business man with an open hand gives coin to boss
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Meinung

Gutes tun ist nicht genug

Wenn man Gutes tun möchte, dann soll man das genauso tun, wie ein Investor, der für seine Ersparnisse eine möglichst hohe Rendite herausholen möchte.

Angenommen, zwei Geschäfte bieten dieselbe Schokolade an – aber zu unterschiedlichen Preisen. Ich habe beschlossen, zehn Euro für Schokolade auszugeben und weiß: Im einen Geschäft bekomme ich dafür doppelt so viel Schokolade wie im anderen.

Selbstverständlich werde ich mir im billigeren Geschäft die größere Menge holen. Es ist völlig normal, Preise zu vergleichen, um den Nutzen einer Investition zu maximieren. Aber wie ist das, wenn wir Gutes tun wollen? Wenn wir Geld für wohltätige Organisationen spenden möchten? Oder wenn wir beschließen, uns eine bestimmte Anzahl von Stunden für einen guten Zweck einzusetzen?

Dann machen wir das meistens nicht. Man tut etwas Gutes und ist damit zufrieden. Das ist aber eigentlich irrational – wenn man vielleicht für denselben Aufwand noch viel mehr Gutes tun kann. Ist es moralisch vertretbar, mit einer Spende ein Menschenleben zu retten, wenn man mit derselben Spende anderswo auch zwei Menschenleben retten könnte? Hat man dann überhaupt jemanden gerettet – oder unterm Strich eigentlich ein Menschenleben verspielt?

Effektiver Altruismus

Um genau solche Überlegungen geht es in der Denkschule des „effektiven Altruismus“. Es ist der Versuch, moralisches Handeln mit wissenschaftlicher Präzision zu planen: Wenn man Gutes tun möchte, so die Grundidee, dann soll man das genauso tun wie ein Investor, der für seine Ersparnisse eine möglichst hohe Rendite herausholen möchte, oder eine Weltraumingenieurin, die ihr Raumfahrzeug auf möglichst hohe Ladekapazität optimiert: Zuerst alle Fakten analysieren, und dann ganz rational entscheiden.

Das kann aber zu ernüchternden Ergebnissen führen: Soll man wirklich fürs Tierheim spenden, wenn man stattdessen auch Menschen retten könnte? Soll man einen Blindenhund trainieren, wenn man ums selbe Geld vielen kranken Kindern mit simplen Operationen das Augenlicht zurückgeben könnte? Soll man Menschen in Europa retten, wenn man fürs selbe Geld in wirtschaftlich schwierigen Regionen Afrikas viel mehr Menschen retten könnte? Wenn man mit einer bestimmten Summe Menschenleben retten kann, sind dann Bildungs- und Kulturprojekte eigentlich Geldverschwendung? Vielleicht sogar unterlassene Hilfeleistung?

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Vorsicht bei der Berufswahl!

Wenn man diese Überlegungen konsequent zu Ende denkt, welchen Beruf soll man dann ergreifen? Es gibt effektive Altruisten, die aus dieser Überlegung heraus ihre Arbeit bei wohltätigen Organisationen aufgegeben und stattdessen extrem hoch bezahlte Jobs angenommen haben – um möglichst viel Geld zu scheffeln und somit möglichst viel spenden zu können.
Denn nüchtern durchgerechnet: Bringt ein Promi-Schönheitschirurg, der Millionen spendet, der Welt nicht möglicherweise mehr Nutzen als ein Arzt, der in Krisenregionen Wunden verbindet? Oder sollte man gar nicht Arzt werden, sondern gleich Ölmilliardär? Klar, Ölfirmen richten Übles an, aber wenn ich nicht mache, wird dasselbe Unheil von anderen angerichtet, die dann aber nicht spenden! Oder wäre es aber vielleicht noch besser, Waffenproduzent zu werden und Waffen zu erzeugen, die ein bisschen weniger Zivilisten umbringen als andere? Sind also Präzisionsmarschflugkörper-Hersteller die wahren Heiligen unserer Tage?

Und spätestens an diesem Punkt sieht man: So einfach ist es eben nicht, mit dem Quantifizieren von positiver Wirkung pro Euro. Unsere Entscheidungen haben nicht bloß eine Wirkung, sondern fügen sich in ein ganzes Netz von Ursachen, Wirkungen und Nebenwirkungen ein. Auch der Entschluss, mit eigenen Händen mit anpacken zu wollen, kein Teil eines menschenfeindlichen Unternehmens sein zu wollen, oder einfach mal in einer Situation helfen zu wollen, in der sonst niemand hilft, weil die Hilfe hier besonders aufwändig ist, kann etwas Schönes sein und unsere Welt insgesamt besser machen.

Die Formel, mit der man maximal Gutes tut, gibt es nicht. Die Grundidee des effektiven Altruismus ist trotzdem sehr wertvoll: Man sollte sich nicht darauf ausruhen, etwas Gutes zu tun – man soll immer überlegen, ob man nicht mit demselben Aufwand sogar noch etwas Besseres tun kann.

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Florian Aigner

Florian Aigner ist Physiker und Wissenschaftserklärer. Er beschäftigt sich nicht nur mit spannenden Themen der Naturwissenschaft, sondern oft auch mit Esoterik und Aberglauben, die sich so gerne als Wissenschaft tarnen. Über Wissenschaft, Blödsinn und den Unterschied zwischen diesen beiden Bereichen, schreibt er regelmäßig auf futurezone.at und in der Tageszeitung KURIER.

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