Ab ins All: Die größten Raketen der Welt im Vergleich
Es ist schwer vorstellbar, mit welcher Wucht eine Rakete sich in den Himmel erhebt, die über 100 Meter lang ist. Ihr Dröhnen hört man noch kilometerweit entfernt. Sowohl das Starship von SpaceX als auch das Space Launch System (SLS) der NASA knacken die 100-Meter-Marke.
Mit 98 Metern Höhe steht die neueste Rakete New Glenn diesen Giganten nur wenig nach. Sie wurde von der privaten Firma Blue Origin des Amazon-Gründers Jeff Bezos gebaut und wartet derzeit auf ihren ersten Testflug. Der wurde in den letzten Tagen immer wieder verschoben, lange dürfte er aber nicht mehr auf sich warten lassen. Geplant ist er aktuell für den 16. Jänner.
➤ Mehr lesen: Blue Origin bricht "New Glenn"-Raketenstart in letzter Sekunde ab
Auf dem Weg zum Mond
Sie sind die neue Generation der Launch-Systeme, konstruiert für ein Raumfahrtzeitalter, das noch nicht da ist. Dass sie so groß sind, hat vor allem damit zu tun, dass sie schwere Lasten weiter ins All bringen sollen: zum Mond und irgendwann auch zum Mars.
Der dafür nötige Treibstoff braucht Platz und so wächst die Rakete in die Höhe. Die meisten neuen Systeme sind zudem modular aufgebaut, können also je nach Nutzen verändert werden: Satelliten werden in einem Frachtaufsatz transportiert, Menschen in einem Raumschiff. Je nach Aufsatz wächst die Rakete also noch weiter.
➤ Mehr lesen: Starship-Nahaufnahme zeigt massive Schubkraft der Raptor-Triebwerke
Lange war die legendäre Saturn V, die 1969 erstmals Astronauten zum Mond brachte, mit ihren 110 Metern die größte Rakete der Welt. Doch der Mond verlor über die Jahre an Bedeutung und stattdessen wurde der Erdorbit zum wichtigsten Ziel für Forscher und Firmen.
Schwerlastraketen
Um den niedrigen Erdorbit (LEO) in 200 bis 2.000 km Höhe zu erreichen, brauchen Raketen weniger Treibstoff und sind daher kompakter. Die meisten Schwerlastraketen erreichen auch den 36.000 km entfernten geostationären Orbit. Hier sind schnelle Verfügbarkeit und Zuverlässigkeit die Schlüssel zum Erfolg, um die hohe Nachfrage in der Industrie zu bedienen.
Das Aushängeschild für Raketen von privaten Unternehmen ist die Falcon 9. Als die SpaceX-Rakete 2010 das erste Mal startete, war die Aufregung spürbar groß.
Mittlerweile kann die erste Raketenstufe selbstständig wieder landen und mehrfach wiederverwendet werden. Das bedeutet vor allem, dass die Startfrequenz stark erhöht werden kann. Auch bei der Variante Falcon Heavy, die mehr Last ins All bringen kann, landen beide Booster wieder auf der Erde.
➤ Mehr lesen: SpaceX Falcon 9 kippt bei Landung um und fängt Feuer
USA haben die Nase vorn
Damit Firmen und Staaten eigene Konstellationen mit Tausenden Satelliten betreiben können, ist der Betrieb kleiner und mittelgroßer Raketen derzeit wichtiger als je zuvor. SpaceX selbst schickt inzwischen in Abständen von wenigen Wochen Internetsatelliten für ihr Starlink-Netzwerk ins All.
➤ Mehr lesen: Warum die neuen Starlink-Satelliten zum Problem werden könnten
Gleichzeitig buchen Firmen und Weltraumagenturen aus aller Welt Tickets, um Astronauten und Astronautinnen oder Fracht mit einer SpaceX-Rakete zu starten. Was so ein Ticket kostet, ist nicht bekannt. Da das Unternehmen derzeit aber fast konkurrenzlos ist, dürfte das Geschäft für die Firma boomen.
Das zeigen auch die Zahlen. Die meisten dieser Raketen starten derzeit in den USA, allein Falcon 9 und Falcon Heavy flogen 2024 133 Mal erfolgreich. Zusätzlich operieren in den USA die Vulcan Centaur und Atlas V der United Launch Alliance. Sie bringen vor allem Militärsatelliten ins All.
4 Bilder
China, Indien und Russland
China hat mit seinen Langer-Marsch-Raketen aktuell 7 verschiedene Modelle im Einsatz. Die Größte von ihnen ist die Langer Marsch 5. So schafft es China mehrmals monatlich ins All zu starten.
