Symboldbild: Angelegtes russisches U-Boot

Symboldbild: Angelegtes russisches U-Boot

© REUTERS / Stringer Russia

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Geheime russische U-Boot-Basis lässt Experten rätseln

Russland verstärkt die Verteidigung seiner Marine-Stützpunkte. Das an sich ist nicht überraschend, nachdem die Ukraine seit Oktober 2022 mehrfach Häfen im Schwarzen Meer mit schwimmenden Kamikazedrohnen attackiert hat.

Die neueste Verteidigungsanlage wurde aber in Olenya Guba errichtet. Die geheime U-Boot-Basis befindet sich in der Arktis – tausende Kilometer vom Schwarzen Meer entfernt.

Wie Naval News berichtet, ist die neue Struktur auf Satellitenbilder erkennbar. Eine Analyse ergab, dass sie in den vergangenen Monaten errichtet wurde – also nicht schon Jahre existiert hat und bisher unentdeckt blieb.

Schwimmende Barriere als Kriegsvorbereitung

Dabei handelt es sich um eine Sperre, die beim 560 Meter breiten Wassereingang der Basis erbaut wurde. Vergleicht man die Bilder mit denen der Häfen in der Krim, wird deutlich, dass es sich um einen ähnlichen Verteidigungswall handelt. Das wirft für Expert*innen und Analyst*innen Fragen auf.

Solche Verteidigungsanlagen werden in Friedenszeiten üblicherweise nur errichtet, wenn man sich auf einen Krieg vorbereitet. Russland ist zwar im Krieg – aber die Ukraine ist doch ein ganzes Stück entfernt. Luftlinie Odessa nach Olenya Guba sind über 2.500 Kilometer und einen direkten Seeweg gibt es nicht.

Abwehr von schwimmenden Kamikazedrohnen

In den Schwarzmeer-Häfen wurden solche schwimmenden Sperren aufgebaut, um Bootsdrohnen der Ukraine aufzuhalten. Würde die Ukraine mit diesen ferngesteuerten Kamikazedrohnen Olenya Guba attackieren wollen, müssten die Boote entweder von der Nordküste Russlands aus, Norwegen oder von einem Schiff im Nordmeer zu Wasser gelassen werden.

All das sind eher unwahrscheinliche Szenarien. Die europäischen Länder, die die Ukraine mit Waffenlieferungen unterstützen, würden nicht zulassen, dass eine Drohne durch ihr Gebiet transportiert wird, um damit eine russische Basis, auf russischem Festland, weit abseits des Kriegsgebiets, zu attackieren.

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Russland könnte womöglich glauben, dass ukrainische Saboteure die Drohnen in Frachtschiffen verstecken, die von der Ukraine aus auslaufen, etwa um Getreide und andere Güter zu transportieren. Das wäre aber für die Ukraine ein enormes Risiko, da diese Containerschiffe von Russland verfolgt und regelmäßig kontrolliert werden. Würde man dabei die Kamikazedrohnen finden, hätte Russland einen Anlass, alle ukrainischen Containerschiffe festzusetzen oder gar zu zerstören.

Stützpunkt der russischen Seabed-Warfare-Flotte

Eine andere Möglichkeit ist, dass sich Russland damit vor den USA schützen will. Womöglich vermutet der Kreml, dass die US Navy mit Unterwasserdrohnen die Basis ausspionieren will.

Olenya Guba ist jedenfalls ein reizvolles Ziel für Spionage. Der Marine-Stützpunkt gilt als geheim. Die gleichnamige Stadt darf von Zivilisten nicht betreten werden. Seit dem Kalten Krieg dient der Stützpunkt als U-Boot-Basis. Er ist das Hauptquartier der GUGI-Flotte. Diese ist auf Spionage und Seabed-Warfare spezialisiert – also Aktionen am Meeresgrund.

Dazu nutzt Russland eigens dafür gebaute Tiefsee-U-Boote mit Titanrümpfen. Diese werden von anderen U-Booten zu ihren Einsatzorten gebracht. Dort tauchen sie ab, um Untersee-Datenkabel und Pipelines zu manipulieren oder sabotieren. Auch das berüchtigte russische Spionageschiff Yantar, das mehrfach bei Einsätzen über Untersee-Datenkabeln beobachtet wurde, hat ihren Heimathafen in Olenya Guba.

Russland trainiert Wale

In Olenya Guba werden auch Wale trainiert, um Spionagemissionen auszuführen. Auf Satellitenbildern sind die Gehege dafür im Wasser sichtbar. 2019 wurde in Norwegen ein Beluga-Wal gesichtet, der ein Tragegeschirr angelegt hatte. Expert*innen gehen davon aus, dass dieser in Olenya Guba trainiert wurde und von dort ausgebüxt ist. Das Geschirr, welches ihm abgenommen wurde, war auf der Innenseite mit „Eigentum von St. Petersburg“ beschriftet.

Unklare Bedrohung für die russische Marine

Militärexpert*innen sind jedenfalls alarmiert und werden jetzt andere russische Marinebasen speziell im Auge behalten. Sollten die ebenfalls Verteidigungen aufbauen, spricht das dafür, dass die gesamte russische Marine Sicherheitsbedenken hat – wegen eines bisher nicht bekannten Grundes.

Bleibt Olenya Guba die einzige Basis mit Verteidigungswall außerhalb des Schwarzen Meeres, würde das auf etwas Besonderes in dieser Basis hindeuten. Womöglich will Russland dort bald neue U-Boote oder eigene Unterwasserdrohnen für Seabed-Warfare testen und verhindern, dass die USA diese mit US-Navy-Tauch-Drohnen entdeckt.

Seabed Warfare wird wichtiger

Die Meeresboden-Kriegsführung gewinnt zunehmend an Bedeutung. Die USA, Russland, China und andere Länder bauen eigene U-Boot dafür und entwickeln Verteidigungsstrategien, um Untersee-Infrastruktur zu schützen.

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99 Prozent des interkontinentalen Datenverkehrs erfolgt über Untersee-Internetkabel. Das macht sie zu lukrativen Zielen, um etwa den Datenverkehr zwischen den USA und seinen Verbündeten in Europa und Asien auszuspionieren.

Außerdem werden zunehmend Stromleitungen am Meeresboden verlegt – nicht nur von Offshore-Windfarmen zum Festland, sondern auch durch Meere, um erneuerbare Energien über weite Strecken zu transportieren. Werden an Tagen mit besonders hohem Strombedarf solche Leitungen durchtrennt, könnte das die Netzfrequenz eines Landes oder sogar ganzen Kontinents so stark abfallen lassen, dass eine Kettenreaktion und damit ein Blackout entsteht.

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