Symbolbild: Frau mit Smartphone

Symbolbild: Frau mit Smartphone

© Getty Images/iStockphoto/Inside Creative House/iStockphoto

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BeReal im Test: Mit Posting-Zwang zurück zur Realität

Soziale Netzwerke haben das Leben maßgeblich verändert. Während es anfangs Plattformen wie MySpace oder StudiVZ waren, die viele Nutzer*innen anziehen konnten, waren es später vor allem Facebook, Instagram oder Twitter, die immer mehr Zuspruch erlebten und sich bis heute an der Spitze halten. Wie diese Netzwerke genutzt werden, hat sich aber über die Jahre massiv verändert. Gerade am Anfang waren etwa Facebook und Instagram vergleichsweise intime Plattformen, die man zum Austausch mit Familie und Freund*innen genutzt hat.

Es wurden kleine Textnachrichten in der Timeline hinterlassen oder Fotos von Ereignissen, die uns möglicherweise etwas bedeutet haben. Genauso wurde aber auch sehr viel Belangloses gepostet, worauf eben der gesamte Freundeskreis reagieren konnte. Mit fortschreitender Zeit veränderte sich das Nutzungsverhalten in den sozialen Netzwerken aber zusehends und auch das Angebot wurde immer weiter umgekrempelt. Die Timeline bei Facebook wurde immer mehr zu einer Ansammlung aus fremden Inhalten und Memes, die laut Algorithmus zu unseren Interessen passen sollen.

Fernab der Lebensrealität

Auch die Werbung nahm immer mehr Raum ein. Der Freundeskreis wurde bei vielen Nutzer*innen zu einem Sammelsurium an Menschen, die man nicht einmal kennt, nur um am Ende mehr Menschen erreichen und diese möglicherweise sogar für Geld selbst „influencen“ zu können. Die Folge aus all diesen Veränderungen sind Inhalte, die immer seltener die Lebensrealität darstellen und stattdessen nur zum Posen gedacht sind.

Fotos werden gepostet, um andere etwa mit einem Urlaub neidisch zu machen oder mit dem perfekten Leben zu beeindrucken, das meist aber nur auf dem Foto existiert. Während viele den Plattformen trotz dieser Veränderungen treu geblieben sind, haben andere ihre Accounts zurückgelassen oder sich zumindest in eine passive Beobachterrolle zurückgezogen. Auch, weil die psychologischen Auswirkungen der realitätsfremden Postings nicht zu unterschätzen sind.

BeReal

Schluss mit Posen

Genau hier setzt die App BeReal mit ihrem Konzept an. Das soziale Netzwerk aus Frankreich möchte eine unverfälschte Erfahrung anbieten, die Nutzer*innen quasi dazu zwingt, unverstellte Fotos zu posten. Möchten wir bei BeReal mitmachen, geht dies ausschließlich über die App. Eine Webseite zur Nutzung auf dem Desktop gibt es nicht. Haben wir uns die kostenlose App heruntergeladen, geht es nach ein paar simplen Schritten los. Beim ersten Start der Anwendung bekommen wir das relativ simple Konzept direkt erklärt.

Zur Registrierung braucht es nicht mehr als unseren Namen, das Geburtsdatum und eine Telefonnummer. BeReal schickt uns dann jeden Tag zu einer zufällig ausgewählten Zeit eine Benachrichtigung. Erhalten wir diese Benachrichtigung, haben wir zwei Minuten Zeit, ein Foto zu machen. Nicht nur die Aufforderung und die knapp bemessene Zeit sind aber eine Besonderheit von BeReal. Auch, wie das Foto bzw. die Fotos angefertigt werden, ist besonders. Reagieren wir auf die Benachrichtigung, landen wir im Aufnahmemodus, der sowohl die Front-, als auch die Rückkamera anzeigt.

Drücken wir auf den Auslöser, wird also nicht nur ein Selfie angefertigt. Auch was vor uns zu sehen ist, nimmt die App auf. Beim Erstellen der Aufnahmen kennt BeReal keine Gnade. Im Kameramodus läuft immer der Timer mit, der uns die verbleibende Zeit zum Absetzen des Posts anzeigt. Viel Spielraum zum Posen bleibt also nicht. Ist das „BeReal“ angefertigt, können wir es in unsere Timeline posten und entweder nur mit Freund*innen oder der gesamten Welt teilen.

