Peridot im Test: Moderne Tamagotchis für prallgefüllte Börsen

Peridot im Test: Moderne Tamagotchis für prallgefüllte Börsen

© Niantic

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Peridot im Test: Moderne Tamagotchis für prallgefüllte Börsen

Wer den Namen Niantic hört, denkt, sofern der Name überhaupt bekannt ist, zuallererst an Pokémon Go. Die Softwareschmiede ist für einen der App-Hits des Smartphone-Zeitalters verantwortlich. Als Pokémon Go damals erschien, entstand rund um das Spiel ein regelrechter Hype. Menschen auf der ganzen Welt haben sich auf den Weg gemacht, um in der Augmented Reality Pokémon zu suchen und einzufangen.

Wie bei so vielen Hypes ist aber auch bei Pokémon Go irgendwann einmal die Welle abgeebbt. Die Spieler*innenzahlen sind stetig gesunken, das Interesse immer schwächer geworden, auch weil irgendwann neue Anreize gefehlt haben. Während Pokémon Go weiter existiert und seine treue Spieler*innenbasis weiter versorgt, versucht es Niantic mit einem neuen Ansatz. Die Neuerscheinung Peridot soll wieder für Interesse sorgen.

Versprochen werden uns ein modernes Game, gepaart mit Nostalgie-Feeling. Ob Peridot hier einen neuen Markt entdeckt hat, soll sich im Test zeigen.

Schneller Einstieg

Mit Peridot soll laut Niantic der Traum aller Spieler*innen wahr werden, eine Freundschaft zu magischen und niedlichen Wesen aufzubauen. Orientiert wird sich hier an den Tamagotchis, die vor allem älteren Semestern noch ein Begriff sein sollten.

Die digitalen Wesen waren rund um die Jahrtausendwende im Trend und rufen noch heute bei vielen ein Gefühl der Nostalgie hervor. Niantic möchte mit seinem neuesten Game dieses Gefühl wieder erwecken und gleichzeitig dem Gameplay seinen eigenen Stempel aufdrücken. Um mit Peridot loslegen zu können, müssen wir aber zuallererst den Download anstoßen.

Rund 200 Megabyte bringt die App auf die Waage, Kleinigkeiten werden auch noch beim ersten Start nachgeladen. Die Einführung bei Peridot ist kurz und schmerzlos. In einem ersten Schritt müssen wir Geburtsmonat und -jahr angeben, darüber hinaus gilt es noch den Nutzungsbestimmungen zuzustimmen. Danach werden wir bereits ins Gameplay entlassen.

Süße Blicke

Ein kleiner mystischer Einspieler soll uns die Peridot-Welt schmackhaft machen. Von dort gelangen wir zur Ei-Auswahl. Eier in den Farben Schwarz, Grün und Gelb werden uns zum Antippen vorgelegt. Ich entscheide mich ohne Umschweife für das schwarze Exemplar.

Durch mehrfaches Tippen auf das Ei bringen wir unser Peridot dann zum Schlüpfen. Ein kleines schwarzes Wesen mit großen smaragdgrünen Augen wirft uns einen liebevollen Blick zu. Das ist also jetzt eines der Wesen, um das wir uns kümmern müssen, oder zumindest sollten, wenn unser Interesse an Peridot nicht schnell wieder abnimmt.

Nachdem wir dem süßen Peridot einen Namen verpasst haben, führt der nächste Schritt in die Augmented Reality. Ist die obligatorische Kamerafreigabe erteilt, erscheint das süße Peridot in unserer Welt. Das kleine Wesen kann von uns gestreichelt und gerufen werden. Und es will gleich zu Beginn von uns umsorgt werden. Zwei Indikatoren werden uns vom Spiel bereitgestellt, die den Zustand des Peridots sichtbar machen sollen.

Einerseits gibt es den Hungerbalken, andererseits den Unterhaltungsbalken. Unsere Aufgabe wird es sein, die beiden Balken laufend zu füllen, um das Peridot gut gelaunt und gesund zu halten. Zur Erfüllung dieser Aufgaben stehen uns einige Hilfsmittel zur Verfügung. Bei Laune halten wir unseren Peridot hauptsächlich mit Spielzeug und Streicheleinheiten. Hunger wird auch in der virtuellen Welt der Peridots mit Essen gestillt. Essen und Spielzeug ploppen dabei aber nicht einfach so in unserem Inventar auf.

Stattdessen können wir die Peridots danach suchen lassen, indem wir an der gewünschten Stelle einen Kreis malen. Was hier bei der Suche zum Vorschein kommt, hängt auch von dem jeweiligen Untergrund ab, der abgesucht wird. Die künstliche Intelligenz versucht hier zwischen sechs Untergrundkategorien, von Wasser bis Rasen, zu unterscheiden.

Zweck von Spielen und Füttern ist neben der Füllung der beiden Balken aber auch das Generieren von Punkten. Mit diesen Punkten können wir unseren Peridot wachsen lassen, bis es zuerst das Jugendstadium erreicht und später erwachsen wird.

Schluss mit Nostalgie

Sind die Peridots einmal erwachsen, können wir uns dem Thema Vermehrung annehmen. Unsere Peridots können sich nämlich mit anderen Peridots aus der Umgebung vermehren. Dabei handelt es sich um Peridots anderer Besitzer*innen, die wir zur Paarung über Niantics eigenen Messenger anfragen müssen.

