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Nokia X20 im Test: Wie soll das gut gehen?

Das Mittelklasse-Smartphone ist in einem hart umkämpften Preisbereich angesiedelt.

Das X als Bezeichnung eines Nokia-Phones lässt nostalgische Erinnerungen an die Blütezeiten des finnischen Handyherstellers aufkommen; beispielsweise an die alten XpressMusic-Phones mit eingebautem MP3-Player, an die Feature-Phones der Xseries oder an das Einsteiger-Windows-Phone Nokia X.

Mit dem Launch neuer Handys hat Nokia im April das Namensschema seiner Smartphones geändert und nun taucht wieder das X in einer Modellbezeichnung auf. Das lässt darauf hoffen, dass Nokia mit der neuen X-Reihe der Konkurrenz wieder etwas entgegenzusetzen hat.

Wir haben uns das Nokia X20 genauer angesehen: Das stärkste Modell der neuen Mittelklasse-Reihe kommt mit einer Vierfach-Kamera sowie 5G und kostet 399 Euro (UVP). Schon ein Blick auf die technischen Spezifikationen legt nahe, dass es Nokia mit dem X20 schwer haben wird, gegen die Konkurrenz zu bestehen.

Erster Eindruck

Als ich dann das Nokia X20 zum ersten Mal aus der Verpackung genommen habe, wurde die Frage umso dringlicher: Kann Nokia mit diesem Handy im Preisbereich bis 400 Euro noch mithalten? Wie soll das gut gehen?

Das X20 ist nämlich ein ziemlich klobiges Handy. Die Maße belaufen sich auf 168,9 x 79,7 x 9,1 Millimeter bei einem 6,67 Zoll großem Display. Im Vergleich dazu: Das Samsung Galaxy A72 fällt kleiner aus, obwohl es sogar einen etwas größeren Bildschirm hat.

Schuld an den ausladenden Maßen ist der ziemlich breite Rahmen, der das Display einschließt. Vor allem an der unteren Kante, am so genannten Kinn, ist der Rahmen besonders prominent

Auffallend ist zudem das hohe Gewicht von 220 Gramm. Für ein Mittelklasse-Handy mit dieser Ausstattung zählt das Nokia X20 damit zu den absoluten Schwergewichten. Verglichen mit ähnlichen Smartphones könnte man behaupten, das Nokia-Handy sei stark übergewichtig.

Technische Spezifikationen

Nokia X20

  • Maße und Gewicht: 168,9 x 79,7 x 9,1 Millimeter; 220 Gramm
  • Display: 6,7 IPS LCD, 1080 x 2400 Pixel, 450 nits, Corning Gorilla Glass 5
  • Kamera: 64 MP Hauptkamera, PDAF, f/1,8 / 5 MP Weitwinkelobjektiv, f/2,2 / 2 MP Makrolinse / 2 MP Tiefensensor; 
  • Selfie-Kamera: 32 MP; 
  • Video: Hauptkamera max. 1080p/60fps; Selfie-Kamera max. 1080p/60fps
  • Prozessor: Qualcomm Snapdragon 480 5G (8 nm)
  • Speicher: 6/128 GB; 8/128 GB
  • Akku: 4470 mAh, 18 Watt Charging, kein Netzteil im Lieferumfang
  • Software: Android 11, Android One
  • Konnektivität: Wi-Fi 802.11 a/b/g/n/ac; Bluetooth 5.0; NFC; Kopfhöreranschluss, microSD-Karte
  • Sonstiges: FM Radio
  • Preis: 399 Euro (UVP)
     

Mäßiges Display

Beim 6,67 Zoll großen Touchscreen handelt es sich um ein IPS-LC-Display, das mit 1080 mal 2400 Pixeln auflöst. Geschützt wird es von Corning Gorilla Glas 5.

