Vulva-Raumschiff statt Penis-Rakete: Konzept für mehr Diversität
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Dass Raketen phallisch aussehen, ist keine Neuigkeit. Das aktuell prominenteste Beispiel ist vermutlich die Penis-Rakete von Jeff Bezos' Raumfahrtfirma Blue Origin (wir erklären hier, warum sie so aussieht).
Die deutsche Künstlerinnen-Gruppe "Wer braucht Feminismus?" fand, das muss nicht sein. Mit einem Vulva-Raumschiff hat sie Aufmerksamkeit erregt.
"Wir wollen die Gleichstellung der Geschlechter im Kosmos wiederherstellen", sagt eine Frau in einem Video, die als Lucia Hartmann, Leiterin von WBF Aeronautics, bezeichnet wird. Dieses Weltraumunternehmen gibt es natürlich nicht - dahinter steckt die Gruppe "Wer braucht Feminismus?".
Hartmann sei bei der Konzeption des Vulva-Spaceships federführend gewesen, heißt es. Bei ihrer Forschung zu effizienterem Raumschiffdesign sei sie zum Schluss gekommen, dass man nachhaltigere Raumkapseln konstruieren könnte, wenn man die traditionelle Formen hinter sich lasse, erklärt sie.
Effizientes Design
"Die Form des Raumschiffs ist überraschend aerodynamisch und erzeugt weniger Luftwiderstand beim Durchbrechen der Erdatmosphäre", behauptet Hartmann im Video. Die Windtunnel-Tests hätten gezeigt, dass das Design deutlich effizienter sei als traditionelle Raumschiffe. Die V-Form garantiere eine effiziente Kraftstoffnutzung. Für die äußere Hülle ist eine Verkleidung aus Kohlefaser vorgesehen, um den extremen Temperaturen standzuhalten.
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Mit einer Petition wollte man außerdem die Europäische Raumfahrtagentur ESA für das Design begeistern. Die Nachricht war aufregend genug, dass sie viele Medien übernahmen und sie es bis in die USA zur The Late Night Show mit Stephen Colbert schaffte.
Aktion für Gleichberechtigung
Inzwischen wurde die Aktion mit einem Video aufgelöst. Statt ein echtes Raumschiff ins All zu schicken, wollte man sehr konkrete Probleme auf der Erde aufzeigen. Wie Jasmin Mittag von "Wer braucht Feminismus?" der futurezone im Gespräch erklärt, spiegelt die Raumfahrt viele Probleme wider, die Frauen in der Gesellschaft haben.
So waren nur 12 Prozent der Menschen, die bisher im All waren, Frauen. Begehrte Positionen werden hauptsächlich mit Männern besetzt. "Wenn wir andere Planeten besiedeln wollen, müssen wir erst die Probleme hier auf der Erde erkennen. Denn diese werden sich sonst im Weltraum multiplizieren", sagt die Aktivistin.
"Feminismus ist kein Witz"
Beim Design suchte die Gruppe nach einer Balance zwischen überspitzter Darstellung, und "State of the Art", damit es gerade noch "echt" genug wirkt, um "Fragezeichen zu produzieren", beschreibt Mittag. Die Reaktionen darauf waren entsprechend gemischt, denn bis zur Auflösung hatten viele Berichte das Konzept für wissenschaftlich oder zumindest den Vorschlag für ernsthaft gehalten.
Das zog auch viele Hasskommentare und noch mehr halbgare Witze mit sich. Häufig erklärten User*innen Offensichtliches, etwa dass es "einen Grund gibt, warum Raketen wie ein Penis aussehen". Sie machten sich über Feminismus lustig, nannten die Gruppe "dumm" oder fragten: "Das soll wohl ein Scherz sein?" Jasmin Mittag nimmt das nach 10 Jahren feministischem Aktivismus nicht mehr wahr, betont aber: "Das Projekt ist eine Gratwanderung. Feminismus ist kein Witz, sondern wir machen mit humoristischen Mitteln auf ein Problem aufmerksam, ohne es ins Lächerliche zu ziehen."
Mehr Diversität
Das Konzept des Vulva-Raumschiffs selbst soll vor allem ein Gedankenanstoß sein, mit Traditionen zu brechen. Verantwortliche sollten nicht alles für selbstverständlich nehmen, sagt die Aktivistin. "Wir und unser Projekt sind nicht gegen etwas, sondern eine Ergänzung. Wir wollen nicht andere Raumschiffe aus dem Weltraum verbannen, sondern so viele verschiedene wie möglich dort sehen. Es geht uns um Diversität."
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Aufholarbeiten bei NASA und ESA
Weltraumagenturen arbeiten in den vergangenen Jahren verstärkt daran, mehr Gendergerechtigkeit zu erreichen. Die NASA möchte mit der Artemis-Mission erstmals eine Frau auf den Mond bringen. Der aktuelle Korps besteht aus 16 Frauen und 32 Männern. Mit der Plattform "Women in NASA" wird die Arbeit von Frauen zusätzlich hervorgehoben.
Die ESA hat mit Samantha Cristoforetti derzeit nur eine Astronautin im aktiven Korps. Bei der jüngsten Ausschreibung für Astronaut*innen erhielt man immerhin 24 Prozent Bewerbungen von Frauen. In der vorherigen Bewerbungsrunde waren es nur 15 Prozent. Mit dem EDGE-Zertifikat (Economic Dividends for Gender Equality) will die ESA weiter daran arbeiten, Gendergerechtigkeit in der Europäischen Weltraumagentur herzustellen.
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