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Zwischen Astronauten und Raketen: Zu Besuch auf einer Raumfahrtmesse

Wenn man durch die Stände des International Astronautical Congress (IAC) flaniert, ist eine gewisse Aufregung bei Besuchern und Ausstellern spürbar. Beim Blick auf die ausgestellten Modelle geplanter Raumstationen, Raketen, Mars-Roboter und nostalgischer Raumfähren wie der Apollo-11-Columbia-Kapsel sieht man auch seriösen Businessmännern und erfahrenen Ingenieurinnen eine kindliche Freude an. 

Verständlich, denn die Vielfalt an technologischen Entwicklungen und rasantem Fortschritt der letzten Jahre zeigt sich auf dem IAC, der heuer in Mailand stattfand, besonders deutlich. Wenn man Pläne für Luxus-Raumstationen und Mars-Habitate betrachtet und echte Astronauten trifft, ist es kaum zu glauben, dass der jährliche Kongress für Raumfahrtindustrie und Weltraum-Forschung bereits zum 75. Mal stattfindet. Ob man sich bei der ersten Ausgabe 1950 hätte vorstellen können, wie weit es die Menschheit heute in der Raumfahrt schon geschafft hat? 

Dass Raumfahrer, die bereits mehrfach auf einer Raumstation waren, auf diesem Kongress sprechen würden, hätte man damals wohl nur hoffen können. Die Europäische Raumfahrtagentur ESA brachte aber gleich 3 Astronauten und 2 Reserve-Astronauten mit, darunter die Italienerin Samantha Cristoforetti, der Deutsche Alexander Gerst und die Österreicherin Carmen Possnig.

Europäisches Heimspiel 

Generaldirektor Josef Aschbacher unterzeichnete öffentlichkeitswirksam mehrere bedeutende Verträge für kommende Missionen, wie das Mond-Satellitennetzwerk "Moonlight". Gleichzeitig wurden die neuesten Ergebnisse des Weltraumteleskops Euclid erstmals der Öffentlichkeit präsentiert. Da der IAC jedes Jahr auf einem anderen Kontinent stattfindet (nächstes Jahr in Sydney), wird die heimische Bühne voll ausgenutzt.

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Auch die NASA, die japanische JAXA, die indische ISRO, die französische CNES, die italienische ASI, israelische ISA und die UAE Space aus den Vereinigten Arabischen Emiraten positionierten sich mit repräsentativen Ausstellungsflächen. Hier wurden vor allem die jeweiligen Pläne für die Erschließung des Monds gezeigt, während in Meetings hinter den Kulissen mögliche Kooperationen verhandelt wurden. 

Agenturen und Privatwirtschaft gehen Hand in Hand

Die NASA zeigte zum Auftakt des IAC außerdem zusammen mit dem privaten Hersteller Axiom neue Raumanzüge für die Mondmissionen. Einer der Raumanzüge wurde direkt am Kongress-Eingang in seiner vollen Pracht ausgestellt. Das 2016 gegründete Unternehmen plant zudem eine eigene, kommerzielle Raumstation.

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Zwischen Luxus und Erkundung

Mit einem besonders pompösen Stand präsentierte sich VAST. Das 2021 vom Krypto-Milliardär Jed McCaleb gegründete Start-up schreit vor Luxus. Mit Modellen und VR-Demonstrationen der geplanten Raumstation Haven-1 wird Wohlfühl-Weltraum verkauft, präsentiert von modernen, jungen Weltraumtouristen, die in Videos durch eine beige, holzvertäfelte Raumstation schweben. 

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Neben den hippen Start-ups fehlen auch die großen, traditionellen Firmen nicht. Airbus, Ariane Group und einer der wichtigsten Zulieferer der NASA, der Rüstungskonzern Lockheed Martin, waren vor Ort. Letzterer zeigte etwa sein aufblasbares Habitat, das sowohl im Orbit als auch auf dem Mond oder Mars als Behausung dienen kann.

