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Leica Q2 Monochrom im Test: Eine farblose Verführung

Die Q2 Monochrom hat einen Vollformatsensor, der Fotos und Videos nur in Schwarz-Weiß aufnimmt

Bei Leica denken viele zuerst an eines: „Teuer“. Fotografie-Affine denken einen Schritt weiter: „Teuer, aber gut.“ Und wer sich noch ein bisschen mehr mit den Digitalkameras des deutschen Herstellers beschäftigt hat, dem schießt dieses Wort in den Kopf: „Monochrom“.

Leica gehört zu den wenigen Herstellern, die Digitalkameras mit reinen Monochrom-Sensoren herstellen. Bisher musste man eine Messsucherkamera der M-Serie nutzen, um in den Genuss so eines Sensors zu kommen.

Jetzt hat Leica die Monochrom-Linie um die Q2 Monochrom (5.600 Euro) erweitert. Ich habe sie getestet und festgestellt, dass ich eine Gehaltserhöhung brauche.

Vollformat, fixes Objektiv

Die Q2 Monochrom ist die Schwarz-Weiß-Variante der Leica Q2. Bis auf den Sensor sind sie nahezu ident. Dementsprechend ist auch die Q2 eine digitale Kompaktkamera mit Vollformatsensor.

„Kompaktkamera“ bezieht sich auf die Bauweise: Das Objektiv ist nicht wechselbar. Denn wirklich Kompakt ist die Q2 Monochrom nicht. Sie ist größer als Sonys Alpha-Systemkameras mit Vollformatsensor.

Durch das große Objektiv ist sie nicht Hosen- oder Jackentaschen-geeignet. Sie ist aber kompakter als viele Spiegelreflexkameras mit Vollformatsensor und durch die komplett schwarze Front unauffällig. Beides hilft, um etwa bei Street Photography nicht unnötig Aufmerksamkeit zu erregen.

Handhabung

Das Gewicht ist mit 734 Gramm geringer als das der meisten Vollformat-Systemkameras mit Objektiv, aber höher als bei ähnlichen Kompaktkameras. Anhand des Gewichts und der Retroform habe ich Schlimmes erwartet, aber die Q2 Monochrom liegt gut in der Hand. Der Grund dafür ist eine dezente Einbuchtung im Gehäuse für den rechten Daumen.

Aber nur, weil die Hände und Finger intuitiv an die richtigen Stellen rutschen, ist die Q2 Monochrom nicht intuitiv bedienbar. Sie ist so dezent, dass nur 3 von 7 Tasten beschriftet sind. Was der Auslöser macht, kann man sich natürlich denken und auch, dass die Taste in der Mitte des 4-Wege-Tastenfelds zur Bestätigung und zum Durchschalten der Anzeige-Modi am Display ist.

Versteckte Tasten

Dass auf dem belegbaren Wahlrad aber überhaupt eine Taste ist, muss man erst mal wissen, da sich diese weder optisch noch haptisch hervorhebt. Die kann man zum Beispiel mit der Wahl des ISO-Werts belegen, während man das Rad mit der Belichtungskorrektur belegt.

Unter dem taktilen Wahlrad für die Belichtungszeit befindet sich an der Rückseite eine weitere Taste, die kaum als solche wahrnehmbar ist. Auf den ersten Blick könnte es eine Gummiabdeckung für eine Schraube sein. Die Taste aktiviert den Crop-Modus, der ähnlich wie ein verlustfreier Digitalzoom agiert.

Drückt man die Taste, wird am Display eingeblendet, welcher Bildausschnitt bei JPGs abgespeichert wird, um das Äquivalent eines 35mm-, 50mm- und 75mm-Objektivs zu erhalten. Die Auflösungen sind dann 30, 15 und 7 Megapixel. Aufgrund der enormen Schärfe und des hohen Detailgrads der Fotos, ist das immer noch ausreichend für sehr schöne Resultate. Ich bevorzuge ohne Crop zu fotografieren und bei Bedarf den Ausschnitt später am Computer zu ändern.

Zwar keine Taste, aber trotzdem versteckt, ist der Dioptrienausgleich für den Sucher. Der ist eben mit dem Gehäuse und fährt per Federdruck aus, wenn man ihn drückt: Eine elegante Lösung.

Drei mal Drehen

Die Blende wird direkt mit einem Ring am Objektiv eingestellt, was gut hör- und fühlbar ist. Gegenüber der M-Serie gibt es hier auch eine Automatik-Einstellung.

Der zweite Ring dahinter ist für das manuelle Fokussieren. Dazu muss man erst den relativ kleinen Sperrknopf finden und drücken. Auch wenn man wieder zurück zum Autofokus drehen will, muss der Knopf gedrückt werden.