Die Qualität des Bildschirms ist zwar nicht schlecht, vollends überzeugen kann sie aber auch nicht. Die Farben sind großteils ausreichend gesättigt, dennoch ist ein leichter Überhang beim Blau zu erkennen.

Mit dem Display-Nightmode kann der Blau-Anteil reduziert werden, wodurch die Farben im Bildschirm wärmer dargestellt werden. Allerdings nimmt schon die niedrigste Nightmode-Stufe wieder zu viel Blau aus dem Display.

Die maximale Helligkeit geht gerade noch in Ordnung und liegt nur knapp oberhalb meiner Frustrationsgrenze. Allerdings sind rund um das Kamera-Punchhole kleine dunkle Flecken zu erkennen, was nicht unbedingt auf eine einwandfreie Fertigung hindeutet.

Außerdem hat das Display keine erhöhte Refresh-Rate. In derselben Preisklasse sind nämlich zahlreiche vergleichbare Smartphones zu finden, die 90 oder 120 Hz bieten und zudem über einen höherwertigen OLED-Bildschirm verfügen.

Die Kamera

Ausgestattet ist das Nokia X20 mit 4 Kameralinsen, die auf der Rückseite auf einem runden Kameramodul untergebracht sind. Das Modul ist zentriert angebracht und hebt sich nicht allzu stark vom Gehäuse ab. Das ist besonders praktisch, weil das Gerät nicht wackelt, wenn es flach auf einem Tisch liegt.

Die Hauptkamera löst mit 64 MP auf, das Weitwinkelobjektiv mit 5 MP, Makrolinse und Tiefensensor mit 2 MP. Informationen zu Blendenzahl, Brennweite, Sensorgröße, Pixel-Binning usw. hat Nokia bislang nicht veröffentlicht.

Aus den Meta-Daten der Aufnahmen geht allerdings hervor, dass die Hauptkamera eine Blende von f/1,8 hat und Bilder standardmäßig mit 12 MP aufnimmt. Die Weitwinkelkamera hat demnach eine Blende von f/2,2.

Keine gute Fotoqualität

Das Fotografieren mit dem Nokia X20 macht leider nicht allzu viel Spaß. Denn die Qualität der Aufnahmen lässt meist zu wünschen übrig - vor allem im Weitwinkelmodus, mit der Makrolinse und bei schwachem Umgebungslicht.

Bei Sonnenschein im Freien geht die Bildqualität noch einigermaßen in Ordnung. Dass die Fotos nicht allzu farbstark sind, ist auch hier schon zu bemerken.

Wechselt man in den Weitwinkelmodus, sind die Ergebnisse enttäuschend. Nahezu das gesamte Bild ist unscharf und die Farben werden überhaupt nicht mehr naturgetreu wiedergegeben.

Ähnliche Erfahrungen habe ich mit dem Makromodus gemacht: Hat man den richtigen Abstand zu einem Objekt endlich gefunden, kann das Foto auch hier leider nicht überzeugen.

Nachtmodus kaum brauchbar

Egal ob man den Nachtmodus oder den Standardmodus verwendet, Fotos bei Nacht können ebenso leider nicht überzeugen. Die Details verschwimmen stark und die Atmosphäre wird nicht entsprechend wiedergegeben.

Im Nachtmodus kann nur die Hauptkamera genutzt werden. Nutzt man den Weitwinkelmodus bei Nacht, nimmt die Fotoqualität noch mehr ab.

Porträtmodus mit Eigenheiten

Der Porträtmodus ist etwas tricky: Im Normalfall schafft es die Software des X20 ziemlich gut, eine Person im Vordergrund entsprechend zu erkennen und den Hintergrund unscharf darzustellen. Außerdem ist die Tiefenunschärfe zu stark ausgeprägt, wodurch die Natürlichkeit der Aufnahme nicht mehr gegeben ist. 

Manchmal verwechselt die Kamera allerdings Vorder- und Hintergrund und stellt die Person unscharf, während der Hintergrund scharf gestellt ist.

