Containerschiff am Hamburger Hafen.

6,8 Millionen Container wurden am Hamburger Hafen 2024 transportiert. Kontrollen führt der deutsche Zoll jedoch nur bei besonderen Verdachtsfällen durch. 

© Ina FASSBENDER / AFP

Science

Neues Gerät soll Drogen und Menschen in Containern "erschnüffeln"

18.630 Schiffscontainer wurden am Hamburger Hafen 2024 pro Tag befördert. Darin sind auch immer wieder illegale Güter versteckt, wie Drogen oder Waffen. 2023 machte der Zoll etwa einen Rekordfund: 35 Tonnen Kokain im Wert von 2,6 Milliarden Euro fand man dort zwischen Obstkisten. Kontrolliert wird allerdings nur stichprobenartig oder im konkreten Verdachtsfall. Viele Container treten ihre Weiterreise auf Schiene, mit Binnenschiff oder per Lkw also ohne genauere Inspektion an, weil das derzeit zu aufwändig wäre.

Während sich der Zoll in Hamburg den Kopf über Drogen und andere Stoffe in den Containern zerbricht, beschäftigt sich die österreichische Forscherin Veronika Ruzsanyi bereits seit geraumer Zeit mit einem anderen Problem: Menschenhändler nutzen Container und Lastwägen auch zum illegalen Transport von Personen über Grenzen. Zusammen mit deutschen und österreichischen Kollegen überlegte sich Ruzsanyi deshalb, ob man die Fracht nicht gleichzeitig nach Menschen, Drogen und anderen Gefahrenstoffen durchsuchen könnte.  

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Container werden in einem Hafen auf die Schiene verlegt. 

Versteckte Personen in Lkws

Am Institut für Atemgasanalytik der Universität Innsbruck hat Ruzsanyi bereits einen Detektor mitentwickelt, der Menschen in abgedichteten Räumen wie Containern anhand von Ausdünstungen und anderen Stoffen in der Luft melden kann. „Es gab immer wieder Fälle, wo solche Menschen zu spät gefunden wurden“, sagt sie zur futurezone. „Deshalb gab es ein Interesse von Behörden, dass wir ein Schnellverfahren entwickeln, mit dem wir menschliche Wesen im abgeschlossenen Container erschnüffeln können.“

Der Detektor, den sie entwickelt haben, funktioniert so: Anstatt einen Lkw oder Container zu öffnen und auszuräumen, führt man eine kleine Lanze durch eine Dichtung oder die Dichtlippe und saugt die Luft daraus an, die dann analysiert wird. Bis 2027 wollen die Forscher ein Gerät in Rucksackgröße entwickeln. „Neu ist, dass wir auch toxische Gase und Drogen sowie deren Vorläufersubstanzen erschnüffeln möchten“, erklärt Ruzsanyi.

Auch bei der Kontrolle von Lkws soll das neue Gerät die Arbeit erleichtern, weil man die Fahrzeuge dann nicht mehr öffnen muss.

Mit den giftigen Gasen sind z. B. Insektizide gemeint, die zum Schutz von Obst oder Gemüse in die Container gegeben werden. Sie können für Zollbeamte oder Arbeiter gefährlich sein, die den Container öffnen. Um solche Gase zu finden, werde am Hamburger Hafen bereits ein vergleichbares Gerät von Airsense eingesetzt, erzählt der Projektpartner Stefan Zimmermann, Professor für Sensorik und Messtechnik an der Universität Hannover. Später will man den neuen Detektor, der zusätzlich Drogen und Menschen detektieren kann, zur Marktreife weiterentwickeln.

Drogenlabore in Holland

Gemeinsam mit der niederländischen Polizei hat Zimmermann bereits getestet, ob man die Technologie auch im Kampf gegen Drogen einsetzen kann. „Da ging es allerdings darum, versteckte Drogenlabore aufzuspüren“, erklärt er. Mit dem neuen Gerät soll man jedoch auch fertige Drogen aufspüren können. Dafür wollen die Forscher eine bessere und schnellere Messtechnik einsetzen, die Zimmermann und seine Kollegen entwickelt haben. Das Messen mit dem neuen Gerät soll weniger als 2 Minuten dauern. 

Verschiedenfarbige MDMA-Tabletten in einer durchsichtigen Blisterverpackung nebeneinander angeordnet.

Synthetische Drogen wie MDMA werden in Europa in großen Mengen hergestellt. Die Niederlande sind ein Hotspot für illigeale Drogenlabore.

