Emerald Horizon Entwicklungsleiter Mario Müller beim Experimentieren

Emerald Horizon Entwicklungsleiter Mario Müller beim Experimentieren

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Science

Wie es mit sicherer Atomkraft aus Österreich vorangeht

Flüssigsalzreaktoren sind die große Hoffnung, wenn es darum geht, Atomkraft auszubauen und dabei dennoch keine Unfälle mit Kernschmelze à la Tschernobyl oder Fukushima befürchten zu müssen. Statt mit Uran arbeiten sie mit dem schwach strahlenden und auf der Erde reichlich vorkommenden Material Thorium. Um von fossilen Energieträgern wegzukommen, wird weltweit intensiv an Flüssigsalzreaktoren geforscht. Das Unternehmen Emerald Horizon will bei der Entwicklung ganz vorne dabei sein.

Reaktor im Schiffscontainer

Im September 2022 hat die Grazer Firma, die bislang Photovoltaikanlagen errichtet und betrieben hat, seine Pläne für ADES vorgestellt, eine "Accelerator Driven Energy Source". Ein Teilchenbeschleuniger soll Thorium in einem ringförmigen Reaktor mit Neutronen beschießen und es so zu einem spaltbaren Uran-Isotop umwandeln. Bei der darauf folgenden Spaltung des Urans soll enorm viel Wärmeenergie freigesetzt werden, die man zur Erzeugung von Strom oder Wasserstoff nutzen kann. Der Prozess erzeugt keine Kettenreaktion und lässt sich jederzeit stoppen. Auch Jahrtausende strahlender Atommüll fällt dabei nicht an. Emerald Horizon will sein System platzsparend in einem Schiffscontainer unterbringen.

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Aufbau von ADES: Teilchenbeschleuniger und Reaktor in einem Container, Umwandlung in Strom oder Wasserstoff in weiteren Modulen

Aufbau von ADES: Teilchenbeschleuniger und Reaktor in einem Container, Umwandlung in Strom oder Wasserstoff in weiteren Modulen

Wichtige Teile schon vorhanden

Seit der Vorstellung von ADES habe man Fortschritte auf jeder Ebene erzielen können, sagt Emerald-Horizon-Gründer Florian Wagner. In Graz werde derzeit ein Forschungs- und Entwicklungszentrum mit mehreren Laboren errichtet, alle relevanten Bauteile für den Reaktor seien vorhanden, für den Teilchenbeschleuniger gebe es nun einen Zulieferer. Die Finanzierung sei dank einer engen Zusammenarbeit mit der Bernard Gruppe gesichert. Das Tiroler Ingenieurunternehmen bringt Erfahrung bei Kraftwerksbau und Wasserstoff mit. 37 Personen seien derzeit bei Emerald Horizon beschäftigt. Nach einer Kapitalerhöhung sollen es bald 100 sein. Langfristig wird ein Börsengang angestrebt.

Das Forschungs- und Entwicklungszentrum von Emerald Horizon vor der Einrichtung

Das Forschungs- und Entwicklungszentrum von Emerald Horizon vor der Einrichtung

Ergänzung und zweites Standbein

Auch das Produktportfolio wurde erweitert. Ein Hochtemperatur-Flüssigsalzspeicher namens CALstore soll Strom in bis zu 500 Grad Celsius Wärme umwandeln. In einem Schiffscontainer soll man so 5.000 Kilowattstunden speichern können. Der Speicher lässt sich auch als Stand-alone-Lösung ohne ADES verwenden, erklärt Wagner, etwa zur Speicherung von Wind- oder Solarenergie. Man könnte es auch als zweites Standbein betrachten, falls aus ADES nichts wird.

Rendering eines CALstore Hochtemperatur-Flüssigsalzspeichers

Rendering eines CALstore Hochtemperatur-Flüssigsalzspeichers

Ersatz für Kohle und Gas

Florian Wagner ist jedenfalls völlig vom Potenzial des Reaktors überzeugt: "Man kann sich nicht vorstellen, welchen gewaltigen globalen Einfluss ADES haben könnte." Kohle- und Gaskraftwerke könnten damit ersetzt, Schiffe angetrieben und Krankenhäuser mit leistungsfähiger Notstromversorgung ausgestattet werden. Im Kampf gegen den Klimawandel könnten Flüssigsalzreaktoren laut Wagner entscheidend sein. Wasser-, Wind- und Solarkraft alleine betrachtet der Firmengründer als unzureichend für die Energiewende. "Wir verstehen Photovoltaik und wissen, was die Technologie kann und nicht kann." Spätestens 2029 soll ein Prototyp von ADES fertig sein.

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Korrosion und Regulierung problematisch

An einem Flüssigsalzreaktor mit Teilchenbeschleuniger, allerdings in etwas größeren Dimensionen, arbeitet auch das Schweizer Unternehmen Transmutex. Es sei eine von vielen möglichen Bauweisen für Thorium-Reaktoren, erklärt Eileen Langegger vom Atominstitut der TU Wien. "Die ersten Projekte dazu gab es schon in den 60er-Jahren. Es gibt sehr viel Forschung und viele neue Projekte dazu." Es gebe aber noch Herausforderungen, die nicht gelöst seien. Salze können Reaktorwände stark angreifen, weshalb man intensiv an neuen Materialien forschen müsse. Außerdem gebe es noch große regulatorische Hürden.

Wird noch ein Weilchen dauern

Erste Prototypen von Flüssigsalzreaktoren in moderner Bauweise gebe es bereits, etwa in China. Sie seien aber noch nicht in Betrieb. Das Potenzial von Thorium-Reaktoren sei tatsächlich groß. Sie seien wesentlich sicherer als klassische Kernreaktoren und werfen weniger gefährlichen Müll ab. "Es gibt eine ganze Reihe an Spaltprodukten, aber der Vorteil ist, dass man sie aus dem Salz herausziehen und getrennt lagern kann." Statt Atommüll, der 100.000 Jahre lebensgefährlich bleibt, müsste man Müll aus Thorium-Reaktoren "nur" 300 Jahre abgeschirmt lagern. Das sei immer noch lange, aber machbar. Bis erste Thorium-Reaktoren ans Netz gehen, werde es aber noch eine Weile dauern. Frühestens sei damit in 20 bis 30 Jahren zu rechnen.

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David Kotrba

Ich beschäftige mich großteils mit den Themen Mobilität, Klimawandel, Energie, Raumfahrt und Astronomie. Hie und da geht es aber auch in eine ganz andere Richtung.

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