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Science

Tonga-Vulkanausbruch war stärkste Eruption seit Krakatau 1883

Einen Knall, wie er sich am 15. Jänner beim gewaltigen Ausbruch des Untersee-Vulkans Hunga Tonga-Hunga Ha'apai nahe Tonga im Südpazifik ereignete, hat die Welt seit der Krakatau-Eruption im Jahr 1883 nicht mehr erlebt. Der Tonga-Ausbruch war größer als jedes andere Ereignis, das mit modernen geophysikalischen Methoden aufgezeichnet wurde, so ein internationales Forschungsteam. Die atmosphärischen Schockwellen wanderten vier Mal um die Welt, heißt es im Fachblatt „Science“.

Der großen Eruption am 15. Jänner gingen bereits messbare seismische Aktivitäten ab dem 18. Dezember 2021 voraus, schreiben die Forscher*innen um Erstautor Robin Matoza von der University of California (USA). Neben vielen weiteren Wissenschafter*innen war auch der bei der in Wien ansässigen Organisation zum Atomteststoppvertrag (CTBTO) tätige Pierrick Mialle an den Analysen beteiligt. Um den 13. Jänner wurde die Umgebung des nur 65 Kilometer nördlich von Tongas Hauptstadt Nuku'alofa gelegenen Vulkans unruhiger.

Atmosphärische Lamb-Welle entdeckt

Am 15. Jänner spielte sich dann innerhalb einer halben Stunde eine „komplexe Eruptionssequenz“ und keine einzelne Explosion ab. Das zeige sich in den Schockwellen, die in der Luft, im Wasser oder auch mit Erdbebenmessgeräten weltweit aufgezeichnet wurden, und sich als vielschichtig erwiesen. Die Explosionswolke erreichte immerhin Höhen von mehr als 30 Kilometern über dem Meeresspiegel. Das Ereignis wurde auch von Wettersatelliten registriert.

Am prominentesten wurde eine atmosphärische Lamb-Welle registriert. Dabei handelt es sich um eine Schockwelle, bei der Schwingungen entlang der Ausbreitungsrichtung, aber auch senkrecht auftreten. Solche Wellen im niedrigfrequenten Bereich von weniger als 0,01 Hertz treten nur bei sehr großen Explosionen in der Atmosphäre wie bei Atombomben oder eben Vulkanausbrüchen auf, heißt es in der Arbeit. Im Falle der Hunga-Eruption wurden solche Wellen, die sich in etwa mit Schallgeschwindigkeit fortbewegen, innerhalb von sechs Tagen an Messstellen rund um die Welt mindestens vier Mal registriert.

Tsunami forderte 36.000 Todesopfer

Das lasse darauf schließen, dass die Schockwellen mit jenen vom verheerenden Krakatau-Ausbruch im Jahr 1883 vergleichbar waren, der inklusive anschließendem Tsunami über 36.000 Todesopfer forderte, so die Wissenschafter*innen. Die Lamb-Welle nach dem 15. Jänner war jedenfalls deutlich größer als jene, die der Mount St. Helens-Ausbruch in den USA im Jahr 1980 auslöste. Vergleichbar sei sie mit jener nach dem Test der Zar-Atombombe der UdSSR mit einer Sprengkraft von rund 58 Megatonnen im Jahr 1961 - der größten je von Menschen verursachten Detonation. Die 2022er-Welle brachte aber eine weit länger andauernde Luftdruck-Veränderung mit sich als die Einzelexplosion in der russischen Arktis.

Auf die Lamb-Wellen folgten dann weithin detektierbare Infraschallwellen im für Menschen nicht hörbaren Bereich zwischen 0,01 bis rund 20 Hertz. Hörbar war die Eruption laut Berichten sogar noch im rund 10.000 Kilometer entfernten Alaska, was sich auch in Mikrofon-Aufzeichnungen nachvollziehen ließ. Beim Krakatau-Ausbruch gab es hingegen „nur“ ungefähr 4.800 Kilometer weit Explosionen zu hören. Das könnte aber auch daran liegen, dass die Bevölkerungsdichte mittlerweile deutlich gestiegen ist und solche Berichte heutzutage weit leichter ausgetauscht werden können, räumen die Forscher*innen ein.

Zwei Haupteruptionen

Wie stark die Lamb-Welle war, lasse sich auch daran ablesen, dass sie beispielsweise bei Messgeräten in rund 50 Meter Wassertiefe nahe dem über 17.000 Kilometer von Tonga entfernten Stromboli-Vulkan (Italien) registriert wurde. Die seismischen Aufzeichnungen des Ereignisses lassen darauf schließen, dass es zwei Haupteruptionen gab und der Ausbruch über längere Zeit hinweg mehrere Phasen durchlief. Im Pazifik erreichten erste Tsunami-Wellen zum Teil zwei Stunden früher die Küsten als eigentlich zu erwarten war, schreiben die Wissenschafter*innen, die die Daten von zahlreichen Messstationen zusammentrugen und analysierten. Veränderungen des Meeresspiegels wurden aber auch in der Karibik und im Mittelmeer registriert, obwohl es dorthin keinen direkten Seeweg gibt.

Damit im Zusammenhang stehen ebenso die atmosphärischen Schockwellen. In einer weiteren „Science“-Publikation bringen japanische Forscher*innen um Tatsuya Kubota in Simulationen die sehr früh auftretenden Wellen im pazifischen Raum mit den sich rasch fortbewegenden Lamb-Wellen in Verbindung. Insgesamt sehe man hier, dass Tsunamis nach Vulkanausbrüchen mitunter komplexer sind und auch länger dauern können als nach Erdbeben. Die neuen Erkenntnisse sollten demnach in Frühwarnsystemen berücksichtigt werden.

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