Bei der App Replika führt man virtuelle Beziehungen.

Bei der App Replika führt man virtuelle Beziehungen.

© Olivier DOULIERY / AFP

Digital Life

So wollen Dating-Apps frustrierte Nutzer zurückgewinnen

Das Jahr 2024 ist noch frisch, viele starten mit neuen Vorsätzen ist neue Jahr: Mehr Sport, berufliche Ziele – vielleicht wird es heuer auch endlich Zeit, neue Menschen kennenzulernen. Verständlich, denn seit der Pandemie fühlen sich mehr Österreicher*innen einsam, wie eine Studie von Caritas und Magenta herausfand – jeder Vierte wünscht sich mehr Kontakte

Dating-Apps im Mainstream angekommen

Dating-Apps sind im vergangenen Jahrzehnt gerade zu explodiert und nicht mehr wegzudenken. Mit Tinder startete 2012 die wohl bekannteste App nach dem Wisch-Prinzip – innerhalb kürzester Zeit kann man auf diese Weise theoretisch viele potenzielle Partner*innen kennenlernen. Das Prinzip von Tinder wurde viele Male kopiert: 2013 folgte Hinge, 2014 Bumble.

Auch in Österreich ist das Wischen zur vorherrschenden Form des Anbandelns geworden. Eine Studie im Auftrag von Parship zeigte 2023, dass mittlerweile jeder 2. Single im Internet nach einer Partnerschaft oder einer Bekanntschaft sucht. Mit 51 Prozent liegt Online-Dating vor anderen Formen des Kennenlernens. Die zweitbeliebteste Form – das Treffen im Freundeskreis – liegt mit 20 Prozent weit dahinter. 

Die Vorteile liegen auf der Hand. App-Dating ist praktisch und lässt sich auch daheim auf der Couch machen. Man muss nicht erst in einen Club oder eine Bar gehen und sich dafür extra in Schale werfen. Bei einer zweiten Parship-Studie im Dezember gaben die Befragten an, dass sie beim Online-Dating viele Vorteile sehen: Sie können so Menschen treffen, die sie sonst nicht kennenlernen würden (49 Prozent) und sie lieben es, ortsunabhängig rund um die Uhr daten zu können (34 Prozent).

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Menschen klagen über Misserfolge beim App-Dating

Aber nicht alle sehen Dating-Apps wie Tinder durch die rosarote Brille. 23 Prozent der Österreicher*innen finden das Schreiben als zu zeitaufwendig. 18 Prozent fühlen sich bei der Kommunikation auf den Plattformen unsicher. Auf TikTok oder Reddit berichten viele Nutzer*innen von frustrierenden Erfahrungen beim App-Dating. 

Auf der Plattform Reddit gab es auf einen Post mit der Frage „Was sind eure Erfahrungen auf Dating-Apps wie Lovoo oder Tinder?“ fast 100 Antworten. Die Beliebteste: „Männlich, fast keine Matches und ein Date. Über mehrere Jahre hinweg mit verschiedenen Accounts. Selbstwertgefühl nicht mehr vorhanden. Nie wieder meld’ ich mich bei so einem Scheiß an“.

Ein anderer antworte, wohl sarkastisch: „Eigentlich durchwegs positiv. Ich bin mit der Erwartungshaltung reingegangen, absolut nichts rausholen zu können und wurde nicht enttäuscht“. Manche geben sich hoffnungsvoller: „Männlich. Hab 2017 mit Tinder angefangen. Viele Matches hab ich nicht bekommen, aber zu einem Date hab ich's geschafft. Diesen August feiern wir unseren 2. Hochzeitstag.“

Offline-Dating ist cooler Trend

Die Nutzungszahlen von Dating-Apps stagnieren, die von Tinder sind sogar leicht rückläufig. Stattdessen erleben Formen des Offline-Datings jetzt eine Art Revival. Neue Speed-Dating-Initiativen wenden sich explizit an junge Menschen. "wemetirl" („Wir trafen uns im realen Leben“) ist z.B. eine hippe Event-Serie für Menschen im Alter von 25 bis 35 in New York City. In anderen US-Städten gibt es vergleichbare Events.

Oftmals geht es um mehr als nur das Kennenlernen. Bei der Veranstaltungsreihe „The Feels“, die in mehreren Städten angeboten wird, treffen sich Leute bei einer Dating-Veranstaltung zum gemeinsamen Meditieren. Sie lernen positive Psychologie und werden in gewaltfreier Kommunikation geschult. Fotos von der Veranstaltung zeigen die Singles im Kreis liegend, während sie gemeinsam zu isländischer Instrumentalmusik entspannen. Dadurch soll laut den Veranstalter*innen Intimität hergestellt werden.