Der etwas eigenwillige Prozess, der im Optimalfall in einer „Freigabe zur Paarung“ der anderen Besitzer*innnen mündet, bringt uns am Ende weitere Peridots bzw. in einem ersten Schritt deren Eier. Während wir unser erstes Ei ohne Probleme zum Schlüpfen bringen können, schlägt beim zweiten Ei dann aber plötzlich die harte Ninantic-Realität zu. Denn selbstverständlich möchte die Softwareschmiede auch Geld mit ihrem neusten Spiel generieren.

Und hier hat man sich leider für die Variante „Zitronenpresse“ in Sachen Mikrotransaktionen entschieden. Möchten wir weitere Eier zum Schlüpfen bringen, braucht es nämlich ein Nest. Für jedes Nest werden aber knapp 6 Euro fällig. Es gibt keinerlei Möglichkeit, dieser Nester abseits vom Einsatz harter Euros zu erwerben. Es wird aber noch ärgerlicher, lernen wir doch im nächsten Schritt, dass es auch noch Sonnenjuwelen braucht, um die Eier zum Schlüpfen zu bringen.

Sonnenjuwelen sind die Ingame-Währung von Peridot, die sich mit dem Abarbeiten von täglichen Aufgaben einsammeln lassen. Nur erschöpfen sich diese Sonnenjuwelen recht schnell. Und sind sie einmal erschöpft, müssen wir auch hier noch einmal Echtgeld investieren, um voranzukommen. Haben uns die süßen Augen des ersten Peridots noch auf Wolke 7 verholfen, ist spätestens jetzt die düstere Realität auch bei den letzten Spieler*innen angekommen.

Warum diese Realität wahrscheinlich bei vielen Spieler*innen erst sehr spät eintrifft, lässt sich aber auch leicht erklären. Niantic hat sich nämlich kaum Mühe gemacht, das Prozedere von Peridot auch nur irgendwie zu erklären. Viele der Mechanismen erfährt man erst über Foreneinträge, etwa bei Reddit oder Discord, weil andere Spieler*innen zufällig herausgefunden haben, was wie abläuft und wann wir wo investieren müssen. Selbst Veteran*innen scheinen sich über einige dieser Mechanismen sogar nach längere Spielzeit noch uneinig zu sein.

Suche nach dem Sinn des Lebens

Vielleicht noch viel schlimmer ist aber eigentlich für ein Spiel dieser Art die Frage, welchen Zweck ein Peridot überhaupt erfüllt. Durch das Paaren von Peridots sollen immer wieder neue Kombinationen entstehen, jede für sich einzigartig, laut Ankündigung. Außerdem soll es insgesamt 23 Modelle geben, die den Anreiz zum Paaren bzw. Sammeln liefern sollen.

Nur was bedeutet das eigentlich für unsere Peridots? Während Tamagotchis früher Ewigkeiten umsorgt wurden und kein Ablaufdatum hatten, sieht das hier etwas anders aus. Mir stellt sich nämlich die Frage, welchen Wert die jeweiligen Peridots nach dem Erwachsenwerden noch haben. Die harte Realität ist, dass sie eigentlich nur zur Paarung mit anderen Peridots vorgesehen sind. Paaren wir sie nicht, gibt es keine Eier.

Haben wir Eier, müssen wir aber einiges an Geld investieren. Während die ersten Eindrücke von Peridot positiv waren, bin auch ich schon nach kurzer Spielzeit bei einem Haufen Frustrationen angelangt. Und tatsächlich kann ich mich nicht an ein Spiel erinnern, dass so verlockend startet und so schnell und brutal ins Negative abknickt. Das süße Peridot verdreht einem zu Anfang wohl wirklich die Augen, übermalt neben Unzulänglichkeiten im Gameplay auch technische Schwierigkeiten.

Dass ich mein Peridot nämlich häufig suchen muss, weil die Oberfläche durch die App nicht richtig erkannt wurde, hat mich zu Anfang kaum gestört. Nachdem ich weiß, dass Streicheln, Füttern und Spielen die einzigen Aktivitäten sein werden, sofern ich nicht Unmengen an Geld investieren möchte, sollte aber zumindest das kontinuierliche Einblenden des Peridots einigermaßen funktionieren.

Ob Spieler*innen überhaupt in den Genuss des Spieles kommen, ist nur eine der vielen weiteren Fragen. Auf einem iPhone 14 Pro Max lief das Spiel verhältnismäßig flüssig, wenn auch der von Niantic bekannte Akkuverfall schnell eingesetzt hat. Dass viele Spieler*innen aufgrund der hohen Systemanforderungen gar nicht erst in den vermeintlichen Genuss kommen werden, mag angesichts der Preise aber sogar ein Vorteil sein.

Fazit

Mit Peridot hat Niantic große Hoffnungen geweckt und am Ende kaum geliefert. Zwar startet das Game mit einem Hauch von Nostalgie und einem absolut süßen Wesen, nach bereits kurzer Spielzeit ist aber fast die gesamte Freude weg.

Am Ende des Tages fühlt sich Peridot vor allem nach einer Geldmaschine an, die für Niantic eine möglicherweise schnell schrumpfende Kund*innenanzahl kompensieren soll. Wer den Tamagotchi noch in der Lade liegen hat und auf Augmented Reality verzichten kann, fährt mit dem Ur-Ei wohl besser und vor allem billiger.

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Amir Farouk

Early-Adopter. Liebt Apps und das Internet of Things. Schreibt aber auch gerne über andere Themen.

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