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Wie Forscher irdische Mikroorganismen im Weltraum erkennen

Als die Kamera der zurückgekehrten Mondsonde Surveyor 3 der Apollo-12-Mission zur Strahlungsmessung abgebaut wurde, wurden in deren Isolierung Bakterien entdeckt. Nach der ersten Überraschung stellte sich heraus, dass es sich dabei nicht um außerirdische, sondern um Bakterien von der Erde handelte. Diese waren zuvor auf die Hardware gelangt und haben zwei Jahre lang am Mond überlebt. 

Generell könnten bestimmte Mikroorganismen trotz Vakuum, extremer Temperaturschwankungen und einer hohen Strahlenbelastung im All bis zu 45 Jahre überleben, wie ein jüngeres Experiment auf der Internationalen Raumstation ISS gezeigt hat. Dieses wurde mit besonders robusten Bakterien der Gattung Deinococcus durchgeführt, die im Gegensatz zum Menschen eine 3.000-fache Gammastrahlung überstehen können.

Künstlich kontaminieren

Damit fremde Planeten im Zuge von Weltraummissionen nicht mit irdischen Mikroorganismen kontaminiert werden, ist also größte Vorsicht geboten. Denn laut dem Direktor des Österreichischen Weltraum Forums (ÖWF) Gernot Grömer könnten Forschungsdaten aufgrund einer Kontamination schlichtweg verfälscht werden: „Von der wissenschaftlichen Seite aus gesehen würden wir eine 100-Milliarden-Dollar-Mission in den Sand setzen, wenn wir etwa Bodenproben vom Mars auf Lebensspuren untersuchen und sie mit irdischen Mikroorganismen kontaminieren“, sagt er der futurezone.

AMADEE-15-Simulation im August 2015 am Kaunertaler Gletscher 

Um das Risiko einer Verunreinigung jederzeit gering zu halten, wurde am ÖWF die „künstliche Kontamination“ entwickelt. Diese Fluoreszenzmikroskopie ist eine der erfolgversprechendsten Methoden, die international zum Einsatz kommt. „Dabei können wir Flächen, mit denen wir Bodenproben berühren, mit verschiedenen Partikeln und Chemikalien imprägnieren bzw. bestreichen, sodass diese im Fluoreszenzlicht sichtbar werden. Wenn wir diese Partikel in der Gesteinsprobe wiederfinden, wissen wir, dass sie durch uns kontaminiert ist“, erklärt der Forscher.

Keimschleuder Mensch

Die Methode eignet sich unter anderem auch bei Landeplattformen für bemannte Missionen, die 70 bis 80 Tonnen wiegen sollen. Kleinere Sonden und Roboter hingegen werden vor ihrem Abflug in Reinräumen von Menschen in spezieller Kleidung zusammengebaut und nach strengen Vorschriften sterilisiert. 

Die Mikroorganismen können vom Menschen selbst stammen. „Im Körper gibt es genauso viele Bakterien wie Körperzellen. Wenn wir also Bodenproben auf dem Mars angreifen und beispielsweise ein Zellwandfragment finden, müssen wir sichergehen, dass es sich dabei nicht um einen mitgebrachten blinden Passagier handelt“, sagt Grömer. Mit der künstlichen Kontamination sei auf einem Blick ersichtlich, ob es sich bei einem Fund um fremdes Leben oder etwa eine menschliche Hautschuppe handelt.

Das Verfahren soll in Zusammenarbeit mit der Europäischen Weltraumorganisation im Rahmen der aktuell in Verhandlung stehenden „ESA_Lab@AT“-Initiative weiter perfektioniert werden.

Bakterien-Katalog

Doch auch andere Maßnahmen sorgen für korrekte Forschungsdaten. „Seit ein paar Jahren nehmen wir auch einen Katalog mit Bakterien auf, die mitfliegen“. So wisse man, welche man selbst in den Weltraum mitgebracht hat. „Es werden Abstriche von Sonden gemacht, die ins All starten“, sagt der Astrophysiker. Zwar verändern sich auf den Reisen aufgrund der Strahlung die Mutationszyklen der Bakterien, groß sei ihre Veränderung aber nicht, wenn sie auf dem jeweiligen Planeten landen. Daher  könnten sie einfach wieder identifiziert werden.

Die Erforschung und Entwicklung solcher Hygiene-Verfahren ist generell ein junges Feld. Laut Grömer würden auf dem Mars heute etwa neun Tonnen an von Menschen stammenden Geräten herumliegen, wobei die Hälfte davon nicht sterilisiert worden sei. „Das war in den 1970ern kein Thema“. Eine Kontaminationsgefahr ist dennoch unwahrscheinlich: „Die Umwelt des Mars ist für die meisten Lebensformen von der Erde lebensbedrohlich – der Rote Planet ist für fast alle irdischen Bakterien hochtoxisch, sodass sie nach ein paar Minuten tot wären“, sagt Grömer.

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Resiliente Bakterien

Lediglich ein paar wenige, äußerst resiliente Bakterien würden sich dort wohlfühlen. Etwa Bakterien aus dem Grönlandeis oder jene, welche im Kühlwasser von Nuklearreaktoren leben. „Diese Bakterien könnten am Mars überleben, sind aber nicht sehr verbreitet. Das Risiko ist also überschaubar“, beruhigt der Forscher.

Umgekehrt ist auch bei der Ankunft von Proben von anderen Planeten auf die Erde größte Vorsicht geboten. Die Gesteinsproben vom Mars etwa, die der NASA-Rover Perseverance einsammelt, werden frühestens 2026 in einem Container auf die Erde landen. Anders als auf unserem Planeten, wo ein vielseitiges Ökosystem zu finden ist, seien außerirdische Ökosysteme eintöniger und daher empfindlicher. Grömer: „Das Öffnen des Containers findet daher unter kontrollierten Bedingungen in einem abgeschlossenen Reinraum statt.“

NASA lässt Sonde abstürzen

13 Jahre lang umkreiste die Sonde Cassini den Saturn. Nicht nur den Planeten erforschte sie, sondern auch seine Ringe und Monde. Um zu verhindern, dass die betagte Sonde, die kaum noch über Treibstoff verfügte, etwa ins Meer des Saturnmondes Enceladus fällt, entschied sich die US-Raumfahrtbehörde NASA im September 2017 für ein außergewöhnliches Manöver.

„Die NASA hat die Sonde kontrolliert in die Atmosphäre des Saturn abstürzen lassen, wo sie schließlich verglüht ist“, erklärt der Astrophysiker Gernot Grömer vom Österreichischen Weltraum Forum.

Mikrobisches Leben

Mit diesem Manöver wollte man verhindern, dass das Wasser durch irdische Mikroorganismen, die an der Sonde haften könnten, verunreinigt wird. Denn: „Es ist möglich, dass im Meer von Enceladus mikrobisches Leben vorhanden ist. Cassini hätte das Meer dort kontaminiert, was nicht absehbare Folgen ausgelöst hätte“, ergänzt der Wissenschafter.

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Andreea Bensa-Cruz

Andreea Bensa-Cruz beschäftigt sich mit neuesten Technologien und Entwicklungen in der Forschung – insbesondere aus Österreich – behandelt aber auch Themen rund um Raumfahrt sowie Klimawandel.

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