Schnellladestationen erzeugen viel Hitze, die in nahen Gebäuden zur Warmwasseraufbereitung genutzt werden kann

Schnellladestationen erzeugen viel Hitze, die in nahen Gebäuden zur Warmwasseraufbereitung genutzt werden kann

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Science

E-Autos: Schnellladestationen könnten Häuser heizen

Menschen, die ein E-Auto schon mal an einer Schnellladestation aufgeladen haben, wird wahrscheinlich schon aufgefallen sein, dass sie ein deutliches Lüftergeräusch von sich geben. Dass Ventilatoren brummen, ist notwendig, um Wärme abzutransportieren, die in den Ladesäulen entsteht. Anstatt diese Wärme einfach in die Luft zu blasen, könnte man sie aber auch sinnvoll verwerten. Genau das wird im Forschungsprojekt NECST versucht.

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10 Kilowatt Wärmeenergie pro Ladevorgang

"Die Wärme entsteht durch die Spannungsumwandlung und die Leistungselektronik in den Schnellladestationen", erklärt Projektleiter Michael Waltenberger vom Grazer Forschungszentrum Virtual Vehicle. "Bei Ladeleistungen zwischen 150 und 300 Kilowatt und Verlusten zwischen 5 und 10 Prozent kommen ungefähr 10 Kilowatt Abwärme heraus. Das ist so viel wie bei 3 Backöfen, die voll aufgedreht sind."

Dass man so viel Wärme verschenkt, wirke laut Waltenberger "in der heutigen Zeit fehl am Platz". Dazu komme das Lärmproblem: "Das Lüftergeräusch kann man noch in 20 Meter Entfernung wahrnehmen." Für Menschen in der unmittelbaren Umgebung kann das sehr störend sein. Das Errichten von Schnellladestationen in dicht besiedelten Gebieten wird dadurch problematisch.

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Über Fußbodenheizungen kann die Wärme von Schnellladestationen kontinuierlich abgegeben werden

Über Fußbodenheizungen kann die Wärme von Schnellladestationen kontinuierlich abgegeben werden

Wasserkühlung mit Leitung zum Gebäude

Die Lösung, die im Projekt NECST erarbeitet wird, besteht aus einer Wasserkühlung für Schnellladestationen. Das darin erwärmte Wasser wird an nahe Gebäude weitergeleitet. Dort kann es zum Heizen verwendet werden. Das warme Wasser wird bis in den Heizungsraum zu einem Wärmetauscher geleitet. Die Abwärme kann so in eine Fußbodenheizung fließen. Bei jedem Ladevorgang würde etwas Wärme dazukommen. Waltenberger: "Dass das schubweise passiert, ist egal, weil eine Fußbodenheizung wie eine Art Speicher wirkt. Der Boden gibt die Wärme mit der Zeit ab."

Eine andere Möglichkeit, die Wärme zu nutzen, ist die Warmwasseraufbereitung. Im Gegensatz zur Heizung benötigt man die das ganze Jahr. "Wenn eine Schnellladestation pro Tag 10 Mal E-Autos volllädt, könnte man 20 Personen mit Warmwasser versorgen", sagt der Experte. Je nach Standort werden die Ladestationen aber auch wesentlich öfter pro Tag benutzt. Auch hier sei der Zeitpunkt der Ladevorgänge und der Einspeisung dank Warmwasserspeichern egal.

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Einsparungen und Investitionskosten

Wenn man durch diese Art der Warmwasseraufbereitung beispielsweise einen elektrischen Boiler ersetzt, könne man enorme Einsparungen erzielen, meint Waltenberger. Wenn man mit 25 Cent pro Kilowattstunde rechne, käme man auf 3.500 bis 7.000 Euro Stromkostenersparnis und 3,2 bis 7 Tonnen weniger CO2-Emissionen pro Jahr bei durchschnittlichem europäischen Strommix. Die Rechnung sei für Energieversorger interessant, die Zusatzeinnahmen zu eigenen Schnellladestationen generieren könnten, indem sie die gelieferte Wärme mit Gebäudebesitzer*innen abrechnen.

Natürlich erfordere es höhere Investitionen, um eine Schnellladestation mit Abwärmenutzung auszustatten. "Zwischen 10.000 und 70.000 Euro sind dafür schon notwendig, auch, weil man viel aufgraben muss", sagt Waltenberger. Klarerweise bedarf es an Abnehmern für die Wärme in der Nähe. "Im Projekt werden bis zu 100 Meter überbrückt. Mit der Distanz steigt aber die technische Herausforderung. Wegen der Wärmeverluste müsste man etwa die Dämmung von Rohrleitungen dick ausführen."

Parkplätze eisfrei halten

Im Projekt NECST werden an 4 Standorten Anlagen zur Demonstration des Prinzips errichtet. Nicht bei allen wird die Wärme in Gebäuden genutzt. In einem Fall etwa wird die Wärme durch den Wasserkreislauf in den Boden abgegeben. Auch das sei künftig eine Verwendungsmöglichkeit. "Man kann damit die Parkplätze bei den Ladestationen beheizen und sie dadurch im Winter schnee- und eisfrei halten." Auch Hybridsysteme, die mehrere Nutzungsmöglichkeiten für die Abwärme eröffnen, seien denkbar.

Erkenntnisse, die bei NECST gewonnen werden, könnten in Zukunft auch bidirektionales Laden effizienter machen. Wenn an Ladestellen angeschlossene E-Autos bei kurzfristigem Bedarf Strom in das Netz einspeisen, um es zu stabilisieren, könnten Teile der Verluste in Form von Abwärme wieder zurückgewonnen werden.

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Elektromobilität komfortabler und leiser machen

Indem man Ventilatoren durch eine Wasserkühlung ersetzt, will das Projektteam aber auch einen Beitrag zur Verbreitung der Elektromobilität leisten. "Im innerstädtischen Raum gibt es überall normale Tankstellen. Für die Elektromobilität wird man so etwas auch brauchen", sagt Waltenberger. Stadtbewohner*innen stünde oft keine Lademöglichkeit in einer Garage oder am Arbeitsplatz zur Verfügung. Schnellladen sei für sie eine praktische Alternative. Die sei aber wiederum nur dann attraktiv, wenn sie in der Nähe verfügbar ist und keine akustische Belästigung für Anwohner*innen darstellt.

Das vom Klimafonds geförderte Projekt NECST läuft noch bis Ende 2024. Ein Nachfolgeprojekt, bei dem es um noch höhere Lade- und Wärmeleistungen geht, ist bereits in Planung. Am aktuellen Projekt beteiligt sind neben Virtual Vehicle: Kostad Steuerungsbau, Energienetze Steiermark, ASFINAG, TIWAG, iDM Energiesysteme und das Institut für Wärmetechnik der TU Graz. 

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David Kotrba

Ich beschäftige mich großteils mit den Themen Energie, Mobilität und Klimaschutz. Hie und da geht es aber auch in eine ganz andere Richtung.

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