Die chemische Zusammensetzung pflanzlicher Wirkstoffe wird untersucht.
Gesundheitsbooster: Die Wissenschaft hinter pflanzlichen Wirkstoffen
Gegen jedes Leid ist ein Kraut gewachsen, sagt der Volksmund. Die Aussage hat zumindest einen wahren Kern. “Potenziell 10 Prozent aller bekannten Pflanzenspezies - also knapp 30.000 - haben Inhaltsstoffe, die eine positive Wirkung auf Menschen und Tiere haben. Aber nur ein Bruchteil davon ist tatsächlich erforscht”, sagt Julian Weghuber, Leiter des Center of Excellence für Lebensmitteltechnologie und Ernährung an der FH ÖO in Wels.
Forscher Julian Weghuber.
© Weghuber
“Wir haben hier eine ganze Bibliothek an pflanzlichen Extrakten” sagt Weghuber. " In unseren Tiefkühlschränken lagern 1.000e Extrakte - tiefgefroren bei -80 Grad Celsius." Im Josef-Ressel-Zentrum für Phytogene Wirkstoffforschung untersuchte Weghuber das Potenzial pflanzlicher Wirkstoffe, die etwa in Nahrungsergänzungsmitteln zum Einsatz kommen.
"Was passiert auf zellulärer Ebene?"
Diese pflanzlichen Wirkstoffe, auch als Phytogene oder Phytamine bezeichnet, sind nicht mit Vitaminen zu verwechseln. Bei Vitaminen handelt es sich nämlich um Stoffe, die der Körper nicht selbst herstellen kann und braucht, damit keine Mangelerscheinungen auftreten. Phytogene sind nicht unbedingt für Körperfunktionen nötig, sie können allerdings der Gesundheit zugutekommen, indem sie etwa Entzündungen entgegenwirken oder schädliche "freie Radikale" stoppen.
“Uns interessieren dabei die grundlegenden Mechanismen: Was passiert auf zellulärer, was auf molekularer Ebene?”, sagt Weghuber. Um das herauszufinden, entwickelte man im JR-Zentrum maßgeschneiderte Forschungsmethoden. Durch In-Vitro-Untersuchungen können sozusagen im Reagenzglas Extrakte relativ schnell auf ihre Wirkung untersucht werden. Hat man eine gewünschte Wirkung gefunden, wird weitergetestet - etwa in Fadenwürmern, Fruchtfliegen, Hühnerembryos und Mäusen. Am Ende der Kette stehen, wie in der Arzneimittelbranche auch, klinische Studien an Menschen und Fütterungsversuche an Tieren.
Untersuchung des Fadenwurms Caenorhabditis elegans.
© Christian Doppler Gesellschaft
Die Qualität muss stimmen
Mit Medikamenten lassen sich diese pflanzlichen Wirkstoffe aber dennoch nicht vergleichen. Diese Naturstoffe bestehen nämlich aus vielen Substanzen, deren Konzentrationen auch stark abweichen können, je nachdem, wie und wo sie gewachsen sind. “Der Reifungsprozess hat etwa großen Einfluss auf die Wirkstoffkonzentration”, sagt der Experte. Bei Medizinprodukten ist allerdings streng geregelt, welche Wirkstoffe in welcher Konzentration vorhanden sein müssen. “Daher gibt es nur wenige Pharmaprodukte mit Pflanzenextrakten”, sagt Weghuber.
Weghuber und sein Team führen daher auch Qualitätskontrollen durch, um zu sehen, in welcher Konzentration ein Wirkstoff überhaupt z. B. in einem Ergänzungsmittel enthalten ist. Und anders als Pharmaprodukte haben diese den Vorteil, dass sie als Lebensmittel gelten und ebenso als solche verkauft werden dürfen.
© Christian Doppler Gesellschaft
Einsatz in der Landwirtschaft
In der Landwirtschaft werden solche Wirkstoffe etwa als Futtermittelzusätze eingesetzt, um Tiere stressresistenter zu machen oder weniger Entzündungen aufkommen zu lassen. “Da kann man mit wenig Einsatz sehr gute Ergebnisse erzielen”, so Weghuber. “Wenn man dadurch in der Hähnchenmast etwa 3 Prozent weniger Ausfälle hat, merkt man das auch finanziell.”
Die genaue Wirkung von solchen Zusätzen ist allerdings oft noch unklar. “Wir konnten etwa zeigen, wie genau ein Extrakt aus Magnolienbaumrinde gegen Entzündungen hilft”, sagt Weghuber. Oder dass Guavenextrakt die Aufnahme von Glukose unterdrückt, wodurch Blutzuckerspitzen reduziert werden können.
Heimische Superfoods
Handelt es sich bei manchen Lebensmitteln also wirklich um Superfoods, wie uns die Werbung weismachen will? “Superfood ist ein Marketingbegriff, der hauptsächlich für exotische Lebensmittel eingesetzt wird”, sagt Weghuber. “Man kann die gleichen Effekte mit heimischen Nahrungsmitteln erzielen.” Traubenkernextrakte hätten etwa eine ähnliche antioxidative Wirkung wie Aroniabeeren aus Nordamerika.
Auch Trendbegriffe wie Bitterstoffe oder Polyphenole werden gerne verwendet, um Nahrungsergänzungsmittel besser zu vermarkten. “Viele der Pflanzenwirkstoffe sind tatsächlich Polyphenole, das ist eine riesige Gruppe”, weiß der Experte. Dazu zählt etwa auch Curcumin, der Hauptwirkstoff aus der Kurkuma-Pflanze. Ihm werden ebenfalls antioxidative und entzündungshemmende Eigenschaften nachgesagt. “Die Frage bei Curcumin ist aber: Wie sieht es mit der Bioverfügbarkeit aus? Kann der Körper den Stoff auch gut aufnehmen und verwerten oder kann man das irgendwie begünstigen?”, sagt Weghuber.
In einem neuen JR-Zentrum unter der Leitung von Bernhard Blank-Landeshammer, das erst heuer ins Leben gerufen wurde, soll genau diese Frage auf den Grund gegangen werden. Industriepartner des JR-Zentrums für Innovative Bioverfügbarkeits-Forschung sind, wie bereits beim JR-Zentrum für Phytogene Wirkstoffforschung, das Futtermittelzusatzstoff-Unternehmen Agromed Austria GmbH und das Nahrungsergänzungsmittel-Unternehmen PM-International AG.
Mit CDG-Preis ausgezeichnet
Für seine Forschung erhielt Weghuber in der vergangenen Woche erst den CDG-Preis für Forschung und Innovation 2025. Wirtschaftsminister Wolfgang Hattmannsdorfer und CDG-Präsident Martin Gerzabek gratulierten dem Preisträger.
Wirtschaftsminister Wolfgang Hattmannsdorfer, Preisträger Julian Weghuber und CDG-Präsident Martin Gerzabek.
© Mirjam Reither
Gleichzeitig feierte die Christian Doppler Forschungsgesellschaft auch ihr 30-jähriges Bestehen. In den vergangenen 3 Jahrzehnten hat die Gesellschaft rund 300 CD-Labors und rund 40 JR-Zentren an über 40 Universitäten, Fachhochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen im In- und Ausland gefördert. Aktuell sind jährlich mehr als 100 CD-Labors und knapp 20 JR-Zentren mit etwa 1.400 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und über 200 Unternehmenspartnern aktiv.
Dieser Artikel entstand im Rahmen einer Kooperation mit der Christian Doppler Forschungsgesellschaft (CDG).
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