Lockheed Martin zeigt ein Modell ihres aufblasbaren Habitats

SpaceX sorgt für Hype - ohne vor Ort zu sein

Fast alles was Rang und Namen hat, präsentiert sich in Mailand. Mit Abwesenheit glänzten hauptsächlich Russland und China. Aber auch große Firmen wie Boeing, Virgin Galactic, Origin, aber auch Elon Musks Firma SpaceX, fehlten.

Musk und sein Starship wurden trotzdem zum Gespräch der Messe. Einen Tag vor der Eröffnung gelang dem privaten Unternehmen ein sensationelles Manöver. Dabei wurde die erste Raketenstufe des riesigen Starship bei dessen 5. Testflug mit 2 Greifarmen wieder aufgefangen, um sie wiederverwenden zu können. 

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In kürzester Zeit ein beeindruckender Fortschritt, bedenkt man, dass dem Starship im Juni überhaupt erst der erste erfolgreiche Testflug gelang. Auch wenn SpaceX nicht vor Ort war, schien dieser bedeutende Moment die allgemeine Aufbruchstimmung in der Industrie umso mehr zu beflügeln – denn er demonstriert, was möglich ist (wenn man das nötige Geld aufbringen kann). 

Wo bleibt Europas Starship-Moment?

Obwohl die ESA sich gut auf dem IAC präsentiert, fehlt hier ein solcher Starship-Moment des Staunens, auch wenn ESA-Generaldirektor Josef Aschbacher das anders sieht: „Der Start von Ariane 6 war so ein Moment, wo wir sehr gezittert haben. In den letzten 23 Jahren sind nur 46 Prozent der Erstflüge geglückt“, sagte er der futurezone. 

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Dass die neue europäische Schwerlastrakete allerdings mit großer Verzögerung und Problemen zu kämpfen hatte, lässt sich schwer leugnen. Aschbacher ist zwar von SpaceX technologischer Leistung fasziniert, gibt aber zu bedenken: „Man darf nicht vergessen, dass das nur möglich ist, weil die NASA und Space Force stark mit finanziellen Mitteln, Ingenieuren und Experten unterstützen“. 

Um da in Europa mithalten zu können und wettbewerbsfähig zu bleiben, müssten die Gebiete, in denen man glänzt – Technologie und Erdbeobachtung – ausgebaut werden. „Europa muss insgesamt agiler werden“, so der ESA-Chef. Gleichzeitig müssten aber auch private Firmen ermutigt werden. Das demonstrierte der gebürtige Tiroler auch mit einem Besuch beim Stand der österreichischen Wirtschaftskammer. 

Österreichische Firmen erstmals mit gemeinsamem Stand vertreten

Viele Länder nutzen die Messe auch, um ihre Innovationen auszustellen. Die deutsche Regierung ermöglichte es heimischen Unternehmen und Start-ups z. B., sich im eigenen Pavillon zu präsentieren. Die österreichische Industrie war heuer das erste Mal mit einem gemeinsamen Stand vertreten, allerdings nicht von der Regierung, sondern von der Wirtschaftskammer Österreich (WKO) ermöglicht. 

10 heimische Firmen konnten sich dort präsentieren, darunter Traditionsunternehmen wie TTTech und Beyond Gravity, jüngere Unternehmen wie Peak Technology und Forschungseinrichtungen wie die FFG, Fotec und Joanneum Research

Am Österreich-Stand konnten Firmen sich präsentieren

Mehr Geld für ESA bedeutet mehr Aufträge für Österreich

Die Produkte der Unternehmen finden sich in fast allen ESA Missionen und auch bei der NASA findet man immer häufiger Thermalschutz von Beyond Gravity, Testsysteme von Terma und Datennetzwerke von TTTech. Damit das auch in Zukunft so bleibt, treten die Firmen geschlossen mit der Hoffnung auf, dass die neue Regierung den österreichischen ESA-Beitrag erhöht. Denn ein Großteil dieser Summe wird über Aufträge wieder in die Mitgliedsstaaten reinvestiert, der sogenannte „Georeturn“. Je geringer die Beitragssumme, desto weniger Aufträge werden an heimische Firmen vergeben. 

