Battlefield 6 im Test
Battlefield 6 Singleplayer im Test: Kopiert und uninspiriert
„Battlefield spielt man nicht wegen dem Einzelspieler-Modus, oida“: Wenn das so ist „oida“, wieso hat dann Battlefield 3, 4, 5 und jetzt auch wieder 6 einen?
Ja, die Battlefield-Serie spielt man tatsächlich hauptsächlich wegen des Multiplayer-Modus. Da es aber überraschend wenig Singleplayer-Militaryshooter im Triple-A-Bereich gibt, könnte die Kampagne von Battlefield 6 (PC, Xbox Series, PS5, ab 70 Euro bei Amazon) vielleicht doch auch den ein oder anderen einsamen Wolf zur BF-Reihe locken. Ich habe getestet, ob man der Versuchung nachgeben sollte.
Österreich verlässt die NATO
Typisch für einen modernen Militaryshooter, spielt auch BF6 in der sehr nahen Zukunft, mit einer leicht alternativen Realität. Laut dem Vorspann verlässt etwa Österreich 2028 die NATO, zusammen mit anderen Ländern.
Der Feind in diesem Szenario ist Pax. Diese Söldnergruppe ist ausgerüstet wie eine global agierende militärische Streitkraft eines Landes, hat aber gleichzeitig Verhaltensmuster einer Terrororganisation. Diese Feinddarstellung ist ein „Hot Mess“. Es wirkt, als hätten sich die Entwickler zuerst überlegt, welche Missionen sie in der Kampagne haben wollen und dann irgendwie versucht, einen „neutralen“ Feind zu kreieren, der die Wahl der Art und Orte der Einsätze rechtfertigt.
Und so sucht man in der Rolle eines US-Marines einen Kommunikationssender in der New Yorker U-Bahn, sprengt einen Damm in Tadschikistan und stürmt den Strand von Gibraltar. Das findet als gespielte Rückblende statt und involviert eine riesige Verschwörung – Call of Duty: Black Ops lässt grüßen.
Sturm auf Gibraltar
© EA/Screenshot
Auch bei den Missionen selbst ist nichts, was man nicht schon von CoD oder früheren Battlefield-Games kennt. Natürlich kann man nur beschränkt kreativ sein, weil es im Endeffekt immer darum geht, Feinde abzuknallen und Dinge zu sprengen. Aber es gibt einfach zu viele Ähnlichkeiten und Momente, weshalb BF6 fast schon wie eine Hommage wirkt – inklusive einer BF-Version des CoD-Charakters Ghost.
Besonders tragisch daran ist, dass kaum etwas von dem Battlefield-Flair übrig ist. Es gibt nur wenige Momente, in denen das größere, militärische Ganze fühlbar wird, wie etwa der Anfang von Tadschikistan. Ansonsten ist es einfach „just another CoD Clone“.
➤ Mehr lesen: Ready or Not für PS5 im Test: Endlich Nachschub für SWAT-Fans
Hauptsache, es schaut gut aus
Weit mehr wert als auf Originalität wurde auf Authentizität gelegt – zumindest beim Look. Die Ausrüstung ist extrem detailliert. Das sind nicht nur die Waffen, sondern auch das Waffenzubehör, wie etwa Zielfernrohre. Das geht so weit, dass sogar beim Dreibein-Kopf HOG Saddle die Gummistruktur der Innenseite sichtbar ist (aber nicht ganz richtig geformt). Oder dass bei den Ringen der Geissele-Zielfernrohrmontage der Dreck in den Aussparungen zu sehen ist.
HOG Saddle mit sichtbaren Gummi auf der Innenseite
© EA/Screenshot
So schön echt sie auch aussehen, so wenig echt verhält sich die Ausrüstung im Spiel. Diese Debatte in Games gibt es immer wieder: Wie realistisch kann ein Game sein, um noch Spaß zu machen – oder reicht es nicht aus, wenn es authentisch ist? Battlefield 6 ist keine Simulation und muss deshalb auch nicht realistisch sein. Aber die Freiheiten, die sich die Entwickler in der Singleplayer-Kampagne genommen haben, dünnen den Begriff Authentizität, im Zusammenhang mit einem Militaryshooter, schon sehr aus.
Ein Klassiker: Man markiert Ziele am Boden mit einem Laser für einen Luftangriff. Anstatt mit dem Laser bis zum Einschlag draufzubleiben, was nötig ist, damit der Lasersuchkopf der Bombe/Rakete das Ziel trifft, wird nach etwa 2 Sekunden ein Lock erreicht und man kann das nächste Ziel markieren.
Gleich darauf fliegen Kampfjets nur wenige Meter über den Boden, um Bomben auf die Panzer abzuwerfen. Abgesehen davon, dass man so ein Risiko nie eingehen würde (wer tief und nahe im Kampfgebiet fliegt, kann leicht von Luftabwehr erwischt werden) fliegen die Jets so tief, dass sie selbst durch die Explosionen beschädigt werden könnten.
