Vom Tower aus werden die Bewegungen von vielen Flugzeugen gleichzeitig im Blick behalten

Vom Tower aus werden die Bewegungen von vielen Flugzeugen gleichzeitig im Blick behalten

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Digital Life

Flugsicherheit: Können Maschinen menschliche Fluglotsen ersetzen?

Fluglots*innen haben einen gut bezahlten, aber harten Beruf. Sie müssen eine Vielzahl von Flugzeugen sicher durch den Luftraum navigieren und in stressigen Situationen kühlen Kopf bewahren. Nur wenige wollen diese Verantwortung tragen. Besonders dramatisch ist die Situation in den USA. Die New York Times berichtet, dass die Unterbesetzung im „Air Traffic Management“ (ATM) dazu führt, dass viele Fluglots*innen 6-Tage-Wochen mit 10 Stunden langen Diensten schieben. Die Folgen sind Übermüdung, psychische Überlastung, gewalttätige Konflikte und Suizide, sowie eine erhöhte Gefahr von Unfällen in der Luft.

In vielen Ländern werden intensiv Nachwuchskräfte gesucht. Gleichzeitig wird in der Luftfahrt intensiv an der Automatisierung vieler Vorgänge gearbeitet, die bisher von Menschen verrichtet worden sind. Wie geht es damit voran? Kann Automatisierung dabei helfen, den Personalmangel zu kompensieren?

Fluglots*innen werden bereits in vielen Bereichen von automatischen Systemen unterstützt. Die letztendliche Verantwortung tragen sie

Fluglots*innen werden bereits in vielen Bereichen von automatischen Systemen unterstützt. Die letztendliche Verantwortung tragen sie

Unterstützung ist notwendig

„Automatisierung ist auf jeden Fall notwendig“, sagt Christian Kern, Leiter der Abteilung Air Traffic Management bei Austro Control. Auch mit weniger angespannter Personalsituation werden Fluglots*innen in vielen Situationen technisch unterstützt. Weitgehend automatisiert laufen etwa sogenannte „Decision Support Tools“, also Werkzeuge, die Fluglots*innen bei ihren Entscheidungen helfen. Aktionen von Fluglots*innen werden außerdem automatisch überprüft und potenzielle Konflikte werden aufgezeigt. Dadurch werde ein zusätzliches Sicherheitsnetz aufgespannt, sagt Kern.

Flugzeuge weichen ständig von Flugplänen ab, etwa weil sich Wetterbedingungen kurzfristig ändern, erklärt Günter Graf, Leiter der Abteilung Innovation bei Frequentis. Das österreichische Unternehmen liefert Produkte für die Flugverkehrskontrolle in alle Welt. „Wenn Flugzeuge zu anderen Zeiten als geplant ankommen, müssen andere Anflüge kurzfristig umgeplant werden. Das kann automatisiert werden.“ Wichtig sei in der Luftfahrt nur, dass am Ende Menschen die Situation im Griff haben. Sie seien besser als jeder Computer in der Lage, mit Unklarheiten umzugehen und auf Außergewöhnliches rasch zu reagieren.

➤ Mehr lesen: Kann autonomes Fliegen Flugzeugabstürze verhindern?

KI ist in bestimmten Bereichen sinnvoll

Auch Künstliche Intelligenz (KI) kann Menschen in ihren Spezialgebieten nicht das Wasser reichen, sie wird im Air Traffic Management aber eingesetzt. Bei der Analyse großer Datenmengen nach abgeschlossenen Flügen sei KI sehr sinnvoll, genauso wie bei der Verbesserung von Wettervorhersagen, sagt Kern. "Die sind für uns ganz wesentlich", sagt Kern. "KI wird auch in Zukunft sehr wertvoll sein, um die 'situational awareness' weiterzuentwickeln, also dafür zu sorgen, dass Fluglotsen immer darüber im Bilde sind, was sie erwarten können." Um KI verantwortungsvollere Aufgaben zu übertragen, müsse man ihre Vorgehensweise zuverlässig zertifizieren können. Wie das funktionieren soll, ist derzeit noch unklar.

Im Area Control Centre der Austro Control werden Flugbewegungen über ganz Österreich überwacht

Im Area Control Centre der Austro Control werden Flugbewegungen über ganz Österreich überwacht

"Sind im Vergleich zu den USA besser aufgestellt"

Fluglotsen werden in vielen Ländern händeringend gesucht. In Österreich gibt es große Kampagnen, um Menschen für den Beruf anzuwerben. "Das trägt Früchte", sagt Christian Kern von der Austro Control: "Wir haben eine gute Anzahl von Bewerbern."

Momentan seien hierzulande 350 Fluglotsen beschäftigt. Eine Pensionierungswelle stehe an, aber es sei rechtzeitig mehr Personal aufgebaut worden. "In manchen Bereichen haben wir jetzt einen sehr hohen Personalstand."

Vorne dabei

Vorkehrungen zu treffen sei wichtig, denn neue Fluglotsen seien nicht sofort verfügbar. Die Ausbildung dauere zwei bis drei Jahre. Danach seien noch diverse Zertifizierungen zu absolvieren, bevor "Fluglotsen in Bereichen arbeiten können, wo es wirklich knifflig ist", sagt Günter Graf von Frequentis. Am technischen Innovationsprozess sei Österreich intensiv beteiligt. "Bei der Automatisierung sind wir im Vergleich zu den USA besser aufgestellt", sagt Kern.

Die Computersysteme, mit denen heimische Fluglotsen arbeiten, erfahren jährlich eine Verbesserung. Außerdem arbeite man bereits an zukünftigen Plattformen. "Wir tauschen quasi das Betriebssystem aus", sagt Kern.  Auch die Integration von Künstlicher Intelligenz bereite man vor, natürlich mit großer Vorsicht.

Am besten Mensch UND Maschine

Im Rahmen der Initiative für eine gemeinsame europäische Luftverkehrskontrolle (Single European Sky) haben sich Forscher*innen angesehen, welcher Grad an Automatisierung langfristig die meisten Vorteile bringt. Sie kommen zum Schluss, dass eine „holistische kognitive Unterstützung“ angestrebt werden sollte – und nicht vollständige Automatisierung. Mensch und Maschine sollen eng kooperieren, um das Beste aus beiden Welten mitzubringen.

Sprechfunk bleibt

Eine sehr menschliche Eigenheit der Luftverkehrskontrolle bleibt die Kommunikation über Sprechfunk. Alternativen seien in vielen Bereichen aber vorhanden, etwa direkte Datenverbindungen zwischen Flugzeug und Luftverkehrskontrolle.

Was hier möglich sei, sehe man bei Drohnen, sagt Graf. Flugfreigaben werden heute etwa in Österreich hochgradig automatisiert erteilt. Fluglots*innen müssen die Flüge nur in einem Schritt bestätigen. Für Fluglots*innen werde die automatische Sprachausgabe durch Computer bei bestimmten Anweisungen getestet. Bei Passagierflügen werde es den Sprechfunk aber noch eine lange Zeit geben. Um solch ein System umzustellen, brauche es nämlich einen internationalen Konsens. „Bis das passiert, dauert es aber noch 20 bis 30 Jahre“, ist sich Graf sicher.

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David Kotrba

Ich beschäftige mich großteils mit den Themen Mobilität, Klimawandel, Energie, Raumfahrt und Astronomie. Hie und da geht es aber auch in eine ganz andere Richtung.

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