Unter der Außenhülle des Raumanzugs wird noch eine Kühlunterwäsche getragen.

Unter der Außenhülle des Raumanzugs wird noch eine Kühlunterwäsche getragen.

© NASA

Science

Weltraumtechnik: Unterhosen, die man nicht waschen muss

Im Weltall gibt es keine Waschmaschine, und Wechselkleidung ist rar. Die Astronaut*innen auf der Internationalen Raumstation ISS gehen daher sparsam mit ihrer Wäsche um. Unterwäsche wird alle 2 bis 3 Tage gewechselt, Sporthosen und T-Shirts trägt man auch schon mal einen Tag länger. Arbeitskleidung wird im Schnitt alle 10 Tage gewechselt. Das kann zum Problem werden - nicht nur was den Geruch, sondern auch die Gesundheit betrifft.

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“In der Schwerelosigkeit funktioniert Bakterienwachstum besser als auf der Erde”, erklärt Gernot Grömer vom Österreichischen Weltraumforum (ÖWF) der futurezone. “Gleichzeitig ist das Immunsystem des Menschen durch die Schwerelosigkeit geschwächt. Das führt dazu, dass es zu gröberen Infektionen kommen kann.” Um das zu verhindern, forschte das ÖWF gemeinsam mit dem Vienna Textile Lab im Rahmen eines Projekts der europäischen Raumfahrtorganisation ESA daran, Textilien im Weltraum noch hygienischer zu machen. Inspiration holten sie sich aus der Natur - vom Rotrücken-Waldsalamander.

Vergleichbar mit einem Standardantibiotikum

Auf der Haut des Salamanders, der in Nordamerika beheimatet ist, hat sich nämlich ein Bakterium eingenistet. Dieses sondert einen Stoff namens Violacein ab, das wie ein Antibiotikum andere Bakterien fernhält. Wird ein Kleidungsstück mit diesem Violacein imprägniert, haben andere Bakterien darauf ebenfalls keine Chance. “Wir haben es mit einem Standardantibiotikum verglichen und gleiche Effekte gesehen. Es war wirklich außergewöhnlich”, sagt Grömer. 

Violacein wird selbst von Bakterien hergestellt.

Violacein wird selbst von Bakterien hergestellt.

Wie man im Weltraum Wäsche wäscht

Das Leben auf der internationalen Raumstation ISS muss man sich ein bisschen wie einen lagen Campingtrip vorstellen. Haare werden mit Trockenshampoo gewaschen, für den Körper gibt es einen Waschlappen. 

Wäschewaschen ist auf der ISS nicht möglich. Zu wertvoll ist das Wasser und zu eng ist es auf der Station. “Selbst bei ISS-Langzeitmissionen ist es effizienter, Wäsche hinaufzubringen und wieder abholen oder in der Atmosphäre verglühen zu lassen”, erklärt Grömer der futurezone.

Erst wenn eine Crew länger als ein Jahr im Weltraum bleibt, würde sich eine Waschmaschine auszahlen. “Es gibt aber auch die Möglichkeit, mit CO2 zu waschen”, erklärt Grömer. Dieses wird in Form von Trockeneispartikeln auf die Kleidung gesprüht und sprengt beim Verdampfen den Schmutz regelrecht weg. “Es ist quasi kärchern im Weltraum”, vergleicht es Grömer.

Und wenn man die Wäsche einfach ins All hängen würde? Das würde zwar die Bakterien abtöten, aber der Dreck bliebe trotzdem zurück, so Grömer. Zudem sei das auf dem Mond oder Mars nicht möglich. “Der Regolithstaub dort ist der natürliche Feind von Astronaut*innen. Das Pulver ist feiner als Mehl, teilweise toxisch und kann bis tief in die Lunge dringen”, erklärt der Astrophysiker. Man sollte daher auf jeden Fall vermeiden, dass Kleidungsstücke mit dem Staub kontaminiert werden.

Besonders interessant ist die Entwicklung für das Innere von Raumanzügen. Ein Raumanzug muss nämlich mehrmals und oft auch von mehreren Personen verwendet werden. Unter der äußeren Hülle des Anzugs tragen Raumfahrer*innen eine Unterwäsche mit Wasserkühlung, die ebenfalls geteilt wird. Diese soll die Astronaut*innen vor einem Hitzschlag schützen. Ein Raumanzug ist nämlich zu 100 Prozent dicht, wodurch sich die gesamte Körperhitze im Anzug ansammelt. Trotz der niedrigen Umgebungstemperatur kann die Wärme allerdings nur sehr langsam entweichen. Das Vakuum des Weltalls verhindert die Wärmeleitung, Wärme kann nur durch Strahlung abgegeben werden. Dementsprechend schweißtreibend sind auch die Arbeiten, die im Raumanzug verrichtet werden müssen.

Raumfahrer Alexander Gerst in seiner Kühlunterwäsche.

Raumfahrer Alexander Gerst in seiner Kühlunterwäsche.

Um Bakterienbildung zu vermeiden, habe man in den Textilien bisher Silberfäden eingewebt. Diese gelten als antibakteriell und antimikrobiell, das gleiche Prinzip wird auch bei speziellen Socken gegen Schweißfüße angewandt. Silberfäden haben allerdings einen Nachteil: Sie haben bei Langzeitnutzung einen gewissen Abrieb, die Nanopartikel können sogar in die Blutbahn gelangen. “Langzeitstudien zu diesen Nanopartikeln im Körper gibt es nicht”, gibt Grömer zu bedenken. 

Auch für den Einsatz auf der Erde denkbar

Mit Violacein können außerdem eine Vielzahl an Stoffen imprägniert werden. Handtücher, T-Shirts, Unterwäsche - alles, was mit der menschlichen Haut in Kontakt kommt, kommt dafür infrage. In der zweijährigen Testphase prüfte das ÖWF das Mittel auf Hautverträglichkeit, Entflammbarkeit und setzte es hoher Bestrahlung aus. Es überzeugte dabei auf ganzer Linie. “Unser Ziel ist, dass Violacein künftig bei Mond- und Marsmissionen zum Einsatz kommt”, sagt Grömer.

Die erste Bewährungsprobe muss Violacein aber bereits 2024 bei der Mars-Simulation AMADEE-24 in Armenien bestehen. Bei dieser Trockenübung werden einen Monat lang Materialien getestet, Analysen durchgeführt und Mängel in Systemen gesucht.

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Laut Grömer soll die antibakterielle Kleidung allerdings nicht nur auf das Weltall beschränkt sein. Besonders im Pflegebereich oder Krankenhäusern kann sich der Astrophysiker eine Verwendung vorstellen. Bei dem Test war außerdem wichtig, dass sich durch das Volacein keine Antibiotikaresistenzen entwickeln, sagt Karin Fleck, Gründerin des Vienna Textile Labs, zur futurezone. Auch die Kultivierung der Bakterienstämme stelle mittlerweile kein Problem mehr dar, als Nahrung dient ihnen Zucker und sogar Abfälle aus der Landwirtschaft. Die Kooperation mit der ESA sei für die Vienna Textile Labs ein Glücksfall gewesen: "Da sieht man erst, wie viel die ESA im Hintergrund forscht, was nichts mit Raketen und Satelliten zu tun hat", meint Fleck.

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Marcel Strobl

marcel_stro

Ich interessiere mich vor allem für Klima- und Wissenschaftsthemen. Aber auch das ein oder andere Gadget kann mich entzücken.

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