Unter das Radar fällt häufig die indische Raumfahrtagentur ISRO, deren größte Rakete GSLV eher bei den kleineren Launchern mitspielt. Die indischen Raketen starten nur wenige Male im Jahr, 2024 waren es 5 Starts.
15 waren es immerhin bei Russland. Bei der einst großen Raumfahrtnation geriet die Entwicklung neuer Schwerlastraketen für den Weltraum gegenüber militärischer Forschung ins Hintertreffen. Die aktuellen Sojus-2-Raketen fliegen bereits seit 2006. Außer einigen Modifikationen haben sie sich seither nicht weiterentwickelt.
➤ Mehr lesen: Grashüpfer-Rakete: Nach China kopiert auch Russland SpaceX
Die Raketen und ihre Nutzlasten
Super-schwere Systeme (mehr als 50 Tonnen):
- Starship (121 m): Nutzlast 250 t (nicht wiederverwendbar LEO) bzw. 150t (LEO), 21t (GTO) bzw. 100t (mit auftanken im Orbit)
- SLS Block 2 (111 m): Nutzlast 130 t (LEO)
- (nicht mehr im Einsatz) Saturn V (111 m): Nutzlast 141t (LEO)
Schwerlast-Systeme (20 bis 50 Tonnen):
- New Glenn (98 m): Nutzlast 45 t (LEO), 13,6 t (GTO)
- Falcon 9 Block 5 (70 m): Nutzlast 22,8 t (LEO), 8,3 t (GTO)
- Ariane 64 (63 m): Nutzlast 21,65 t (LEO), 12t (GTO)
- Langer Marsch 5 (63 m): Nutzlast 25 t (5B, LEO), 14t (GTO)
Mittlere Systeme (2 bis 20 Tonnen):
- Vulcan Centaur (67,3 m): Nutzlast 15,3 t (LEO), 7 t (GTO)
- Atlas V (58,3 m): Nutzlast 18,8 t (LEO), 8,9 t (GTO)
- Sojus 2.1a/b (46,3 m): Nutzlast 7,4 t (LEO, a) bzw. 8,6 t (LEO, b)
- Vega-C (35 m): Nutzlast 2,3 t (SSO)
- Langer Marsch 2 (58,34 m): Nutzlast 8,6t (LEO)
- GSLV (49 m): Nutzlast 5t (LEO), 2t (GTO)
Europa kämpft um den Anschluss
Europa hinkt den anderen Nationen bzw. Regionen derzeit hinterher. Nach einem weitestgehend erfolgreichen Erstflug steht die neue Schwerlastrakete Ariane 6 für ihren ersten kommerziellen Flug bereit, geplant ist er für Februar.
Dann hat Europa wieder einen eigenen Zugang zum Weltraum. Jahrelange Verzögerungen hatten dafür gesorgt, dass Europa nach dem letzten Flug der Vorgängerin Ariane 5 keine Rakete mehr hatte. So entstand ein Abhängigkeitsverhältnis, insbesondere von SpaceX. Mit der Ariane 6 sollen zumindest 10 Flüge pro Jahr möglich werden - konkurrenzfähig ist das nicht, aber zumindest mischt Europa wieder mit und verliert den Anschluss nicht vollständig.
➤ Mehr lesen: Ariane 6: Warum die Trägerrakete für Europa so wichtig ist
Warten auf den Mond
Bis der nächste große Umbruch in der Raumfahrt kommt, wird es noch ein paar Jahre dauern. Im besten Fall werden wir Ende des Jahrzehnts häufigere Starts von Riesen, wie Starship, SLS oder New Glenn, sehen.
Mit den Plänen der großen Weltraumagenturen Mondbasen aufzubauen, werden Raketenstarts solcher großen Systeme jedenfalls häufiger vorkommen. Zunächst um Baumaterial zu transportieren, dann um Menschen und Versorgungsgüter zum Erdtrabanten und zur geplanten Raumstation Lunar Gateway zu bringen.
➤ Mehr lesen: NASAs Mond-zu-Mars-Chef: "Wir müssen unbedingt dort hin"
Auf dem besten Weg zu einem regelmäßigen Betrieb ist, wie schon bei der Falcon 9, SpaceX. Starship ist für Missionen zum Mond angedacht und vielleicht sogar bis zum Mars.
Innerhalb kürzester Zeit schafften es SpaceX, das Starship von einem nach wenigen Sekunden explodierenden Schrotthaufen zu einem souveränen Launcher entwickeln, dessen erste Raketenstufe bereits mit Greifarmen gefangen werden kann. Damit ist die Ära der gigantischen Raketen vielleicht noch nicht da, aber die Zukunft bereits greifbar.
Kommentare