Ukraine stört russische Hyperschallrakete mit Musik
Die Hyperschallrakete Kinzhal (auch Kinschal) ist eine der furchterregendsten Waffen Russlands. Laut Russland erreicht die Rakete Höchstgeschwindigkeiten von Mach 10 (3.400 Meter/Sekunde, 12.300 km/h) und hat eine Reichweite von bis zu 500 km. Die Stückkosten sollen sich auf 10 Millionen Dollar belaufen.
Die als "unstoppbar" geltende Rakete wird auch gegen die Ukraine eingesetzt. Dem ukrainischen Militär gelingt es zwar immer wieder, Kinzhal-Raketen mit dem US-amerikanischen Patriot-System abzufangen. Das ist aber teuer: Eine Rakete des Abfangsystems MIM-104 Patriot kostet selbst etwa 3 Millionen US-Dollar.
Elektronische Kriegsführung gegen Kinzhal
Das in der Ukraine entwickelte elektronische Kriegsführungssystem Lima kann es aber ebenso mit der Kinzhal aufnehmen, wie Militärjournalist David Axe auf seinem Blog "Trench Art" schreibt. In den vergangenen 2 Wochen seien etwa ein Dutzend Hyperschallraketen mit dem System außer Gefecht gesetzt worden. Allein am 9. November sollen 6 Kinzhal-Raketen durch Lima abgelenkt worden sein.
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Lima stört dabei die Satellitennavigation der Raketen, indem es die GNSS-Signale (Kinzhal nutzt das russische GPS-Pendant GLONASS) mit anderen Signalen überlagert. Die Rakete verliert die Orientierung und stürzt ab, bevor sie ihr Ziel erreichen kann.
Jegliches Signal, das über diese sogenannte Jamming-Technik an die Rakete übertragen würde, könne einen Fehler in der Navigation auslösen, sagt ein Soldat der Truppe Night Watch, dem Team für elektronische Kriegsführung in der Ukraine. Aber man wollte nicht nur Kinzhals abstürzen lassen, sondern auch ein Statement machen. Daher stört man die GPS-Signale mit einer Übertragung der ukrainischen Patrioten-Hymne "Unser Vater ist Bandera".
Stepan Bandera wird in der Ukraine trotz seiner Verbindungen zum Nationalsozialismus und antisemitischer Einstellung als Nationalheld verehrt. Er wurde 1959 in München durch den russischen Geheimdienst KGB ermordet.
Katz-und-Maus-Spiel
Ein Lima-System kostet 1,2 Millionen Dollar und damit weniger als eine Abwehrrakete des Patriot-Systems. Gleichzeitig kann das System gegen Drohnen, Marschflugkörper und nun auch gegen Hyperschallraketen schützen. Das ist möglich, da die Jamming-Technologie des Systems ständig weiterentwickelt wird. Es ist ein Katz-und-Maus-Spiel mit der russischen Seite, die ihrerseits die Navigationssysteme ihrer Raketen und Drohnen ständig weiterentwickelt.
Die erste Kinzhal konnte so am 30. Oktober von ihrem Kurs abgebracht werden. Sie war Teil eines Beschusses von mehr als 700 Drohnen und Raketen. Dabei war es nicht einfach, Lima auf die Hyperschallrakete einzustellen. Zunächst musste die Reichweite des Systems erhöht werden, oder besser gesagt die Höhe, in der die Jamming-Signale ankamen.
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Mehrere Systeme stören
Dann musste man einen Weg finden, um die Rakete zu knacken. Die Kinzhal ist zwar nicht immun gegen Jamming, durch eine Kombination von Satellitennavigation, Radar und Trägheitsnavigation kann die Rakete auch ihr Ziel treffen, wenn eines dieser Systeme gestört wird. Es ist also nicht genug, die 8 Antennen der GPS-Navigation zu stören, sondern auch die restlichen Systeme.
Glücklicherweise kommt es immer wieder vor, dass Kinzhal-Raketen beim Einschlag nicht explodieren. Das ermöglicht den ukrainischen Kräften, die Technologie in der Waffe genauer unter die Lupe zu nehmen.
Das Team von Night Watch ist sich bewusst, dass die Abwehrtaktik von Lima nicht ewig funktionieren wird. "Wir erwarten, dass Russland die Konfiguration der Navigation in der Raketen in 3 bis 4 Monaten verändert", sagt eine Quelle gegenüber Trench Art. In der Zwischenzeit könne man durch Lima "einen Haufen an Infrastruktur in der Winterzeit retten."
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