Gutes Gewissen, trotz fettem Auto: CO2 Offsets sei dank

Gutes Gewissen, trotz fettem Auto: CO2 Offsets sei dank

© REUTERS/REBECCA COOK

Meinung

Das üble Geschäft mit Carbon-Offsets

Schlechtes Gewissen, weil fettes Auto gekauft? Mit Carbon-Offsets kann man sich freikaufen - so einfach ist es aber nicht.

Es klingt nach einer tollen Sache: Man hat einen Transatlantikflug absolviert, einen spritfressenden Riesen-SUV gekauft oder sonst irgendwie dem Klima geschadet – und das macht man nun wieder gut, indem man sogenannte Carbon-Offsets kauft. Mit ein paar Klicks im Internet kann man ein klimafreundliches Projekt unterstützen. Man bezahlt also andere dafür, das CO2, das man selbst emittiert hat, anderswo wieder einzusparen. Unter dem Strich ist also alles wieder gut. Mit ein paar Euro pro Tonne Kohlendioxid ist die Sache erledigt.

Leider ist es in Wirklichkeit nicht so einfach. Solche Carbon-Offsets sind oft ein lukratives Geschäft ohne echte Wirkung für das Klima. Im schlimmsten Fall sind sie sogar schädlich.

Wald erhalten – aber richtig!

Immer wieder hört man moralische Argumente gegen Carbon-Offsets: Ist es nicht irgendwie unanständig, wenn sich reiche Leute ein reines Gewissen kaufen können? Aber das ist ein Kategorienfehler. Beim Klimaschutz geht es nicht um Moral, sondern um das Abwenden schwerer ökologischer und wirtschaftlicher Schäden. Was hilft, ist gut. Moralisch erhobene Zeigefinger holen kein CO2 aus der Luft.

Die entscheidende Frage ist: Was passiert eigentlich mit dem Geld, das ich für CO2-Offsets ausgebe? Viele Projekte konzentrieren sich auf den Schutz von Wäldern. Wird ein Wald niedergebrannt, entsteht CO2. Spende ich dafür, diesen Walt stattdessen zu bewahren, gelangt weniger CO2-Menge in der Atmosphäre. Das ist logisch und korrekt. Allerdings stimmt es nur, wenn dieser Wald ohne Carbon-Offset-Zahlungen tatsächlich rettungslos verloren gewesen wäre – und das ist oft nicht der Fall. So wurde etwa in der US-amerikanischen Hawk-Mountain-Preserve eine Menge Geld mit CO2-Offsets gemacht, obwohl es sich beim dortigen Wald ohnehin bereits um ein Naturschutzgebiet handelte. Es hätte auch ohne CO2-Offset-Zahlungen nicht abgeholzt werden dürfen.

Die nächste wichtige Frage lautet: Wie lange muss dieser Wald denn nun geschützt werden, damit dem Klima geholfen ist? Und die unbequeme Antwort lautet: Für immer. Als Carbon-Offset-Konsument hat man aber keine Garantie, dass der Wald, für dessen Erhaltung man heute zahlt, in zehn Jahren dann nicht doch abgeholzt wird.

Das Surui Forest Carbon Project in Brasilien etwa galt als Vorzeigeprojekt: Die Einkünfte aus dem Carbon-Offset-Handel kamen direkt der indigenen Bevölkerung zugute, die sich für nachhaltige Waldbewirtschaftung einsetzte. Bis dann in der Gegend allerdings Gold und Diamanten gefunden wurden – Bäume wurden gefällt, illegale Diamantenminen wurden errichtet, nach längst verkauften CO2-Zertifikaten fragte dabei niemand.

Küchenöfen für das Klima

Selbst wenn ein Projekt gut durchdacht ist, muss es noch lange nicht funktionieren. So galt zum Beispiel das „Cookstove Replacement“ Projekt als besonders lohnende Investition: In Indien und anderen Ländern wird oft noch immer mit Holz über offenem Feuer gekocht. Das ist sehr ineffizient, man benötigt dafür viel Holz. Um wenig Geld kann man indischen Familien aber einen simplen Holzofen kaufen – der führt zwar immer noch zu CO2-Ausstoß, ist aber viel effizienter. Dadurch wird weniger Holz verbrannt, die Wälder werden geschont. Wenn man eine klimaschädliche Flugreise unternimmt und dafür ein paar indischen Familien einen CO2-Emissions-sparenden neuen Ofen kauft, sollte doch alles wieder in Ordnung sein – so dachte man zumindest.

Doch genauere Untersuchungen zeigten: So einfach ist das nicht. Familien, denen man einen solchen Ofen zur Verfügung gestellt hatte, verbrauchten tatsächlich kaum weniger Holz als andere Familien. Das kann verschiedene Gründe haben: Vielleicht verwendet man nun beide Öfen gleichzeitig, oder man kocht einfach mehr, weil man sich das durch den effizienteren Ofen nun eben leisten kann.

Es ist also überhaupt nicht klar, ob das Bezahlen für Carbon-Offsets tatsächlich zu verringerten Emissionen führt oder nicht. Wenn die Carbon-Offsets aber gleichzeitig dazu beitragen, dass klimaschädliche Handlungen als unproblematisch gelten, weil man sie ja durch geringe Zahlungen kompensieren kann, dann kann es sein, dass durch solche Carbon-Offset-Programme insgesamt die Kohlendioxid-Menge in der Atmosphäre sogar gesteigert wird.

Ehrliche CO2-Kompensation

Die einzig wirklich ehrliche Art von Carbon-Offsets wären Anlagen, die für eine bestimmte Geldsumme eine bestimmte Menge CO2 aus der Luft filtern und dauerhaft in der Erde einlagern. Hätten wir solche Anlagen, wäre CO2-Ausstoß tatsächlich kein Problem mehr, solange man ihn ordentlich kompensiert. Dann könnte man CO2-Ausstoß einen fairen Marktpreis zuordnen – nämlich jenen Preis, den es kostet, dieselbe Menge CO2 wieder zu entfernen.

Man müsste bloß noch kontrollieren, dass dieser Preis auch tatsächlich verrechnet wird, den Rest könnte der freie Markt erledigen. Aber solche Technologien haben wir derzeit noch nicht. Und bis dorthin gilt: Geld für Klimaprojekte ausgeben ist eine gute Idee. Aber „Carbon-Offset“ sollte man das nicht nennen. Wenn uns heute jemand einredet, wir könnten unsere CO2-Emissionen durch Spenden ausgleichen, ist das im besten Fall halbrichtig – im schlechtesten Fall ein gefährlicher Schwindel.

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Florian Aigner

Florian Aigner ist Physiker und Wissenschaftserklärer. Er beschäftigt sich nicht nur mit spannenden Themen der Naturwissenschaft, sondern oft auch mit Esoterik und Aberglauben, die sich so gerne als Wissenschaft tarnen. Über Wissenschaft, Blödsinn und den Unterschied zwischen diesen beiden Bereichen, schreibt er regelmäßig auf futurezone.at und in der Tageszeitung KURIER.

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