Dating in Virtual Reality

Ist das App-Dating vielleicht ein Ding der Vergangenheit? Die Anbieter von Dating-Apps setzten jetzt jedenfalls auf Innovation statt Resignation, teils mit skurrilen Ideen. Ein Stichwort ist Virtual Reality: Menschen, die Foto-Dating als zu oberflächlich empfinden, sollen sich etwa hinter einem Avatar versteckt im Metaverse treffen können. Das bietet z.B. die App Flirtual an: Hier matcht man auf Basis von Interessen und einer Bio und trifft sich dann in einer VR-Umgebung seiner Wahl. 

Dass wir in Zukunft in VR daten werden, glauben auch die Macher von Nevermet. „Es gibt wesentliche Einschränkungen beim oberflächlichen Dating. Außerdem spiegeln 'reale' Persönlichkeiten, Karrieren und sozialer Status oft nicht wider, wer wir wirklich sind. Warum sollten wir uns also auf der Grundlage dieser Daten verabreden?“, fragen die App-Entwickler*innen. Die App will vor allem für Menschen da sein, die auf Oberflächlichkeiten beim Kennenlernen keinen Wert legen.

Gar keine echten Menschen verbergen sich wiederum hinter den KI-generierten Personen von Replika. Hier kann man virtuelle Freunde oder sogar Partner*innen haben. „Erschaffe einen Freund, der so einzigartig ist wie du selbst“, lautet das Motto. Mit diesen virtuellen Partner*innen könne man dann endlich „frei sprechen, ohne verurteilt zu werden“. Eine solche Chatbot-Beziehung soll einsamen Menschen dabei helfen, Ängste zu mindern, Stress zu reduzieren und sogar echte Liebe ermöglichen. 

Bei der App Blush matcht man wie bei Tinder, allerdings sind die gematchten Menschen nicht echt. Die KI-generierten Fake-Menschen sollen es ermöglichen, „in einer sicheren Umgebung zu üben und zu lernen, wie man Beziehungen führt“. Blush will das Selbstwertgefühl der Nutzer*innen steigern und will ihnen dabei helfen, herauszufinden, was sie wirklich wollen.

Video-Dating für mehr Authentizität

Dabei wünschen sich vor allem junge Menschen, die zur Gen Z zählen, mehr Authentizität beim Dating. An Video-Apps wie TikTok orientieren sich deshalb Apps zum Video-Dating. Ein Video ermögliche es, mehr von sich zu zeigen als auf einem Foto, heißt es. Die Gründerin von Candid, Sharon Ho, entwickelte ihre Video-App, weil sie selbst 155 erfolglose Treffen mit herkömmlichen Apps hatte. Auch andere Anbieter bieten Matching via Video, etwa Ditto oder Lovoo.

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KI als Dating-Coach für besseres Miteinander und weniger Frust

Auch die üblichen Dating-Apps entwickeln sich weiter und versuchen besser zu werden – vor allem mit der Hilfe von KI. Die Match Group, das Unternehmen hinter Tinder, Hinge und OkCupid, gab im August 2023 bekannt, dass es künftig mehr KI in seine Produkte integrieren will. Bereits seit 2019 setzt der Konzern Künstliche Intelligenz bei seinen Matching-Algorithmen ein. KI soll in seinen Produkten dabei helfen, die besten Fotos auszuwählen und gewisse Personen hervorzuheben, die der Algorithmus für besonders passende Matches hält.

Auch bei Bumble soll die „clevere“ Software zunehmend eine Rolle spielen. Bei der Code Conference im September 2023 erzählte die Gründerin Whitney Wolfe Herd, wie Bumble zunehmend KI in seine App packen will. „Ich möchte ganz klar sagen, dass wir nicht die Absicht haben, Menschen durch Bots zu ersetzen. Wir beabsichtigen nicht, dass sich Menschen in die Science-Fiction-Version eines digitalen Freundes, einer digitalen Freundin oder eines Partners verlieben. Was wir jedoch tun werden, ist, dass wir uns wirklich an den schmerzenden Erfahrungen der Kunden orientieren und reduzieren wollen, was die Kunden belastet.“ 

KI soll dabei helfen, passendere Matches zu finden und Menschen bei der Kommunikation zu unterstützten – so, dass die Dating-Erfahrung für alle angenehmer wird. Das klingt ganz danach, ob sie in Zukunft auch eine Art „Nachhilfelehrer“ (Dating Coach) für die richtige Dating-Etikette werden könnte. Sie kann sich auch vorstellen, eine Art „Match Maker“ für Bumble-Nutzer*innen zu entwickeln, der potenzielle Partner*innen vorfiltern könnte und so unpassende Menschen bereits im Vorfeld ausscheiden zu lassen. 

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Jana Unterrainer

Überall werden heute Daten verarbeitet, Sensoren gibt es sogar in Arktis und Tiefsee. Die Welt hat sich durch die Digitalisierung stark verändert. Das interessiert mich besonders, mit KI und Robotik steigt die Bedeutung weiter enorm.

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Jana Unterrainer

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