Dann wird man von einem Hubschrauber abgeholt. Ein Heli fliegt mitten in ein Schlachtfeld, in dem alles explodiert, feindliche Jets im Luftkampf die eigenen Jets abschießen, die Bodenangriffe fliegen und Infanterie mit Maschinengewehren und Raketen herumschießt, um 4 beliebige Soldaten abzuholen. Nein. Einfach nein. Und nachdem der Heli abgeschossen wird, kommt 5 Minuten später der nächste Heli, in dieselbe Situation.
Der Hubschrauberabsturz hatte wohl so eine Wucht, dass die geschraubten Mündungsfeuerdämpfer von den Sturmgewehren gehüpft sind...
© EA/Screenshot
Drohnen dürfen nur ein bisschen mitmischen
Drohnen spielen, entgegen der aktuellen Konflikte und militärischen Entwicklungen, in den ersten zwei Dritteln der Kampagne keine Rolle. Und danach sind sie in einer Mission quasi endlos verfügbar. Die Switchblade 300 ist zwar sehr kompakt, aber dass 4 vollausgerüstete Soldaten nochmal zusätzlich 20+ der gut 2,5 kg schweren Drohnen dabeihaben, ist eher unwahrscheinlich.
➤ Mehr lesen: PERCH: Kampfpanzer M1A2 Abrams bekommt Kamikazedrohnen
Dafür wurde aus Gameplay-Gründen die bombenabwerfende Multicopter-Drohne (mit unendlich Munition) so beschränkt, dass die Reichweite kaum mehr als 100 Meter ist. Sogar die Black Hornet Nano, die nur so groß wie ein Mini-Spielzeughubschrauber ist, hat eine Reichweite von mehreren Kilometern.
Es muss wohl Frühling sein, die AAVs paaren sich
© EA/Screenshot
Wenig Durchschlagskraft
Die mangelnde Durchschlagskraft macht so ziemlich jede Waffe obsolet, die nicht ein klassisches Sturmgewehr im Kaliber 5,56 mm ist. Die M7 in 6,8 mm und G3 in 7,62 mm sind aufgrund der geringeren Magazingröße genauso sinnlos wie das Verwenden des Einzelfeuermodus: Die meisten Gegner halten nämlich zu viel aus und stecken teilweise sogar Treffer des .50 BMG M2-Maschinengewehrs weg.
Und noch eine Kleinigkeit: Niemand sichert seine Waffe. Im engen Auto auf holpriger Fahrt mit 4 Leuten darin ist das Gewehr auf Vollautomatik gestellt, statt gesichert. Ebenfalls eine Kleinigkeit, die beim Spielen aber irritierend ist: Alle Charaktere haben (zumindest auf der PS5) seltsam lange und dicke Wimpern.
Die Standard-Wimpern für alle Charaktere in Battlefield 6
© EA/Screenshot
Gunplay ok – wenn es CoD wäre
Positiv ist, dass die Feinde nicht, wie in anderen Spielen, vor dem Hintergrund herausleuchten, obwohl sie teilweise neonfarbenes Paracord tragen. Das erzeugt in einigen Momenten die Illusion eines Taktik-Shooters, weil man erst mal ausmachen muss, wo sich die Gegner befinden, die gerade auf einen schießen. Lässt man sich dafür aber mehr als ein paar Sekunden Zeit, fliegen die Granaten und Raketen.
Das Gunplay ist, wenn man die richtigen Waffen verwendet, dem dynamischen Gameplay angepasst – also im CoD-Stil. Das kann schon Spaß machen. Der Spaß wird aber getrübt, weil in einigen Levelabschnitten Feinde aus dem Nichts spawnen. Ist man zu schnell vorgerückt, kann es sein, dass plötzlich Soldaten hinter einem auftauchen, obwohl man das Gebiet eigentlich gesäubert hatte.
Die computergesteuerten Kameraden im Squad, die man in den meisten Missionen dabei hat, erweisen sich in solchen Situationen oft als nutzlos. Tauchen die Feinde so knapp auf, stehen sie ratlos herum, drehen sich demonstrativ weg, oder bleiben beim Weglaufen an Hindernissen hängen.
Auch die Battlefield-Version von Ghost (Mitte) bekleckert sich nicht mit Ruhm, wenn es darum geht Rückendeckung zu geben.
© EA/Screenshot
Fazit
Während Call of Duty, zumindest bei der Black-Ops-Reihe, sich beim Einzelspieler-Modus rehabilitiert hat, wird in Battlefield 6 ein neues Tief erreicht. Es ist ein schlechter Versuch, CoD zu klonen, bei dem die eigene DNA grausig verwässert wird.
Nach 5 Stunden und 35 Minuten (Schwierigkeitsgrad Normal) blieb ich unbefriedigt zurück – und mit dem Wunsch, mal wieder die Story von Battlefield 3, Bad Company und Modern Warfare 2 Campaign Remastered zu spielen. Rein für den Einzelspieler-Modus sollte man Battlefield 6 keinesfalls kaufen. Man kann ihn höchstens als kostenlose Dreingabe sehen, die einem zeigt, dass selbst die Kampagnen der neuen Modern-Warfare-Reihe nicht so schlecht waren, wie sie hätten sein können.
Kommentare