehens aktuell gehalten werden.  

Die Aufnahmen der US-Firma MAXAR zeigen den gesprengten Staudamm

Wissensvorsprung durch "Data Science"

In vielen weiteren Bereichen liefern Satelliten entscheidende Daten. „Es gibt Firmen, die sich einen Wissensvorsprung für Investitionen an der Börse holen, indem sie z.B. weltweit Ernten beobachten. Das ist ein Millionengeschäft“, erklärt Gunter Schreier von der International Society for Photogrammertry and Remote Sensing. Wer die Daten nutzen kann, hat ein mächtiges Instrument in der Hand. 

Die größte Herausforderung ist dabei die Kommunikation zwischen denen, die die Daten verarbeiten und den Unternehmen, die sie nutzen wollen. So legt die Forschungsförderungsgesellschaft FFG etwa großen Wert darauf, dass Förderprojekte reale Verwendungszwecke haben. Sowohl Wissenschaft als auch Wirtschaft sollen davon profitieren. 

Lukratives Geschäft für Europa

Im Bereich Erdbeobachtung hat Europa die Nase vorn, wie der EU-Marktreport 2024 (hier) zeigt: 

  • 2023 wurden im Erdbeobachtungssektor weltweit 3,4 Milliarden Euro Einnahmen gemacht. Bis 2033 soll das auf 6 Milliarden anwachsen
  • Mit 22 Prozent macht Klima und Umwelt das wichtigste Segment aus, danach folgen Landwirtschaft und Stadtentwicklung mit je 13 Prozent und Energie und Versicherungen mit je 10 Prozent
  • Europa machte 2021 die meisten Einnahmen (44 Prozent), dicht gefolgt von den USA (43 Prozent)

Neue Ausbildungsmöglichkeiten

Der zunehmende Einfluss der Erdbeobachtung in Wissenschaft und Wirtschaft erfordert neue Fachkräfte. In Großbritannien gibt es etwa bereits etliche Ausbildungen für Datenwissenschaftler*innen, die sich auf Erdbeobachtung spezialisieren.

Die Uni Salzburg bringt etwa in Österreich im Erasmus-Studiengang „Copernicus Master in Digital Earth“ Studierenden bei, wie sie Satellitendaten analysieren, verarbeiten und zeigt konkrete Anwendungsfälle auf. Neben Umweltschutz, Landwirtschaft und Versicherungen sind hier auch der Energiesektor, die Forstwirtschaft und Stadtentwicklung wachsende Bereiche. 

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Franziska Bechtold

frau_grete

Liebt virtuelle Spielewelten, Gadgets, Wissenschaft und den Weltraum. Solange sie nicht selbst ins Weltall kann, flüchtet sie eben in Science Fiction.

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