Rad Nummer 3 wechselt in den Makro-Modus. Die kürzeste Distanz zum Scharfstellen ist dann 17cm. Das entspricht 7cm Entfernung vom Objektiv mit aufgesetzter Streulichtblende zum Motiv. Im Makro-Modus wird die maximale Blendenöffnung von f1.7 auf f2.8 reduziert.

Das Objektiv hat f1.7 bis f16 und eine Brennweite von 28mm, was ein guter Allrounder ist. Bei Porträtfotos sollte man etwas weiter vom Motiv entfernt sein, um die Weitwinkel-typischen Verzerrungen zu den Rändern hin zu umgehen – bei 47 Megapixeln hat man ohnehin genug Spielraum später zu croppen. Man kann diesen Weitwinkel-Effekt bei Porträts aber auch bewusst einsetzen, um einen bestimmten Look zu erhalten.

Sucher und Display

Die Q2 Monochrom hat einen OLED-Sucher mit 3,68 Millionen Pixel. Das hat gegenüber der Monochrom-Messsucherkameras den Vorteil, dass man auch bei der Nutzung des Suchers bereits das Bild in Schwarz-Weiß sieht. Das hilft bei der Komposition.

Der Sucher funktioniert wie er sollte und kann alles darstellen, was auch das Haupt-Display darstellt, inklusive Bildwiedergabe und Menüs. Dennoch habe ich beim Fotografieren das Haupt-Display bevorzugt. Es ist bequemer und durch den Touchscreen ist das Neupositionieren des Fokuspunkts einfacher.

Außerdem zittert/flimmert die Darstellung leicht, wenn man den Auslöser halb durchdrückt zum Fotografieren und sich der Bildstabilisator aktiviert. Blickt man dabei durch den Sucher ist das unangenehm.

Unangenehm ist auch, dass der Augensensor zum automatischen Umschalten zwischen Sucher und Display träge ist. Trägt man die Kamera um den Hals und nimmt sie hoch, um per Display zu fotografieren, schaltet der Sensor mal erst nach ein paar Sekunden und mal gar nicht um und man verpasst vielleicht den Schnappschuss. Nachdem ich mehrmals beim Testen in diese Situation gekommen bin, habe ich den Sucher deaktiviert und nur noch das Display genutzt.

Der Touchscreen ist langsamer als bei aktuellen Systemkameras. Es ist nicht unbrauchbar schlimm, aber auch nicht so, wie man es bei einer 5.600 Euro teuren Kamera gerne hätte.

Leica Q2 Monochrom und Leica M10 Monochrom

Ausstattung und Leistung

Die Q2 Monochrom hat einen reinen Monochrom-Sensor im Vollbildformat mit 47 Megapixel. Der ISO reicht von 100 bis 100.000. Serienbilder macht sie mit bis zu 10 Bildern pro Sekunde, mit elektronischem Sucher bis zu 20.

Schaltet man die Kamera ein, vergehen 1,5 bis 1,7 Sekunden, bis man das erste Foto machen kann. Das ist für Street Photography akzeptabel. Der optische Bildstabilisator leistet gute Arbeit, besonders bei Freihand-Aufnahmen bei wenig Licht ist er praktisch. Um die optimale Schärfeleistung zu gewährleisten, empfiehlt Leica den Stabilisator in der „Auto“-Einstellung zu nutzen. Hier wird er nur bei längeren Belichtungszeiten aktiv.

Die Akkuleistung gibt Leica mit 350 Aufnahmen an. Dies ist stark davon abhängig, ob man auch Videos macht und ob man Sucher oder Display nutzt. Bei meinem Test war der Akku nach 281 Bildern auf 2 Balken – also unter der Hälfte. Eine Akkuanzeige in Prozent gibt es nicht – das sollte Leica dringend per Firmware patchen.

Per Bluetooth kann Verbindung zum Smartphone und der Begleit-App „Leica Fotos“ hergestellt werden. Die App hat noch Verbesserungsbedarf, um es sanft auszudrücken. Anschlüsse an der Kamera gibt es nicht: Zum Laden muss der Akku entfernt werden. Zum Übertragen der Fotos wird die SD-Speicherkarte aus der Kamera genommen. Ein Blitzschuh ist vorhanden.

Autofokus

Der Autofokus hat 255 Felder, was für eine aktuelle Kamera in dieser Preisklasse eher wenig ist. Zum Vergleich: Sonys Vollformat-Kompaktkamera RX1 RII, die 2015 erschienen ist, kostet 3.500 Euro und hat 399 Felder. Canons 2020 erschienene Systemkamera EOS R5 (4.500 Euro) hat 1.053 Felder bei automatischer Wahl.

