Vault Hunter Vex hält ein Wiener Schnitzel in der linken Hand

Vex weiß was gut ist.

© Gearbox/futurezone/Adobe generatives Füllen

Games

Borderlands 4 im Test: Ein Spiel wie ein tägliches Schnitzel

Borderlands 4 ist eine gesunde Weiterentwicklung der Spieleserie, aber ohne "muss man unbedingt gespielt haben"-Moment.

Es gibt 2 Arten von Gamern auf der Welt: Die, die Borderlands mögen und… wer zum Teufel mag Borderlands nicht? Was stimmt nicht mit euch?

Das ist ungefähr das Niveau von Humor, das einen bei Borderlands, Borderlands 2, 3 und dem Ableger Tiny Tina‘s Wonderlands erwartet. Ist das schlecht? Nein, überhaupt nicht. Wird einem davon bei übermäßigem Genuss schlecht? Möglich. Ich habe Borderlands 4 für die PS5 getestet.

Das Schnitzel unter den Loot-Shootern

Abgesehen von Borderlands 3 habe ich alle Teile der Loot-Shooter-Serie genossen. Und wegen Teil 3 war ich nicht sehr optimistisch, was Nummer 4 angeht, obwohl es mit Wonderlands ein nettes Versöhnungsangebot des Spielestudios Gearbox gab.

Ich freue mich, sagen zu können, dass ich enttäuscht wurde – mein Pessimismus war nicht gerechtfertigt. Denn Borderlands 4 ist gut, auf die typische Borderlands-Art. Aber ist es überragend? Wird es die Frevler, die mit dem charakteristischen Celshading-Look und chaotischen Ballereien nichts anfangen können, in seinen Bann ziehen? Nein.

Um die Analogie zum panierten Fleischfetzen herzustellen: Es ist wie Schnitzel. Ja, eh leiwand, aber auch wie erwartet. Ein Schnitzel bleibt oft nur in Erinnerung, wenn es schlecht war oder extrem gut. Dazwischen wars einfach nur ein Schnitzel. Ähnlich geht es mir mit Borderlands 4. Nach reichlich Spielstunden habe ich keine Reue, dass ich die Zeit nicht anders verbracht habe. Aber soll ich aus dem Stehgreif meine 3 Lieblingsmomente aus dem Game nennen, müsste ich hart nachdenken, um wenigstens 2 zu nennen.

Vault Hunter Harlowe

Vault Hunter Harlowe

Gefängnisplanet Kairos

Was die Handlung von Borderlands 4 angeht, kann man das Game wie den Start in eine neue Trilogie sehen. Es spielt im selben Universum und in derselben Zeitlinie wie Teil 3 und es kommen auch einige bekannte Charaktere vor. Mit dem Planeten Kairos wird aber eine einigermaßen isolierte Welt eingeführt, die scheinbar das große Ganze der ersten 3 Teile verschlafen hat.

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Überspringt man die Story, ist es kein großer Verlust. Wer sich aber einarbeiten will, findet überall auf der Welt Audiologs. Diese stammen von verschiedenen Personen und sind wie Puzzlestücke, aus denen man sich nach und nach die Hintergründe zu Kairos und Motivationen der dort lebenden Charaktere zusammenreimen kann.

Kairos selbst löst bei mir gemischte Gefühle aus. Gearbox hat versucht, eine homogenere Spielewelt zu erstellen, in der die Gebiete fast nahtlos ineinander übergehen. Das klappt oft zu gut, weshalb man manchmal das Gefühl hat, dass die Landschaft von Kairos nicht sehr abwechslungsreich ist. Wenn man nicht gerade per Schnellreise-Funktion von einem Eck der Spielewelt in die andere reist, sind die Übergänge so sanft, dass man sie oft nicht bekommt. Stattdessen denkt man sich nach ein paar Stunden Spielezeit: Oh, wie bin ich denn jetzt in der Wüste gelandet?

Claptrap ist wieder da...

Claptrap ist wieder da...

