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Das bedeuten die komischen Begriffe in der Stromrechnung

Durch die gestiegenen Energiekosten wird sich so mancher Mensch derzeit intensiver mit seiner Stromrechnung beschäftigen. Abgesehen vom Zählerstand und Verbrauch tauchen dabei einige Begriffe auf, die nicht intuitiv verständlich sind. Wir haben versucht, das Beamtendeutsch in klare Worte zu fassen und begreifbarer zu machen, woraus sich die Stromrechnung zusammensetzt und wofür man daeigentlich bezahlt.

Die Stromrechnung setzt sich prinzipiell aus Beträgen für die Energielieferung und die Netznutzung zusammen. Die Energielieferung erledigt der Energieversorger. Er nutzt seinerseits das Stromnetz eines Netzbetreibers. Endkund*innen zahlen für beides. Wieviel sie zahlen, ist abhängig von ihrem individuellen Verbrauch. Je nach Energieversorger erhält man die Abrechnung für Energielieferung und Netznutzung getrennt oder gesammelt.

Jahres-, Akonto- und Endrechnungen

Die komplexere der beiden ist die für die Netznutzung. Hier verwirren bereits unterschiedliche Bezeichnungen. Neben der klassischen Jahresabrechnung kommen nämlich manchmal auch "Endabrechnungen" oder "Akontorechnungen" ins Haus geflattert. "Die Jahresabrechnung bekommen Endkund*innen einmal im Jahr. Darauf sieht man den gesamten Strombezug, der im vergangenen Jahr stattgefunden hat", erklärt Wolfgang Orasch von den Wiener Netzen.

Damit nicht einmal im Jahr ein Riesenbetrag in Rechnung gestellt wird, gebe es die so genannten Akontorechnungen. 11 Mal im Jahr muss man den gleichen Teilbetrag zahlen, um am Ende eine Summe anzuhäufen, die annähernd einem prognostiziertem Stromverbrauch entspricht. Wer keine SEPA-Lastschrift angefordert hat, bekommt für jeden Teilbetrag eine Akontorechnung. Aber warum heißt es Akontorechnung und nicht einfach Teilbetragsrechnung?

"Das ist eine Spitzfindigkeit, die in Zusammenhang mit der Umsatzsteuer steht", erklärt Stephan Peroutka von den Wiener Netzen. "Die Umsatzsteuer ist eigentlich erst dann abzugsfähig, wenn man eine Leistung erhalten hat." Eine Teilbetragszahlung entspricht ja nicht der tatsächlich gelieferten Strommenge. Der Begriff Akontierung ist rechtlich korrekt. "Es gibt aber unterschiedliche Diktionen in der Branche. Das ist manchmal verwirrend", gibt Peroutka zu.

Auch die Endabrechnung hat Verwirrungspotenzial, meinen die Experten. Sie erscheint u.a., wenn man umzieht. "Der Endstand des Zählers wird dann ausgelesen, also der Verbrauch seit der letzten Jahresabrechnung", sagt Orasch.

Bereiche auf der Stromrechnung

Bereiche auf der Stromrechnung: 1 - Netznutzung, 2 - Abgaben, 3 - Erneuerbaren Förderung, 4 - Zuschlag, 5 - Lastprofil

Zahlen für Netzverluste

Auf der Rechnung für die Netznutzung sind verschiedene Punkte angeführt: Der Netznutzung-Grundpreis, der Netznutzung-Arbeitspreis, Netzverlustentgelt und das Entgelt für Messleistungen. Die Berechnungsbasis für all diese Punkte setzt die Regulierungsbehörde E-Control fest. "Wir sind ein natürlicher Monopolist und die Behörde verwaltet dieses Monopol so gerecht wie möglich", sagt Peroutka.

Der Netznutzung-Grundpreis ist eine Pauschale, während der Netznutzung-Arbeitspreis sich am tatsächlichen Stromverbrauch orientiert und als Summe pro verbrauchter Kilowattstunde angegeben wird. Was wahrscheinlich am meisten irritiert, ist das Netzverlustentgelt.

Zahlt man hier dafür, dass Netzbetreiber schlampig arbeiten und es dadurch zu Verlusten kommt? "Netzverluste sind physikalisch bedingt. Es gibt einfach Widerstände in der Leitung, Verluste bei Transformatoren", erklärt Peroutka. Die Kosten für die Verluste werden zum Teil von den Stromerzeugern getragen, aber auch von Endkund*innen. In Österreich seien die Netzverluste vergleichsweise gering. Sie liegen bei rund 4 Prozent. "Es gibt auch Länder, in denen die Verluste zweistellig sind", ein Faktor sei dabei auch Stromdiebstahl. In Österreich sei dieser minimal.

Elektrizitäts- und Gebrauchsabgabe

Zu den verschiedenen Kostenpunkten für die Netznutzung kommen jede Menge Steuern und Abgaben hinzu, etwa die Gebrauchsabgabe, Elektrizitätsabgabe, Erneuerbaren Förderpauschale, Erneuerbaren Förderbeitrag und regional unterschiedliche Zuschläge.

Die Elektrizitätsabgabe wurde 1996 eingeführt. Sie muss von Stromnetzbetreibern eingehoben und an das Finanzministerium weitergeleitet werden. Das Geld fließt ohne Zweckwidmung ins Bundesbudget. "Für uns ist das ein Durchlaufposten. Wir sind da eine Art Inkassostelle für Steuern", meint Orasch. Mit der Liberalisierung des heimischen Strommarktes im Jahr 2001 sei die Abgabe, die sich nach dem Verbrauch richtet, stark angestiegen - als eine Art Ausgleich für sinkende Strompreise. Seither wurde die Elektrizitätsabgabe aber wieder zur Entlastung von Endkund*innen verringert.  Industrieunternehmen mit hohem Stromverbrauch sind durch die Elektrizitätsabgabe besonders belastet. Für sie gibt es die Möglichkeit einer Rückvergütung durch den Staat.

