Weit im Norden Grönlands wurde einst ein Atomwaffenstützpunkt errichtet. 

Weit im Norden Grönlands wurde einst ein Atomwaffenstützpunkt errichtet. 

© APA/AFP/ODD ANDERSEN

Science

Was eine geheime US-Militärbasis über den Klimawandel verrät

Grönland war einst zu weiten Teilen eisfrei. Auf dem nordwestlichen Hochland der Insel wuchs eine üppige Tundra. Der Süden Grönlands könnte sogar von einem Wald aus Fichten bedeckt gewesen sein, in dem es vor Insekten nur so wimmelte.

Dieses Wissen ist nicht neu. Forscher*innen haben schon vor langer Zeit festgestellt, dass das grönländische Eisschild irgendwann in den vergangen Millionen Jahren geschmolzen war. Einen genauen Zeitpunkt für dieses Ereignis konnte die Wissenschaft allerdings nicht festlegen - bis jetzt. 

In einer neuen Studie, die in der Fachzeitschrift Science veröffentlicht wurde, ist es Forscher*innen gelungen, den Zeitraum genau zu datieren. Vor 416.000 Jahren war Grönland weitestgehend eisfrei. Diese Bedingungen hielten bis zu 14.000 Jahre lang an. Zu diesem Schluss gelangten die Wissenschaftler*innen mithilfe einer während der des Kalten Krieges entnommenen Eisprobe - auf die bis heute einfach vergessen wurde.

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Bohrungen auf geheimem Atom-Stützpunkt 

Im Juli 1966 führten Wissenschaftler*innen der US-Armee Bohrungen im grönländischen Eis durch. Genauer gesagt in Camp Century, einem geheimen Militärstützpunkt der USA. Camp Century sollte einer von mehreren Standorten für Abschussbasen von Atomraketen werden. Zu diesem Zwecke wurden über 20 Tunnel von 3.000 Metern Länge tief in das Eis geschlagen.

Diese Gelegenheit ließen sich US-Forscher*innen nicht entgehen. Sie entnahmen damals einen Eisbohrkern mit Sedimentresten aus über 1.390 Metern Tiefe. 1969 enthüllte der beteiligte Geophysiker Willi Dansgaard mit seiner Analyse dieses Eisbohrkerns zum ersten Mal, wie dramatisch sich das Klima der Erde in den vergangenen 125.000 Jahren verändert hatte.

Danach schenkte die Wissenschaft der Probe kaum mehr Beachtung. Camp Century wurde stillgelegt. In den 1990er Jahren ging der Eisbohrkern schließlich spurlos verschwunden.

Entnahme des Eisbohrkern von Georg Linkletter, einem Ingenieur der US Army in den 1960er Jahren. 

Probe in dänischer Gefriertruhe aufgetaucht

Knapp 2 Jahrzehnte später, im Jahr 2017, wurde das Sediment in einer Gefriertruhe in Dänemark durch Zufall wiederentdeckt. Ein internationales Team von Wissenschaftler*innen verschrieb sich der Aufgabe, den Eisbohrkern erneut zu analysieren - beginnend mit dem Sediment der Probe.

Das Team machte dabei eine überraschende Entdeckung: In der obersten Schicht der Probe, in der es eigentlich nur einen Haufen komprimierten Gesteins erwartet hatte, befand sich Pflanzenmaterial. Aus Zweigen, Blättern und winzigen Moosstücken konnten die Forscher*innen mittels Lumineszenzdatierung den genauen Zeitraum bestimmen, zu dem Grönland nicht mit Eis bedeckt war.

Dies bestätigt eine besorgniserregende Vermutung: Der Eisschild war in den vergangenen 2,5 Millionen Jahren nicht so stabil, wie einst angenommen. "Die wichtigste Erkenntnis aus dieser Studie ist, dass Grönland verwundbar ist", so Paul Bierman, Geowissenschaftler an der Universität von Vermont und Autor der neuen Studie, gegenüber der New York Times. "Der Eisschild ist in der Vergangenheit geschmolzen und kann daher wieder schmelzen."

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Moos und Farne des Eisbohrkerns halfen dabei, den Zeitraum abzustecken.

Worst-Case-Szenario für zukünftigen Klimawandel

Nachdem die Wissenschaftler*innen das Datum des Tauwetters abgeschätzt hatten, modellierten sie verschiedene Szenarien, um den Anstieg des Meeresspiegels in diesem Zeitraum zu bestimmen. Sie kamen zu einem erschreckenden Schluss: Der Meeresspiegel muss sich um etwa 1,4 Meter gehoben haben, damit eine solche Probe überhaupt existieren kann. 

"Das ist ein enormer Anstieg des Meeresspiegels", so der beteiligte Forscher Andrew Christ. "Und das ist etwas, das wir wirklich als Worst-Case-Szenario für den zukünftigen Klimawandel in Betracht ziehen müssen." Die Temperatur sei damals nicht viel höher gewesen als heute, und der Kohlendioxidgehalt in der Atmosphäre wesentlich niedriger.

Dennoch gibt es viele Ungewissheiten darüber, wie das Eisschild auf die anhaltende Erwärmung reagieren wird. Laut Elizabeth Thomas, Co-Autorin der neuen Studie, sei es schwierig, von dieser einen Probenahmestelle, die "am Rand des Eisschildes" liegt, genaue Schlüsse zu ziehen. Weitere Probeentnahmen wären wünschenswert.

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