Schade an der Spielewelt ist, dass sie „nervig by Design“ ist. Um die Gameplay-Neuerung zur Geltung zu bringen, gibt es öfter unnötig lange Wege, die man zurücklegen muss, um bestimmte Orte zu erreichen. Die natürlichen Hindernisse sind dabei vertikal: Entweder hoch oben oder durch eine Schlucht getrennt. Zwar gibt es weiterhin keinen Fallschaden bei der Borderlands-Reihe (danke Gearbox), aber hüpft man in eine der bodenlosen Schluchten, ist man trotzdem tot.

Hinzu kommt, dass die Schnellreisepunkte eher spärlich auf Kairos verteilt sind. Immerhin sind die Respawn-Punkte, falls man schluchtgehüpft ist oder von den Gegnern plattgemacht wurde, großzügig verteilt.

Borderlands 4

Borderlands 4

Schnitzel nach Destiny-Art

Abseits der neuen Spielewelt hat Borderlands 4 ein paar Gameplay-Neuerungen bekommen. Diese sind nicht weltbewegend, sondern wirken eher wie Quality-of-Life-Updates, um die Borderlands-Serie einigermaßen frisch zu halten. Dabei haben sich die Entwickler von Destiny inspirieren lassen.

So gibt es jetzt ein Fahrzeug im Stil eines Hover-Bikes, das man jederzeit per Tastendruck rufen kann. Und das ist auch der Grund, warum Kairos' Landschaft so aussieht, wie sie aussieht: Damit man einen Grund hat, um dieses Hover-Bike zu nutzen.

Ebenfalls neu ist ein Enterhaken, der aber nur an bestimmten Stellen greift, um sich nach oben zu ziehen. Und es gibt jetzt ein Jetpack, mit dem man eine Weile schweben (aka: langsam nach vorne fallen) kann, auch nach einem Doppelsprung.

Der Digirunner ist die Borderlands-Variante eines Hover-Bikes.

Der Digirunner ist die Borderlands-Variante eines Hover-Bikes

Schön ist, dass diese Dinge nicht nur für das Erreichen bestimmter Orte genutzt werden, sondern Teil des Gunplays sind. So kann mit dem Enterhaken kleine Fässer zu sich herziehen, die man dann auf die Gegner schmeißt, um Elementarschaden auszulösen. Das Schweben macht etwa Sinn, wenn man von oben die Feinde mit Raketen beschießen will, ohne sich selbst durch die Explosion das Schild wegzuballern.

Generell ist das Gunplay in Borderlands 4 viel dynamischer als in den vorherigen Teilen. Konnte man früher meistens recht entspannt alles aus dem Stand plattmachen, heißt es jetzt: Wer stillsteht, stirbt. Wer die Umgebung ausnutzt und die verschiedenen Waffen und deren Elemente richtig einsetzt, hat die besten Chancen, auch schwierige Begegnungen zu überstehen.

Chaos für Adrenalin

Und gerade diese schwierigen Begegnungen sind es, die Borderlands 4 immer noch reizvoll machen. Je mehr Badasses auftauchen, desto spannender wird es. Spielt man im Multiplayer, ist das noch besser, weil der Schwierigkeitsgrad nach oben skaliert. Das Chaos aus Explosionen, Kugeln und radioaktiven Wolken, das entsteht, wenn man in einer Gruppe unterwegs ist, ist ein Adrenalin-Kick, der am Ende mit den typischen Loot-Drops belohnt wird.

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Dabei muss man sich selbst etwas zügeln. Denn es ist sehr einfach, bei Borderlands 4 das Ziel aus den Augen zu verlieren. Dort ist etwa gerade ein Quest-Geber auf der Karte aufgepoppt und hier ist noch ein Propaganda-Lautsprecher zu verteidigen. Eigentlich wollte man ja zum Hauptquest, aber wenn schon eine Bubble mit einem besonders starken Gegner in Sichtweite auftaucht, muss man da natürlich hin. Und war da hinten nicht gerade noch ein Mini-Auftrag zu erfüllen?