Wackelige Videoaufnahmen

Videos können mit maximal 1080p bei einer Frame-Rate von 60fps aufgenommen werden. 4K-Aufnahmen sind nicht möglich.

Es wird schnell mehr als deutlich, dass das Nokia X20 keinen Bildstabilisator eingebaut hat. Die Clips sind dementsprechend meist stark verwackelt.

Außerdem hat die Kamera ziemliche Schwierigkeiten mit dem Fokussieren. Ändert man den Bildausschnitt dauert es mehrere Sekunden bis die Kamera wieder scharf gestellt hat.

Die Selfie-Kamera

Die Selfie-Kamera ist in einem Punch-Hole im Display untergebracht.  Sie löst mit maximal 32 MP auf und erlaubt Videoaufnahmen mit maximal 1080p bei 60fps.

Die Fotoqualität im Standardmodus ist mit der Frontkamera überraschend gut und kann durchaus mit der Qualität der Hauptkamera verglichen werden.

Etwas schlechter sieht es allerdings mit dem Porträtmodus bei der Selfie-Kamera aus. Zwar erkennt das Handy die Person im Vordergrund ziemlich genau, die Fotoqualität leidet allerdings unter der künstlichen Tiefenunschärfe.

Prozessor und Speicher

Angetrieben wird das Nokia X20 von einem Snapdragon 480 5G. Das ist der schwächste Chip mit 5G aus dem Hause Qualcomm. Zur Seite stehen 6 beziehungsweise 8 GB RAM und 128 GB Speicher.

Leider steht Nokia auch hier etwas auf der Bremse: Der Snapdragon 480 5G hat zwar mit den allermeisten Alltags-Apps keine gröberen Probleme, bei ressourcenintensiven Anwendungen kommt er jedoch so manches Mal ins Stocken. Das zeigt sich vor allem beim Bearbeiten von Fotos, wenn die Kamera ein Nachtmodus-Bild abspeichert, und auch bei den längeren Ladezeiten beim Gaming.

Fingerprint und Anschlüsse

Der Fingerabdrucksensor ist seitlich im Power-Button untergebracht. Dieser funktioniert extrem schnell und zuverlässig. Was mich immer bei Fingerprintsensoren im Power-Button generell stört ist, dass nahezu jedes Mal, wenn man nur die Uhrzeit ablesen will, das Smartphone entsperrt wird.

Anschlüsse sind ausreichend vorhanden: Es besteht die Möglichkeit, den internen Speicherplatz mittels microSD-Karte zu erweitern. Allerdings wird für die Speicherkarte ein SIM-Slot beansprucht.

3,5mm-Kopfhöreranschluss ist vorhanden, NFC, Bluetooth 5.0 sowie Wlan nach den Standards 802.11 a/b/g/n/ac und auch ein FM-Radio-Empfänger ist ebenso mit von der Partie.

Google Assistant Taste

Gegenüber Power- und Volume-Button befindet sich noch eine Taste, die ausschließlich für das Aufwecken des Google Assistant verwendet werden kann. Glücklicherweise lässt sich die Taste auch deaktivieren, unglücklicherweise kann sie aber nicht mit einem anderen Befehl belegt werden.

Pures Android

Das Nokia X20 kommt mit purem Android 11. Das liegt daran, dass das X20 im Rahmen des Android-One-Programms von Google läuft. Insofern gibt es auf dem Gerät erfrischenderweise keine Bloatware und keine adaptierte Benutzeroberfläche.

Bei der Präsentation hat Nokia erklärt, das X20 werde insgesamt 3 Jahre lang mit Android-Updates versorgt. Das bedeutet, dass das Handy sogar noch Android 14 erhalten soll. Weiters werde das Smartphone 3 Jahre lang die monatlichen Security-Updates erhalten.

