Wer heilt, hat recht?
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Das Großartige an der Wissenschaft ist: Wenn man unterschiedlicher Meinung ist, dann kann man ausprobieren, wer recht hat. Bleibt Salzwasser unterhalb von 0°C flüssig? Auf zur Tiefkühltruhe! Fällt eine schwere Bleikugel schneller zu Boden als eine leichte Holzkugel? Machen wir ein Experiment! Gibt es Spuren von Leben auf dem Mars? Lasst uns doch ein Raumfahrzeug hinschicken und nachsehen!
Es ist völlig egal, wie klug, wie durchdacht oder wie elegant eine Theorie auch sein mag, wenn sie nicht mit der Wirklichkeit übereinstimmt, dann ist sie wertlos. Für die Schönheit falscher Gedanken gibt es keine Haltungsnoten. Was zählt, ist das Endergebnis. Dasselbe gilt auch in der Medizin – und so ist es durchaus nachvollziehbar, wenn es oft ganz pragmatisch heißt: „Wer heilt, hat recht!“
Gute Geschichten sind kein Beweis
Interessanterweise ist dieser Slogan inzwischen aber zum Schlachtruf der Alternativmedizin geworden. Wir hören ihn beim Geistheiler, beim Schamanen, bei der Quantenheilungs-Therapeutin. Sie alle können beeindruckende Geschichten erzählen, von zufriedener Kundschaft, die wieder gesund geworden ist. Haben die also alle recht? Wenn am Ende immer das Experiment entscheidet, müssen wir das dann nicht als Beweis durchgehen lassen, auch wenn die wissenschaftliche Schulmedizin von Geistern, Schamanismus oder Quantenheilung starrköpfigerweise nichts wissen will?
Natürlich nicht. Nur weil eine vorhergesagte Heilung tatsächlich eintritt, hat man noch lange keine Heilkräfte bewiesen. Geheilt hat man nur dann, wenn man etwas gemacht hat, was tatsächlich auf kausale und reproduzierbare Weise zur Heilung führt.
Das ist nicht nur in der Medizin, sondern in allen Bereichen der Wissenschaft so: Wenn eine Theorie eine korrekte Vorhersage macht, muss sie deshalb noch lange nicht richtig sein. Ich kann im Frühling eine rotlackierte Banane unter dem Apfelbaum vergraben und behaupten, dass ich dadurch mysteriöse fünfdimensionale Schwingungen erzeuge, die im Sommer rote Äpfel wachsen lassen. Und wenn es dann im Herbst tatsächlich Äpfel zu ernten gibt, sage ich selbstbewusst: „Seht ihr! Wer pflückt, hat recht!“
Das wird mir aber niemand als Beweis für meine fünfdimensionalen Bananenschwingungen durchgehen lassen. Wenn aus Unsinn etwas Wahres folgt, ist der Unsinn immer noch Unsinn. Wenn ich eine Rechenaufgabe zu lösen versuche, und mich so oft verrechne, dass am Ende durch pures Glück das richtige Ergebnis herauskommt, bin ich noch lange kein guter Mathematiker. Und UFO-Jäger werden auch dann nicht zu vertrauenswürdigen Wissenschaftlern, falls sich eines Tages herausstellen sollte, dass es tatsächlich Außerirdische gibt, die mit Raumschiffen durch die Galaxie reisen. Ihre UFO-Theorien wären noch immer genauso falsch, unlogisch und unsinnig wie vorher.
Mit dem Wunderheiler oder durch den Wunderheiler geheilt?
„Wer heilt, hat recht“ ist grundsätzlich nicht falsch – nur muss man dann mit dem Wort „heilen“ vorsichtig umgehen. Nur weil jemand gesund wird, hat man ihn noch lange nicht geheilt. Eine wissenschaftliche Theorie oder eine Heilmethode muss schon etwas mehr leisten, damit man ihr vertrauen kann. Sie muss in sich logisch sein, sie muss logisch zu all den anderen Dingen passen, die wir über die Welt bereits wissen, und sie muss Aussagen ermöglichen, die auf reproduzierbare und systematisch vorhersagbare Weise mit der Wirklichkeit übereinstimmen – nicht nur einmal, sondern immer wieder.
Sonst hat man keine wissenschaftliche Theorie aufgestellt und auch nicht geheilt, sondern vielleicht nur zufällig jemanden, der ohnehin gesund geworden wäre, bei der Heilung begleitet. Und das reicht sicher nicht, um zu behaupten, dass man recht hat.
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