Die Gebrauchsabgabe wird von den Bundesländern festgesetzt, sie ist daher überall ein bisschen unterschiedlich. Argumentiert wird sie mit dem Benutzen von öffentlichem Grund. Das Geld für die Gebrauchsabgabe fließt ohne Zweckwidmung in das jeweilige Landesbudget.

From coal and nuclear power to renewable energies

Was Privathaushalte mit PV-Anlage am Dach für das Einspeisen ihres Stroms in das Netz erhalten, kommt von allen Nutzer*innen über die Erneuerbaren Förderung

Erneuerbaren Förderpauschale und Förderbeitrag

Um den Ausbau erneuerbarer Energien zu fördern, gibt es die Erneuerbaren Förderpauschale und den Erneuerbaren Förderbeitrag. Ähnlich wie beim Netznutzungspreis ist dieser Punkt in eine Pauschale und einen verbrauchsabhängigen Beitrag gegliedert. Das Geld, das hier von Stromkund*innen bezahlt werden muss, fließt an die OeMAG, die Abwicklungsstelle für Ökostrom. Sie kann damit ihrerseits Stromproduzent*innen für das Einspeisen von Ökostrom bezahlen.

Die Aufteilung in Pauschale und Beitrag sei eine rein politische Entscheidung, meint Peroutka. Das Konstrukt bewahrt große Stromverbraucher*innen vor zu hohen Kosten. Kleinere Verbraucher*innen können sich wiederum von der Erneuerbaren Förderpauschale befreien lassen, wenn sie auch eine Rundfunkgebührenbefreiung (GIS) erhalten. Der Erneuerbaren Förderbeitrag wird seinerseits aufgrund der Höhen der verschiedenen Netznutzungsentgelte berechnet.

Am 1.1.2022 wurden Erneuerbaren Förderpauschale und Förderbeitrag im Zuge von Entlastungsmaßnahmen gegen die allgemeine Teuerungswelle auf Null gesetzt. Deswegen wird bei Jahresabrechnungen zwischen den Zeiträumen davor und danach unterschieden.

Zuschläge je nach Bundesland

Die Wiener Netze hoben bis 30.11.2021 einen so genannten "Zuschlag zu Wiener BF-AG" ein. Dabei handelte es sich um eine Biomasseförderung, die jedoch auslief. Auf der Jahresabrechnung taucht sie aber noch auf, je nach Abrechnungszeitraum.

Der Grund für das Aus waren gestiegene Strompreise, durch die erneuerbare Energieproduzent*innen weniger auf Förderungen angewiesen waren. "Das ist ein wenig wie kommunizierende Gefäße", sagt Orasch. Für Konsumenten sei das recht angenehm: Wenn sie schon so viel für die Energie zahlen, fallen zumindest die Zuschläge weg.

Typisches Lastprofil im Stromnetz einer Woche

Typisches Lastprofil einer Woche in Österreich. Jeweils Morgens und Abends gibt es Lastspitzen. Am Wochenende ist der Stromverbrauch allgemein geringer

Lastprofil

In der Rechnung für die Netznutzung ist für Kund*innen auch jeweils ein Lastprofil angegeben. Bei normalen Haushaltskund*innen wird meist "H0" angegeben. Das Lastprofil sei notwendig, um die zeitliche Verteilung des Verbrauchs einzuschätzen, erklären die Experten. "Diese Standardlastprofile wurden vor 20 Jahren aufgrund statistischer Überlegungen entwickelt", sagt Orasch. Sie helfen Stromnetzbetreibern bei der Steuerung ihrer Netze.

Bei Haushaltskund*innen gebe es ein typisches tägliches Lastprofil mit Spitzen am Morgen und am Abend. Beim Gewerbe gebe es hingegen große Unterschiede: "Ein Tischler hat andere Stromanforderungen als ein Bäcker. Wenn der Bäcker um 6:00 Uhr mit der Arbeit aufhört, fängt der Tischler gerade erst an." Deshalb gebe es 8 verschiedene Lastprofile für Gewerbe. Für landwirtschaftliche Betriebe gebe es 4 verschiedene. Dazu kommen noch Lastprofile für Sonderanwendungen.

Transparenz vs. Verständlichkeit

Insgesamt seien Stromrechnungen "manchmal eine Wissenschaft", sagt Peroutka. "Wenn man sich ansieht, wie Streaming-Dienste arbeiten, mit einer simplen Gebühr, dann ist das natürlich viel simpler als die Korrespondenz mit einem Energieunternehmen."

Was alles in einer Stromrechnung angeführt sein muss, sei gesetzlich geregelt. Es sei im Sinne der Stromkund*innen, dass hier möglichst große Transparenz darüber herrscht, welche Teile der Rechnung wofür verwendet werden. Die Kehrseite der Medaille sei freilich eine Überfrachtung und Begriffe, die kaum jemand versteht. Wer bis hierher gelesen hat, versteht jetzt aber hoffentlich mehr.

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David Kotrba

Ich beschäftige mich großteils mit den Themen Mobilität, Klimawandel, Energie, Raumfahrt und Astronomie. Hie und da geht es aber auch in eine ganz andere Richtung.

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