Fakten

Menschen detektieren
Bei einem deutsch-österreichischen Vorgängerprojekt wurde bereits ein Messgerät entwickelt, mit dem man Menschen in Containern aufspüren kann.

Drogen erkennen
Deutsche Forscher testeten mit der niederländischen Polizei bereits, ob man auch Drogenlabore mit der Technologie aufspüren kann. Denn vor allem synthetische Drogen werden oft direkt in Europa hergestellt und dann im Schengenraum verbreitet. Die niederländische Polizei ist auch ein Projektpartner, weil es in dem Land besonders viele Drogenlabore gibt. 
 

Stoffe bewegen sich in der Luft unterschiedlich schnell

Diese Messtechnik heiße Ionenmobilitätsspektronomie. „Man ionisiert die Zielsubstanzen mit einer geeigneten Ionisationsmethode“, erklärt Zimmermann. Das wird dann durch ein elektrisches Feld geleitet. „Am Ende dieser Flugstrecke misst man die ankommenden Ionen mit einem Detektor. Im Gas, also der Luft, haben sie unterschiedliche Mobilität. Sodass eine Droge in ionisierter Form länger braucht als die andere bzw. ein anderer Stoff“, erklärt der Forscher. Dadurch könne man einen Stoff sehr genau detektieren. 

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Die Sensorik wird in Österreich weiterentwickelt: „Wir werden eine Datenbank aufbauen und das Gerät trainieren“, erklärt Ruzsanyi. Auf dieser Basis soll es dann schnell und genau auflisten, welche Stoffe in einem Container enthalten sind. Um die Datenübertragung und Analyse kümmert sich die Firma Solgenium aus Oberösterreich. Am Ende soll es einen Algorithmus geben, der sich jederzeit um neue Substanzen erweitern lässt. 

Gerät würde Behörden die Arbeit erleichtern

Zwar kommen auch schon jetzt verschiedene technische Detektoren bei Kontrollen  zum Einsatz – doch für die verschiedenen Anwendungen sind meistens mehrere Geräte erforderlich, die noch dazu nicht immer zuverlässig arbeiten. 

Ein schneller Detektor, der verschiedene Stoffe gleichzeitig „erschnüffelt“ und direkt auflistet, würde deshalb vieles erleichtern. Entsprechend groß ist das Interesse am Projekt SICHER, das von der österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft (FFG) unterstützt wird. Auch das österreichische Innen- und Finanzministerium sind als Partner beteiligt.
 

Diese Serie erscheint in redaktioneller Unabhängigkeit mit finanzieller Unterstützung der Forschungsförderungsgesellschaft (FFG).

Auch die Kartelle schätzen neue Technik

Nicht nur Behörden wie die Polizei oder der Zoll setzen auf neue Technologien wie Sensoren und KI, um Kriminellen auf die Spur zu kommen. Auch Drogenkartelle nutzen seit vielen Jahren innovative Technologien wie Drohnen für ihre Zwecke. 

So beobachtet die amerikanische Luftfahrtbehörde Federal Aviation Administration in den vergangenen Jahren immer wieder mysteriöse Flugobjekte an der Grenze zu Mexiko. Experten vermuten, dass Drogenkartelle dahinter stecken. Laut französischen Medienberichten schicken mexikanische Kartelle ihre Mitglieder sogar in die Ukraine, um sie dort als „Freiwillige“ für Drohnen-Operationen auszubilden. Sie sollen die unbemannten Fluggeräte nicht nur zum Schmuggel nutzen, sondern auch im Kampf gegen andere Banfen einsetzen.

Auch für ferngesteuerte U-Boote für den Drogentransport interessieren sich die Kriminellen. Im Juli entdeckte die kolumbianische Marine etwa ein ferngesteuertes U-Boot, das von  einem kolumbianischen Kartell angeblich zum Kokainschmuggel genutzt wird. Es war mit einer Antenne ausgestattet, die eine Verbindung mit Elon Musks Satelliteninternet Starlink herstellen kann. 

Auch GPS- und Bluetooth-Tracker werden von Kriminellen gerne genutzt, um ihre illegale Ware nicht aus dem Blick zu verlieren. Sie  platzieren sie  beispielsweise in Schiffscontainern, in denen sie Kokain verstecken. Dadurch wissen sie genau, wann die Ware im Hafen ankommt.

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Jana Unterrainer

Überall werden heute Daten verarbeitet, Sensoren gibt es sogar in Arktis und Tiefsee. Die Welt hat sich durch die Digitalisierung stark verändert. Das interessiert mich besonders, mit KI und Robotik steigt die Bedeutung weiter enorm.

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Jana Unterrainer

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