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Erster weiblicher Crashtest-Dummy kommt aus Schweden

Crashtest-Dummies sollen einen wesentlichen Beitrag zur Verbesserung der Verkehrssicherheit auf europäischen Straßen leisten. Dabei handelt es sich um lebensgroße Puppen, an die Sensoren angebracht werden. Darüber werden diverse Daten erhoben, die für die Unfallforschung verwendet werden. So sollen Fahrzeuge sicherer gemacht werden.

Spezifisch weibliche Crashtest-Dummies hat man bis vor kurzem jedoch mit der Lupe suchen können. Genauer gesagt: Es gab ganz einfach keine. Was es gab, waren Crashtest-Dummies, die etwas kleiner waren als die männliche Norm. Die unterschiedlichen Formen und die unterschiedliche Physiologie von Frauen wurden kaum berücksichtigt.

162 cm groß, 62 kg schwer mit breiten Hüften

Die schwedische Ingenieurin Astrid Linder hat nun das erste, weibliche Crashtest-Dummy entwickelt. Es heißt „SET 50F“ und wird aktuell in einem Lagerhaus 200 Kilometer südlich von Stockholm für Crashtests eingesetzt, berichtet die Nachrichtenagentur AFP und Euronews. Dort „rast“ es mit 16 km/h in vermeintliche Unfälle. Die lebensechte Puppe ist 162 Zentimeter groß und wiegt 62 Kilogramm. Das ist 15 Zentimeter kleiner und 15 Kilogramm leichter als eine männliche Crashtest-Puppe.

Linder arbeitet am schwedischen National Road and Transport Research Institute (VTI) und hat SET 50F entwickelt. Auf dem Bildschirm sieht man beim Crashtest deutlich, wie sehr sich das männliche Dummy vom weiblichen unterscheidet. „Die Muskeln im Nacken sind bei Frauen normalerweise schwächer“, sagt Tommy Petterson, einer von Linders Kollegen am VTI bei der Demonstration.➤ Mehr lesen: Übergewichtige Crashtest-Dummies sollen Leben retten

Mehr Schleudertraumata wegen Nacken-Muskulatur

„Wenn man das mit dem männlichen Dummy vergleicht, sieht man, dass der Nacken viel flexibler ist und sich viel mehr bewegt", so Linder. Auch die Schultern von Frauen sind viel tiefer und die Hüften breiter. Auch das hat bei Unfällen Auswirkungen. Bei nicht lebensbedrohlichen Unfällen, die aber zu Behinderungen führen können, mache dies einen großen Unterschied, sagt Linder. „Das Leiden danach kann lebenslang andauern. Es ist daher essentiell, daran zu arbeiten, dass jede*r geschützt werden kann“, so die Ingenieurin.

Einer Studie aus dem Jahr 2019 zufolge werden Frauen bei einem Frontalcrash zu 73 Prozent häufiger verletzt als Männer. Außerdem ist die Wahrscheinlichkeit, bei einem Unfall ein Schleudertrauma zu erleiden, aufgrund der Morphologie ihres Halses und der Gestaltung der Nackenstützen in Autos doppelt so hoch.

Volvo arbeitet mit weiblichen Crashtest-Dummies

In Schweden setzt bereits der Autokonzern Volvo die von Linder entwickelten weiblichen Crashtest-Dummies ein. Verpflichtend ist der Einsatz von weiblichen Dummies in Europa jedoch nicht. Linder hofft, dass sich die „Kultur ändert“ und diese bald verpflichtend werden. Auch die ÖAMTC-Verkehrspsychologin Marion Seidenberger setzt sich seit längerem für weibliche Crashtest-Dummies ein. "Ansonsten lassen sich keine validen Daten zu körperlichen Unfallfolgen für die Mehrheit der Frauen im Straßenverkehr erheben."

In Graz wurde unterdessen im Rahmen des EU-Projekts VIRTUAL das erste Menschmodell einer „Durchschnittsfrau“ entwickelt, die bei Simulationen zur Fahrzeugsicherheit eingesetzt werden soll. Generell könnte es künftig auch in die Richtung gehen, dass mehr mit Computersimulationen gearbeitet wird als mit Crashtest-Dummys, denn so lassen sich auch Situationen außerhalb der "Standardszenarien" berücksichtigen.

➤ Mehr lesen: Wie Autos für Frauen sicherer werden können

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Barbara Wimmer

shroombab

Preisgekrönte Journalistin, Autorin und Vortragende. Seit November 2010 bei der Kurier-Futurezone. Schreibt und spricht über Netzpolitik, Datenschutz, Algorithmen, Künstliche Intelligenz, Social Media, Digitales und alles, was (vermeintlich) smart ist.

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