Geben und Nehmen

Ob wir ein Foto pro Tag posten hat aber nicht nur symbolisch Bedeutung, unser Beitrag bestimmt auch, ob wir die Inhalte anderer sehen können. Entscheiden wir uns an einem Tag, kein Foto in BeReal zu posten, können wir auch nicht die Fotos unserer Freund*innen an diesem Tag sehen. Wer das soziale Netzwerk vollumfänglich nutzen will, muss auch geben und kann nicht nur nehmen. Sofern wir Fotos gepostet haben, erscheinen diese in einer simpel aufgebauten Timeline zusammen mit den Inhalten unserer Freund*innen.

Um unsere Freund*innenliste zu erweitern, gibt es gleich mehrere Möglichkeiten. So können wir beispielsweise unseren BeReal-Link verteilen, der direkt zu unserem Nutzerprofil führt. Auch können wir andere über die integrierte Suche per Namen oder Nutzernamen finden. Ebenfalls möglich ist das Finden von Freund*innen über das eigene Kontaktbuch, welches dafür aber mit BeReal geteilt werden muss. Zwar behauptet die App, das Kontaktbuch nicht auf den hauseigenen Servern zu speichern, wer sich damit nicht wohlfühlt, sollte aber eher auf die anderen Methoden zurückgreifen.

Sollten wir noch keine Freund*innen in der App haben, gibt es neben dem Reiter „Meine Freunde“ auch noch „Discovery“, der als weltweite Timeline funktioniert. Und hier sieht man relativ gut, welche Auswirkungen das Konzept von BeReal hat. Statt auf Hochglanz polierter Postings sehen wir hier Fotos ohne Filter oder Schnickschnack. Einige Nutzer*innen liegen bei ihren Aufnahmen noch im Bett und wirken ziemlich verschlafen, andere zeigen sich auf dem Weg zur Schule, bei der Arbeit oder beim Kaffeetrinken mit Freund*innen.

Sofern wir bei unseren eigenen „BeReals“ das Hinterlegen unseres Standortes erlaubt haben, können wir sowohl bei Freund*innen als auch bei fremden Nutzer*innen ebenfalls den Standort der Aufnahme einsehen, wenn die Standortfreigabe aktiv war. Im Gegensatz zu Facebook, Instagram und Co. gibt es bei BeReal auch keine Kommentare bei fremden Postings. Als einzige Reaktion dienen Emojis, die von BeReal vorausgewählt wurden und rein positiv sind. Einen „Daumen nach unten“ oder ein kotzendes Emoji können wir also nicht hinterlassen. Lediglich die Posts von Freund*innen können auch kommentiert werden.

Wenig Schnickschnack

In Sachen Einstellungen gibt es bei BeReal nur sehr wenig zum Anpassen. So können wir etwa festlegen, ob wir die Funktion „Memories“ nutzen möchten. Ist das Feature aktiv, hinterlegt BeReal jedes unserer Fotos in einem Kalender, den wir jederzeit zum Einsehen unserer Postings nutzen können. Memories sind dabei lediglich für uns sichtbar.

Ist das Feature deaktiviert, löscht BeReal alte Inhalte und speichert auch keine neuen Inhalte über dir jeweiligen Tage hinaus. Um nicht in der Nacht von BeReal zum Posten aufgefordert zu werden, gibt es außerdem die Möglichkeit zur Auswahl einer Zeitzone.

Neben Europa stehen hier Ostasien, Westasien und Amerika zur Auswahl. Ebenfalls angepasst werden kann, welche Benachrichtigungen wir von BeReal erhalten möchten. Standardmäßig erhalten wir diese für Freundschaftsanfragen, Kommentare oder Reaktions-Emojis sowie Erwähnungen.

Fazit

In einer Welt, in der soziale Netzwerke oft nur noch für Angeberei und Verschwörungstheorien genutzt werden, ist BeReal eine willkommene Alternative. Das soziale Netzwerk bewegt seine Nutzer*innen mit einem eingeschränkten Zeitrahmen für Postings aus dem echten Leben.

Gerade im Zusammenspiel mit Freund*innen macht der Austausch über BeReal Spaß, halten doch alle gleichzeitig einen Moment in ihrem Leben bzw. Alltag fest. Während die App momentan einen wahrlichen Hype erlebt, bleibt aber selbstverständlich abzuwarten, ob auch die breitere Masse für dieses Konzept zu begeistern ist. Das Potenzial dafür hat sie auf jeden Fall.

BeReal ist kostenlos für iOS und Android erhältlich.

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Amir Farouk

Early-Adopter. Liebt Apps und das Internet of Things. Schreibt aber auch gerne über andere Themen.

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