Gute Akkuleistung

Der Akku des Nokia X20 hat eine Kapazität von 4.470 mAh und kann mit maximal 18 Watt aufgeladen werden. Kabelloses Laden ist nicht möglich. In der Praxis hat sich gezeigt, dass der Akku relativ lange durchhält.

An die Akkulaufzeit der Nokia-Feature-Phones aus den frühen 2000er Jahren kommt das X20 natürlich nicht einmal annähernd heran. Dennoch hält das X20 gut eineinhalb Tage durch, ohne dass es an die Steckdose muss. Bei entsprechender Nutzung sind eventuell sogar 2 Tage möglich.

Netzteil? Fehlanzeige

Beim Aufladen wird es dann interessant: Denn Nokia verzichtet beim X20 auf ein Netzteil und legt dem Smartphone nur ein Ladekabel bei. Begründet wird das mit Umweltschutzmaßnahmen.

Für die Allgemeinheit ist das natürlich lobenswert, für den einzelnen Nutzer vielleicht dann doch ein Ärgernis. Anstatt des Netzteils liegt dem Gerät eine Handy-Hülle bei, die zu 100 Prozent biologisch abbaubar sein soll.

Ich habe dann auf ein vorhandenes 25-Watt-Netzteil zurückgegriffen. Ob damit die von Nokia genannten 18 Watt auch tatsächlich beim Gerät angekommen sind, lässt sich schwer sagen. In 10 Minuten konnte das Handy jedenfalls von 0 auf 13 Prozent aufgeladen werden. Nach insgesamt 30 Minuten an der Steckdose zeigte der Akku 39 Prozent, nach einer Stunde 68 Prozent.

Pro & Contra

Pro

  • 5G
  • Pures Android
  • Kopfhöreranschluss
  • Einschub für SD-Karte
  • Akku hält lange durch
  • 3 Jahre Android-Updates
  • 3 Jahre Garantie

Contra

  • Schwer und klobig
  • Display nicht besonders hochwertig
  • Display ohne erhöhte Refresh-Rate
  • Kameraqualität vergleichsweise gering
  • Nicht besonders Leistungsstark
  • Kein Netzteil im Lieferumfang
  • Hoher Preis für diese Ausstattung

Fazit

Gerne hätte ich an dieser Stelle geschrieben, wie super das X20 ist, und dass Nokia damit wieder zu alter Stärke zurückkehrt. Leider ist das Gegenteil der Fall.

In dem Preisbereich bis 400 Euro steigt Nokia mit einer besonders harten Konkurrenz in den Ring. Und hier muss man leider sagen, dass Nokia doch deutlich hinter die Mitbewerber zurückfällt.

Der Formfaktor ist nicht ganz auf der Höhe der Zeit, das Gerät wirkt etwas behäbig, ist schwer und groß. Das Display geht noch halbwegs in Ordnung, hat aber leider keine erhöhte Refresh-Rate. Die Prozessorleistung ist gerade einmal ausreichend.

Lobenswert hingegen sind die 5G-Fähigkeit, die Anzahl der Anschlüsse, das pure Android, die Update-Policy sowie die 3 Jahre Herstellergarantie und der ausdauernde Akku.

Leider kommt das Nokia X20 aber bei der Kameraqualität gar nicht gut weg. Die Hauptkamera im Standardmodus liefert bei guten Lichtverhältnissen noch einigermaßen passable Bilder. Nightmode, Weitwinkelfotos, Videos und Makroaufnahmen sind hingegen enttäuschend.

Unterm Strich bleibt der Eindruck, dass Nokia mit dem X20 leider kein konkurrenzfähiges Handy anbietet. Wer an die 400 Euro für ein Smartphone ausgibt, findet bei der Konkurrenz einige Geräte, die deutlich mehr zu bieten haben.

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Florian Christof

FlorianChristof

Großteils bin ich mit Produkttests beschäftigt - Smartphones, Elektroautos, Kopfhörer und alles was mit Strom betrieben wird.

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