
Hyperloop-Pod von Virgin Hyperloop One (Symbolbild)
Hyperloop ist für Passagiere "unerträglich" und "gesundheitsschädlich"
Zugfahren statt fliegen: Billiger, bequemer und mit bis zu 1.000 km/h sogar schneller als so mancher Flug. Das ist das Versprechen von Hyperloop. Während viele Unternehmen ihre Pläne für diese Magnetschwebebahnen in Vakuumröhren schon aufgegeben haben, arbeitet China noch daran.
Dabei ist den Forschern der CASIC (China Aerospace Science and Industry Corporation), die an der chinesischen Hyperloop-Teststrecke beteiligt sind, ein gravierendes Problem aufgefallen. Für Menschen könnte eine Fahrt in diesen Zügen nicht nur extrem unangenehm, sondern sogar gesundheitsschädlich sein, berichtet scmp.
Gewaltige Vibrationen
Laut der Studie der Forscher würden selbst kleinste Unvollkommenheiten in den Tunneln und an den Gleismodulen zu starken Vibrationen und Turbolenzen führen. Diese kleinen Unebenheiten interagieren nämlich mit dem starken Magnetfeld, das den Zug schweben lässt und für den Antrieb nötig ist. Dabei entsteht ein Phänomen namens Electromagnetic Resonance (EMR). Das äußert sich in starken Vibrationen im niedrigen Frequenzbereich.
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Die Forscher haben Computersimulationen und Berechnungen durchgeführt, wie stark diese Vibrationen sind. Die Ergebnisse wurden dem Sperling-Index zugeordnet. Dabei handelt es sich um eine internationale Metrik für den Komfort von Passagierbeförderung.
Bei 400 km/h würden die Passagiere des Hyperloops die Fahrt demnach als „extrem unangenehm“ wahrnehmen. Bei 600 km/h wird eine 4.2 auf dem Sperling-Index erreicht. Ab dem Wert 4 gelten solche langanhaltenden Turbolenzen nicht nur als unerträglich, sondern sogar als gesundheitsschädlich für die Passagiere.
Wird die geplante Hyperloop-Reisegeschwindigkeit von 1.000 km/h und darüber erreicht, werden die Vibrationen wieder geringer und sind laut dem Sperling-Index „gerade noch tolerierbar“. Dieses Prinzip, dass bei hohen Geschwindigkeiten Unebenheiten weniger stark aufs Fahrzeug wirken, kennt man auch vom Autofahren, weil kleine Löcher oder Ritzen in der Fahrbahn quasi „übersprungen“ werden. In der TV-Show Mythbusters wurde das Prinzip umgekehrt demonstriert, bei einem Extrembeispiel mit quadratischen Rädern an einem Pick-up-Truck.
Normale Federung reicht nicht aus
Für den Gütertransport mit Hyperloop wären die Vibrationen weniger schlimm, Menschen werden mit der Rüttelpartie aber keine Freude haben. Die vermeintlich einfachste Lösung wäre, die Hyperloop-Strecke absolut perfekt zu bauen. Aus der Sicht der Forscher ist das aber nicht realistisch und außerdem würden dann trotzdem im Laufe der Nutzung kleine Unebenheiten auftreten.
Eine reguläre Federung für die Kabine oder Sitze sei keine Option. Denn da es, aufgrund der Magnetschwebetechnik, keinen physischen Kontakt zwischen Zug und Schiene gibt, würde sich EMR nahezu unberechenbar in 6 Bewegungsachsen auf die Kabine auswirken. Die Vibrationen sind also nicht immer in der gleichen Frequenz und Stärke. Eine normale Federung könnte deshalb nur einen geringen Teil der Vibrationen reduzieren, weil sie nicht die Bewegung in allen Achsen ausgleichen kann.
Kabine kommt an den virtuellen Haken
Die Forscher schlagen deshalb ein hybrides System vor. Dieses nutzt eine passive Luftfederung und elektromagnetische Aktoren, die von einer KI kontrolliert werden. Damit die Aktoren möglichst effektiv funktionieren, kommen 2 Taktiken zum Einsatz.
Die Erste nennt sich Sky-Hook. Die KI hängt dabei virtuell die Kabine mit einem Haken an eine ebenso virtuelle Decke. Das dient ihr als Ausgangspunkt. Mittels Beschleunigungssensoren werden die Abweichungen von dieser Idealposition gemessen und die Aktoren so kontrolliert, dass sie mit Gegenbewegungen permanent versuchen, die Kabine zurück in die virtuelle Idealposition zu bringen.
Bei der zweiten Taktik wird ein PID-Controller eingesetzt. Solche Controller kommen üblicherweise bei Maschinen zum Einsatz, die ständiges Nachjustieren ohne menschliches Eingreifen erfordern. Der Controller nutzt einen KI-optimierten Algorithmus, der bereits bei anderen Maschinen die Federung an wechselnde Streckenbedingungen anpasst.
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Erster Erfolg mit Prototyp
Die Forscher haben einen Prototyp im Maßstab 1:10 gebaut, um die Funktion mit einem Bewegungssimulator zu überprüfen. Damit konnte die Vibrationsintensität um 45,6 Prozent reduziert werden. Auf dem Sperling-Index würde die Fahrt, bei allen Geschwindigkeiten, so unter 2.5 (bemerkbar, aber nicht unangenehm) bleiben.
Vor der Einsatzfähigkeit dieses Systems müssen noch Hürden genommen werden. Eine davon ist, dass das System auf die Größe 1:1 gebracht werden muss. Damit müsse dann getestet werden, wie sich das System in Extremsituationen verhält, etwa bei einer Notbremsung oder wenn plötzlich mehr Luftwiderstand im Tunnel ist, weil etwa die Röhre an einer Stelle beschädigt wurde.
2 km lange Teststrecke
China scheint jedenfalls zuversichtlich zu sein, was sein Hyperloop-Projekt angeht. Die bereits gebaute 2 km lange Teststrecke wird als einzige Hyperloop-Teststrecke der Welt im Maßstab 1:1 gefeiert.
Auf dieser wurden im Vorjahr Geschwindigkeitsrekorde für die Hyperloop-Technologie vermeldet. Der Zug sei in der Röhre in einem Beinahe-Vakuum über 600 km/h schnell gefahren. Dabei soll er 22 cm über den Gleismodulen geschwebt sein.
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