Immerhin ist der Autofokus der Q2 Monochrom ausreichend schnell und arbeitet auch bei wenig Licht. Die Präzision ist gut, was vor allem beim Fotografieren mit weit offener Blende sehr wichtig ist.

Eine Motivnachverfolgung gibt es nicht (dafür fehlen die Farben), aber eine Gesichtserkennung. Diese sollte man aber eher vermeiden, da relativ häufig Gesichter in Mustern oder Strukturen erkannt werden.

Bildqualität

Die Bilder sind so, wie man es sich von einer Leica-Monochrom-Kamera erwartet: Scharf, detailliert und mit einer hervorragend klaren Abgrenzung zwischen Motiv und Bokeh. Die Tiefenunschärfe mit f1.7 kommt zwar nicht ganz an die der M10 Monochrom mit dem f1.4 35mm Objektiv ran, allerdings würde dieses Setup über 13.000 Euro kosten. Dass die Q2 Monochrom hier sehr gut mithalten kann und in vielen Fotosituationen ebenbürtig ist, ist eine kleine Sensation.

Die hohe Schärfe und vielen Details ermöglichen, aus den 47-Megapixel-Fotos Szenen verlustfrei herauszuholen, die man beim Fotografieren so vielleicht gar nicht wahrgenommen hat. Wie auch die M10 Monochrom neigt die Q2 Monochrom zum Unterbelichten, wenn auch nicht ganz so stark.

Der Grund: Da es keine Farben gibt, wird zu hell zu Weiß und aus Weiß kann man nachträglich keine Bildinformationen mehr holen. In den vermeintlich zu dunklen Stellen der Q2-Monochrom-Fotos stecken aber noch haufenweise Bildinformationen, sogar in den JPGs. Im Nachhinein kann man durch Aufhellen noch Einiges aus den Tiefen herausholen.

ISO

Bis ISO 6.400 stört die Körnung selbst in der 100-Prozent-Ansicht nicht. Ab 25.000 ist ein leichter Detailverlust bemerkbar. Für verkleinerte Bilder kann man damit, und auch mit ISO 50.000, dennoch arbeiten. Durch den Bildstabilisator lässt sich in vielen Situationen ein allzu hoher ISO-Wert meistens vermeiden.

Video

Im Gegensatz zur M10 Monochrom kann die Q2 Monochrom auch Videos aufnehmen. Eine dediziert Taste dazu gibt es nicht. Um den Videomodus zu starten, wischt man am Display von rechts nach links oder drückt die Menütaste und wählt oben „Video“ aus.

Aufgenommen wird mit dem Kinoformat C4K, UHD 4K mit 30 oder 24 Bildern pro Sekunde und in 1080p mit bis zu 120 Bildern pro Sekunde. Prinzipiell sehen die Videos sehr gut aus. Der nachziehende Autofokus pumpt aber und ohne Möglichkeit ein externes Mikrofon anzuschließen, ist der Sound nicht besonders gut.

Hier gibt es Systemkameras, die besser für professionelle Videoaufnahmen geeignet sind. Dennoch werden Kreative ihren Spaß mit den Schwarz-Weiß-Videos der Q2 Monochrom haben.

Fazit

Als ich nach der ersten Fototour für den Test die Aufnahmen am Bildschirm angesehen habe, habe ich mich gefragt: „Wie lange muss ich sparen, um mir die Kamera leisten zu können?“ Mit 5.600 Euro scheint sie unverschämt teuer – bis man den Preis in Relation setzt.

Sonys Vollformat-Kompaktkamera RX1 RII ist mit 3.500 Euro auch kein Schnäppchen. Eine Premium-Vollformat-Systemkamera mit einem vergleichbaren Objektiv ist ähnlich teuer wie die Q2 Monochrom – macht aber schlechtere Schwarz-Weiß-Bilder. Dem Gegenüber stehen aber die vielen Kleinigkeiten, die für eine Kamera in der Preisklasse nicht passen. Dazu gehören der ungenaue Augensensor, der etwas langsame Touchscreen und die Schwächen beim Autofokus.

Ist man Schwarz-Weiß-Fan und hat bereits mit einer M10 Monochrom geliebäugelt (8.200 Euro ohne Objektiv), ist die Q2 Monochrom eine preiswerte und zugängliche Alternative. Alle anderen Interessenten müssen sich bewusst sein, dass sie um 5.600 Euro zwar herausragende Bildqualität bekommen, aber auch eine Kamera, die in einigen Aspekten anderen Herstellern Jahre hintennach ist. Haben will man sie trotzdem – auch wenn man sie sich nicht leisten kann.


Technische Daten auf der Website des Herstellers

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Gregor Gruber

Testet am liebsten Videospiele und Hardware, vom Kopfhörer über Smartphones und Kameras bis zum 8K-TV.

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