Wenn man nicht aufpasst und sich zu oft ablenken lässt, hat man sich sattgefressen an dem Spiel und verliert die Lust daran. Das gilt besonders für Gamer, die keine Hardcore-Borderlands-Spieler sind. Wenn man innerhalb einer Stunde 3-mal die blödeste, neue Quest-Art erwischt, bei der man mit einem Gegenstand in der Hand von A nach B laufen muss (fahren und Schnellreisen nicht erlaubt), ist das ein Motivationskiller – besonders, wenn die Belohnung dafür nur aus miesen Gegenständen besteht. Hier muss man für sich selbst entscheiden, diesen Quest lieber auszulassen oder vielleicht ins Bett zu gehen, bevor man am nächsten Tag mit Tränensäcken unter den Augen und Reue im Herzen aufwacht.

Borderlands 4

Borderlands 4

Mehr Waffen, mehr Skill-Trees

Während man bei den Neben-Quests und kleineren Aufgaben schnell alles gesehen hat (aber es trotzdem reichlich davon gibt), hat Gearbox an anderen Stellen für viel Abwechslung gesorgt. Es gibt mehr Waffen denn je und durch die Waffen-Mods, die ein eigener Slot der Ausrüstung sind, können sich deren Eigenschaften teilweise stark verändern. Auch bei den Granaten, die jetzt ebenso Wurfwaffen und schwere Waffen beinhalten, gibt es mehr Abwechslung.

Jeder der 4 spielbaren Charaktere hat 3 Haupt-Skillbäume, die den Action-Skill bestimmen – also welche Spezialfähigkeit ausgeführt wird. Diese und die Eigenschaften in den Skillbäumen bestimmen maßgeblich den Spielstil. Als Vex kann man sich etwa zurückhalten und den Begleiter Trouble die Arbeit machen lassen. Oder man skillt Vex zur kinetischen Hexe, die mit elementarlosen Schusswaffen auf maximale Schadenswirkung getrimmt ist.

Selbst wenn im Multiplayer 3 Spieler Vex spielen, könnten alle 3 völlig unterschiedlich agieren, wenn sie unterschiedlich geskillt wurden. Auf höheren Schwierigkeitsgraden oder in den berüchtigten Vaults macht es aber Sinn, wenn man sich mit Mitspielern abspricht und die Actionfähigkeiten aufeinander abstimmt. Spielt man etwa Rafa, der mit dem Nahkampfskill wie wild durch die Gegend flitzt, bringt es nicht so viel, wenn ein Harlowe-Spieler mit ihrer Spezialfähigkeit eine statische Zone am Boden erzeugt, die nur denen Vorteile gibt, die darin stehen.

Vault Hunter Amon

Vault Hunter Amon

Fazit

Um die furchtbare Schnitzel-Analogie zu Ende zu bringen: Wer sich daran satt isst, ist selbst schuld. Borderlands 4 bietet den Fans genügend Möglichkeiten – vielleicht nicht, um alles zu genießen, aber zumindest, um Spaß daran zu haben und um wieder diesen Borderlands-Rush zu erleben, der durch das dynamischere Gunplay stärker als je zuvor ist.

Man muss aber für sich selbst entscheiden, wann es Zeit ist, eine Pause einzulegen, bevor man den Hals voll hat und das Spiel eine Weile nicht mehr sehen kann. Durch die 4 Charaktere mit den jeweils 3 doch sehr unterschiedlichen Skill-Trees, halte ich es jedenfalls für wahrscheinlich, dass man mit Borderlands 4 sehr lange (mit Pausen dazwischen) unterhalten wird. Es ist so ein Game wie Borderlands 2. Man spielt es ein paar Mal durch, legt es zur Seite und hat dann Monate oder Jahre später irgendwann wieder Lust darauf – besonders, wenn man es mit Freunden spielen kann, was auch wieder lokal im Splitscreen-Modus möglich ist.

Und wer noch kein Borderlands-Spieler ist: Das bessere Gunplay und die kleinen Verbesserungen (Warnung vor dem Verkaufen angelegter Items, Gun-Wheel) machen Borderlands 4 zu einem guten Zeitpunkt, um in die Loot-Shooter-Serie einzusteigen. Man sollte dafür ein gewisses Maß an Toleranz mitbringen, vor allem gegenüber dem Humor, der zu 25 Prozent lustig und zu 75 Prozent nervig, oder zumindest nervig für Insider, ist.

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Gregor Gruber

Testet am liebsten Videospiele und Hardware, vom Kopfhörer über Smartphones und Kameras bis zum 8K-TV.

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Gregor Gruber

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