Symbolbild: Polizeieinsatz

Polizeieinsatz in Klagenfurt-Land (Symbolbild)

© APA/EVA MANHART

Science

Lärmpegel: Wie Gegensprechanlagen Verbrechen aufklären sollen

Um in Städten Verkehrsunfälle zu dokumentieren, Verbrechen aufzuklären oder im Idealfall potenzielle Täter*innen abzuschrecken, werden Überwachungskameras installiert. Das Extrembeispiel hierfür ist London. Studien zufolge gibt es in der englischen Hauptstadt bereits über 900.000 Kameras.

Ein Forschungsprojekt der FH Salzburg will eine Alternative bzw. Ergänzung entwickeln. Statt den Kameras sollen Schallwellen genutzt werden, um Städte sicherer zu machen.

Verdächtige Umgebungsgeräusche 

Die Forscher*innen untersuchen, ob Aufzeichnungen von Umgebungsgeräuschen helfen könnten, Gefahrensituationen zu erkennen. Gemeinsam mit Studierenden und einem Salzburger Hersteller von Kommunikationsgeräten, der unter anderem auf KI-basierte Audio-Überwachung spezialisiert ist, entwickelt der Informatiker Simon Kranzer eine Methode dazu. Aufzeichnungen werden dafür zunächst an eine Datenbank übertragen und später auf einer Landkarte dargestellt. Dazu verwenden sie die Mikrofone, die ohnehin in bestimmten Alltagsgeräten stecken, wie Telefone oder Gegensprechanlagen. 

Mit dieser Methode versuchen die Forscher*innen, ein Dilemma zu lösen: Einerseits wollen sich Menschen sicher fühlen, andererseits aber nicht dauernd von Kameras beobachtet werden. Die sind auch hierzulande auf dem Vormarsch. Laut einer Erhebung vom Computersicherheitsportal Comparitech ist die österreichische Bundeshauptstadt die am drittstärksten videoüberwachte Stadt in der Europäischen Union.

Staaten wie China zeigen schon länger, wie Überwachung im Extremfall aussehen kann: Mit Kameras, Bewegungssensoren, Mobilfunkdaten und Sozialen Medien werden Chines*innen überall und zu jeder Zeit überwacht. In der EU gelten für die Überwachung hingegen strengere Regeln, weil unsere Privatsphäre streng geschützt wird.

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Der Informatiker Simon Kranzer forscht an der FH Salzburg an Möglichkeiten, von Alltagsgeräten aufgezeichnete Geräuschpegel zu nutzen.

Der Informatiker Simon Kranzer forscht an der FH Salzburg an Möglichkeiten, von Alltagsgeräten aufgezeichnete Geräuschpegel zu nutzen.

Keine Bespitzelung

„Von vornherein war es uns wichtig, dass wir keine Daten verwenden, die Rückschluss auf einzelne Personen zulassen“, erklärt Kranzer. Denn Gesprächsinhalte oder Stimmen werden auf diese Weise nicht übertragen. Geräte wie Sprechanlagen oder Telefone nehmen die Umgebungsgeräusche zwar auf, übertragen wird aber nur den Geräuschpegel in Dezibel (dB). Aus dem Pegel könne man dann verschiedene Schlüsse ziehen, erklärt Kranzer.

„Wenn Autos in eine Garage rein- und wieder rausfahren, Menschen ein- und aussteigen, wird das am Tag die normale Lautstärke sein. Passiert in der Garage aber etwas – wenn dort etwa mitten in Nacht geschossen wird, kann man das am Geräuschpegel ablesen“, erklärt der Experte: „Anhand der Pegelwerte kann ich zwar nicht unmittelbar darauf schließen, ob und wo gerade ein Verbrechen passiert. Aber sie können ein Hinweis sein, dass es eine Abweichung zur normalen Situation gibt.“ Schlägt der Pegel plötzlich aus, könne man dann eine Kameraaufnahme dazunehmen.

Videoüberwachung allein ist für Kranzer nicht das beste Mittel, um Gefahren zu erkennen. Ein Wachmann, der die Bilder vieler Überwachungskameras auf Monitoren verfolgt, ist etwa schnell überfordert. „Die Lautstärke stellt eine leicht zu messende Zusatzinformation dar, die sehr gut verwendet werden kann, um außergewöhnliche Ereignisse anzuzeigen. Bei gewissen Dingen muss man trotzdem nachschauen. Die Lautstärke ist aber ein erster, die Privatsphäre schützender Indikator für Veränderung“, meint der Informatiker. 

Stadtplanungshilfe

Lautstärkedaten zeigen auch auf, wie sich die Lärmbelastung an Orten im Laufe der Zeit verändert. Wird es an manchen Orten besonders laut, kann man gegensteuern. Die Daten sollen etwa Städteplanern helfen, solche Orte auszumachen. „Es geht uns bei dem Projekt nicht nur um Sicherheit, sondern auch um Gesundheit“, sagt Kranzer. Damit könnte dann der Lärmverschmutzung etwas entgegengesetzt werden, die unsere Gesundheit gefährdet.

Wie uns Lärm schadet

Größeres Wissen über die Geräuschpegel an bestimmten Orten könnten nicht nur der Polizei helfen, sondern auch in anderen Lebensbereichen zu Verbesserungen beitragen. Nach Einschätzungen der Europäischen Umweltbehörde EEA ist Lärmverschmutzung ein ernstes Umweltproblem in Europa. 

Würden Behörden mehr über die Lautstärke an verschiedenen Orten erfahren, könnten sie dem Lärm möglicherweise gezielter entgegensteuern und gesundheitliche Auswirkungen bekämpfen. Laut Umweltbundesamt sind von einer erhöhten Lärmbelastung nicht nur Hörschäden zu erwarten, sondern auch ein höheres Risiko für erhöhte Blutfett- und Blutzuckerwerte. Lärm kann außerdem die kognitive Leistungsfähigkeit vermindern und er verursacht der EEA zufolge in der EU bis zu 12.000 vorzeitige Todesfälle pro Jahr. 

Indessen leben 20 Prozent der EU-Bürger in Gebieten, in denen der Lärmpegel als gesundheitsschädlich gilt. Ab einer Dauerbelastung von 60 dB ist Lärm für uns schädlich.

Die EU sieht daher dringenden Handlungsbedarf. In Österreich gibt es dazu einen eigenen Aktionsplan gegen Umweltlärm, mit dem man das Problem in den Griff bekommen will. Für besonders belastete Gebiete werden Maßnahmen gesucht, während ruhige Gebiete vor mehr Lärm bewahrt werden sollen. Seit 2007 werden bereits regelmäßig Lärmkarten erstellt, die zeigen, an welchen Orten es besonders laut ist.

Eine erste Geräuschlandkarte haben sie bereits erstellt. Jetzt soll das Projekt wachsen. Mit Künstlicher Intelligenz sollen künftig zusätzliche Auswertungen gemacht werden. Ob daraus tatsächlich ein Behördenwerkzeug wird, liege allerdings am Unternehmenspartner. Dieser hat bereits viele Mikrofone an sicherheitsrelevanten Punkten installiert. Das fertige System wollen sie auf internationalen Stadtplanungsmessen präsentieren.

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Jana Unterrainer

Überall werden heute Daten verarbeitet, Sensoren gibt es sogar in Arktis und Tiefsee. Die Welt hat sich durch die Digitalisierung stark verändert. Das interessiert mich besonders, mit KI und Robotik steigt die Bedeutung weiter enorm.

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Jana Unterrainer

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