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Die ESA-Gelder bieten vor allem auch Sicherheit. Noch ist in der Raumfahrt wenig modular aufgebaut. Stattdessen erhalten die Firmen meist Anfragen für individuelle Lösungen. Start-ups suchen nach passenden Bauteilen für ihre Rakete, ihre Raumstation oder ihre Satelliten. In der risikoreichen Branche ist dabei nicht nur unklar, ob das finale Vorhaben gelingt, sondern ob überhaupt etwas gekauft wird. 

Österreichs ESA-Beitrag

261 Millionen Euro
Bei der letzten ESA-Ministerratskonferenz 2022 sagte Österreich der Raumfahrtagentur 231 Millionen Euro zu. Davon sind 115 Millionen Euro ein Pflichtbeitrag und 116 Millionen der Wahlbeitrag. 2023 wurde der Wahlbeitrag um 30 Millionen aufgestockt.

Georeturn
Die Höhe der Mitgliedsbeiträge der ESA-Staaten bestimmt, wie viele Gelder in Form von Aufträgen wieder in die Länder zurückfließen können. Ist das Limit erreicht, gehen die Aufträge an Firmen aus anderen Ländern.

Dabei werden Entwicklungen gefordert, die dann gar nicht gekauft werden. Dabei geht Zeit und Geld verloren. Ein Schritt zu modularer Bauweise, bei der die gleichen Produkte für verschiedene Anwendungen verwendet werden könnten, würde dieses Problem lösen. TTTech arbeitet mit seinen Datennetzwerken bereits in diese Richtung, da ihre Module für viele Raketen und Satelliten funktionieren, nur die Software muss individuell angepasst werden. 

Neue Märkte

Eine weitere Möglichkeit sehen die Firmen in der Expansion in die USA. Dort finden die meisten Raketenstarts statt und die meisten Satelliten werden dort in Auftrag gegeben. „Es gehört viel Vorbereitung dazu, den Markt überhaupt zu erschließen“, erklärt Hans Martin Steiner von Terma der futurezone. Die Firma baut Testequipment, mit dem etwa die Elektronik von Satelliten geprüft wird. 

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Beyond Gravity hingegen macht ihre Technologie, hochwirksame Thermalschilde, die im Weltraum vor Hitze und Kälte schützen, auch für den medizinischen Bereich zugänglich. So kommt ihre Folie etwa auch bei superleitenden Spulen in MRT-Scannern zum Einsatz. 

ESA-Chef Josef Aschbacher (am Mikrofon) zu Besuch am WKO-Stand auf der IAC, ganz rechts die Reserve-Astronautin Carmen Possnig

"Da tut mir als Österreicher das Herz weh"

Die Stimmung ist also positiv, auch wenn mehr Gelder und dadurch mehr Sicherheit und Stabilität bei der Auftragslage gefordert werden. „Österreich hat viel mehr Potenzial, als es erlaubt, sich zu entfalten. Es gibt viele Beispiele – und da tut mir als Österreicher das Herz weh – wo Unternehmer und Ingenieure ausgewandert sind, weil sie nicht den Nährboden gefunden haben, sich zu entfalten“, unterstreicht es auch Aschbacher. 

Ein solches Beispiel ist Daniel Metzler, der in München mit ISAR Aerospace eine eigene Rakete bauen will – den Stand des Unternehmens findet man beim Pavillon der deutschen Regierung. „Österreich bringt viele Talente hervor, aber der Rahmen ist noch zu klein“, so Aschbacher. Der globale Zuwachs der Weltraumwirtschaft betrage etwa 10 Prozent pro Jahr, rund um Österreich entwickle sich das Umfeld zu schnell. „Man ist am richtigen Trend, aber es muss etwas schneller gehen, damit Österreich nicht zu klein bleibt.“

Die Reisekosten wurden von Austrospace getragen. Austrospace ist die Vereinigung von 20 österreichischen Raumfahrfirmen und vertritt deren Interessen. 

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Franziska Bechtold

frau_grete

Liebt virtuelle Spielewelten, Gadgets, Wissenschaft und den Weltraum. Solange sie nicht selbst ins Weltall kann, flüchtet sie eben in Science Fiction.

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