Neues Weltraumteleskop jagt gefährliche Asteroiden
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Im vergangenen Jahr erreichte eine traurige Meldung Astronom*innen auf der ganzen Welt. Das riesige Arecibo-Teleskop brach in sich zusammen (futurezone berichtete). Damit wurde ein großes Problem offenbar: Ein wichtiges Instrument für die Suche nach potenziell gefährlichen Asteroiden fiel weg.
Darunter befinden sich auch solche, die als potenziell gefährlich gelten. Kommen sie der Erde auf 7,5 Millionen Kilometer nahe und sind größer als 140 Meter, werden sie von der NASA so klassifiziert. Derzeit werden nur 40 Prozent solcher Objekte gefunden. "
NEO Surveyor
Deshalb arbeitet die NASA seit 2019 an einem neuen Weltraumteleskop. Es soll 2026 den Betrieb im Erdorbit aufnehmen und permanent nach großen und kleineren Asteroiden suchen. Die "Near-Earth Object Surveyor Mission" (engl. Beobachtungsmission für erdnahe Objekte), oder kurz NEO Surveyor, erreichte vor wenigen Tagen die nächste Entwicklungsstufe. Die erste Planungs- und Designphase ist damit abgeschlossen, nun sollen die ersten Prototypen gebaut und getestet werden.
Ziel der Mission ist es, 90 Prozent aller Asteroiden, die größer als 140 Meter sind, frühzeitig zu entdecken. "Wir gehen davon aus, dass es etwa 25.000 NEOs gibt, die groß genug sind, um eine Fläche mit der Größe von Südkalifornien auszulöschen", wird Projektleiterin Amy Mainzer von der Universität Arizona, in einer Aussendung zitiert.
Von der Sonne geblendet
Einige Asteroiden haben eine besonders dunkle Oberfläche. Sie geben daher nicht genug Licht ab, um von Teleskopen auf der Erde entdeckt zu werden. Selbst wenn sie gefunden werden, kann ihre tatsächliche Größe oft nicht korrekt abgeschätzt werden. Unlängst konnte etwa ein Asteroid von der Größe eines Autos mit einem geringen Abstand von nur 3.000 Kilometer an der Erde vorbeifliegen, ohne entdeckt zu werden. Erst 6 Stunden später wurde man auf ihn aufmerksam.
Besonders schwierig ist es, Asteroiden zu finden, die von der Sonne zur Erde fliegen. "Im Moment benutzen wir nur bodengestützte Teleskope - und nicht genug, wir bräuchten noch einige mehr, um alles sehen zu können, was vom Boden aus möglich ist. Trotzdem wird man vom Boden aus nie jene NEOs sehen, die aus der Richtung der Sonne kommen, weil sie am Tag erscheinen", erklärt Detlef Koschny, Vorsitzender des Planetary Defense Office der ESA, gegenüber der futurezone. Sie würden nur von Weltraumteleskopen entdeckt, die idealerweise zwischen Erde und Sonne platziert sind, da Bodenteleskope nur in der Nacht arbeiten. "Genau das soll NEO Surveyor tun", sagt Koschny.
Wärme statt Licht
Deshalb wird das neue Weltraumteleskop mit acht besonders empfindlichen Infrarotkameras ausgestattet. "Meteoriten, die sich der Erde nähern, werden von der Sonne erwärmt und geben daher Wärme ab. Die NEO Surveyor Mission wird das messen können", sagt Mainzer. Mit der neuen Methode können Größe, Flugbahn und Geschwindigkeit auch kleinerer Asteroiden genauer bestimmt werden.
Das ungefähr 6 Meter große Teleskop soll dann noch weiter von der Erde entfernt stationiert werden als der Mond. Die extreme Kälte, der es dort ausgesetzt ist, soll es ermöglichen, ein Vielfaches der Asteroiden zu finden, die derzeit entdeckt werden.
Wichtigster Faktor: Zeit
Das Finden allein reicht allerdings nicht aus. Die Gefahr durch einen Asteroiden muss früh genug erkannt werden. NEO Surveyor gibt den Wissenschafter*innen im besten Fall 10 Jahre, um handeln zu können. Hätten sie nur Stunden oder gar Minuten Zeit, wären sie machtlos. "Für ein Objekt, das kleiner als 40 Meter ist, sind ein paar Wochen gut, um zu evakuieren. Für Objekte mit mehr als 50 Metern Größe würde man eine Satelliten-Abwehrmission fliegen. Dann sind einige Jahre besser" so Koschny. Genau dafür müsse man die Beobachtungsprogramme um Projekte wie NEO Surveyor erweitern.
Ein Planspiel verdeutlichte erst kürzlich, wie entscheidend die Vorbereitungszeit sein kann (die futurezone berichtete). Dabei ging man von der Entdeckung eines fiktiven Asteroiden am 19. April aus, der im Oktober mit hoher Wahrscheinlichkeit auf die Erde treffen würde. Die Berechnungen machten deutlich, dass ein Einschlag unabwendbar wäre. Die einzige Lösung im Planspiel war es, den Landstrich (ein Grenzgebiet zwischen Tschechien, Deutschland und Österreich) großräumig zu evakuieren.
Abwehrmechanismen
Täglich fallen bis zu 100 Tonnen Meteoritengestein auf die Erde, meist als feiner Staub. Sehr selten schafft es ein solcher Felsen auf die Erde. 2013 schlug etwa ein Meteorit so groß wie ein Haus im russischen Chelyabinsk ein. Die Schockwelle richtete immense Zerstörung an, 1.400 Menschen wurden verletzt. Der Einschlag wurde nicht vorhergesehen und traf die Bevölkerung aus dem Nichts.
Mit seinen 15 Metern handelte es sich noch um ein eher kleines Objekt. In der derzeitigen ESA-Risiko-Liste befinden sich 1.176 Asteroiden, die die Erde möglicherweise treffen könnten, manche sind mehrere Hundert Meter groß. Dass ein etwa 20 Meter großer Meteorit die Erde trifft, wie 1908 im sibirischen Tunguska, passiert laut Koschny alle 1.000 Jahre. Dass ein Meteorit mit einer Größe von 100 Metern einschlägt, alle 10.000 Jahre.
Double-Asteroid-Redirection-Test
Hat man sie einmal entdeckt und weiß mehr über ihre Größe, Flugbahn und Beschaffenheit, muss ein Abwehrplan in Kraft treten. Daran arbeitet die NASA zusammen mit der ESA. Mit DART (Double-Asteroid-Redirection-Test) startet heuer eine Mission, die so einen Ernstfall probt. Ein Satellit wird kontrolliert auf den Asteroiden Didymos-B prallen. Dabei könnte ein 100 Meter großer Krater entstehen. Der Aufschlag soll das Objekt aus seiner ursprünglichen Bahn lenken.
Ein weiterer Satellit beobachtet den Aufprall zur späteren Analyse. Das Experiment findet weit genug von der Erde entfernt statt - ganze 11 Millionen Kilometer - um keine Gefahr darzustellen. Abgesplitterte Teile könnten aber einen Meteoritenschauer verursachen.
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