Neue Fotos: Rätselhaftes Roboter-U-Boot Huilong hat Torpedoröhren
Erst vor einem Jahr hat Taiwan sein erstes, selbstgebautes U-Boot enthüllt: das Hai Kung SS-711. Neben regulären U-Booten, entwickelt und baut Taiwan aber auch unbemannte Gefährte.
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Eines ist Huilong, auch bekannt als Smart Dragon. In den vergangenen Tagen sind neue Fotos und Videos des Uncrewed Underwater Vehicle (UUV) aufgetaucht. Eine Privatperson hat diese bei einer Werft aufgenommen.
Besonders spannend sind die Fotos, die Huilong im Trockendock zeigen. Hier ist zu sehen, dass es 2 Torpedoröhren hat. Vor dem Bug steht eine orangefarbene Ladevorrichtung, mit der üblicherweise Torpedos in die Röhren geladen werden.
Auf weiteren Fotos ist das X-förmige Ruder am Heck gut zu erkennen. Immer mehr moderne U-Boote setzen auf das X-förmige Ruder. In den USA wird etwa die Columbia-Klasse so eines haben, in China die Zhou-Klasse, die kürzlich in der Werft gesunken ist.
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Durch das X-förmige Ruder soll die Manövrierfähigkeit, Effizienz und Sicherheit der U-Boote erhöht werden. Der Propeller hat 5 Flügel, die eine markante eckige Form haben.
Ein Video zeigt, wie das UUV im Wasser von Technikern inspiziert wird. Danach wird von einem anderen Schiff ins Meer hinausgezogen.
Größe
Anhand der neuen und älteren Fotos lassen sich ungefähr die Maße von Huilong bestimmen. Es ist in etwa 30 Meter lang, 3,6 Meter breit und inklusive des Turms 6 Meter hoch. Die Verdrängung wird auf 100 Tonnen geschätzt.
Huilong ist ziemlich groß für ein unbemanntes U-Boot. Schon bei früheren Aufnahmen fragte man sich, warum ein UUV mit solchen Dimensionen gebaut wird. Die jetzt sichtbaren Torpedoröhren scheinen die Lösungen dafür zu sein.
Damit könne der Smart Dragon nicht nur zur Aufklärung genutzt werden, sondern auch defensiv und offensiv agieren. Taiwans größte Bedrohung ist eine chinesische Invasion – und Taiwans Flotte ist der chinesischen zahlenmäßig weit unterlegen. Das gilt auch für U-Boote. Taiwan hat aktuelle 5 U-Boote, wovon das neueste noch in der Erprobungsphase ist. China hat über 60 aktive U-Boote und mehrere, die sich gerade im Bau befinden.
Torpedos, Minen und kleine UUVs
Huilong könnte, wenn es mit Torpedos bewaffnet ist, als Begleitschiff für bemannte U-Boote dienen und so deren Schlagkraft erhöhen. Es könnte aber auch selbstständig agieren, patrouillieren und weitgehend autonom chinesische Schiffe und U-Boote bekämpfen.
Statt Torpedos könnte es 2 kleinere UUVs an Bord haben. Diese könnten zur erweiterten Aufklärung genutzt werden. Falls sie einen Sprengkopf haben, könnten sie auch wie smarte Torpedos agieren. Mit den Torpedoröhren können außerdem auch Seeminen platziert werden, etwa um es chinesischen Landungsschiffen zu erschweren, die Küste Taiwans zu erreichen.
Jedenfalls wäre es weitaus günstiger ein UUV statt ein reguläres U-Boot zu bauen – und schneller. Sollte China seine Drohungen wahrmachen und bis 2030 eine Invasion starten, muss Taiwan schnell seine Flotte aufstocken, um den Überfall standhalten zu können.
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Nur ein Testbett?
Der taiwanische Verteidigungsminister wurde bei einem Mediengespräch nach Huilong gefragt. Demnach sei das UUV nur ein „Testbett, speziell für Sonar- und Unterwasserminen.“ Der Smart Dragon habe zwar einen Propeller, aber kein Antriebssystem. Deshalb würde Huilong bei den Tests im Meer von einem anderen Schiff gezogen werden.
Diese Aussage deckt sich zumindest mit den Annahmen einiger Rüstungsexperten. Weil Huilong ungewöhnlich groß für ein UUV in dieser Bauform ist, wurde bereits angenommen, dass es ein Testbett für Elektronik, Sonar, Antriebs- aber auch Waffensysteme sein könnte. Dass Huilong in dem Video ins Meer geschleppt wurde, stützt die Aussage, dass es keinen eigenen Antrieb hat.
Gelogen hat der Verteidigungsminister also nicht – aber womöglich den Smart Dragon bewusst heruntergespielt. Es wurde nur über den aktuellen Ist-Zustand geredet, nicht über das, was Huilong künftig sein soll.
So könnte es sich aktuell um Schlepptests handeln, um die hydrodynamischen Eigenschaften des UUVs zu untersuchen. Dabei werden auch Sonarmessungen durchgeführt, um einen Basiswert für die Lautstärke zu ermitteln, bevor ein Antrieb eingebaut wird. Womöglich wurde dabei auch getestet, wie stark Seeminen auf die Huilong ansprechen. Moderne Minen mit Abstandszünder reagieren auf das Magnetfeld, die Geräusche oder den Wasserdruck, der durch Schiffe ausgelöst wird, bzw. nutzen eine Kombination aus diesen Zündern.
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Weiterentwicklung zur Serienreife
Die Frage ist: Was kommt danach? Laut Militärexperten sei denkbar, dass sich Huilong nach und nach zu einem serienreifen UUV weiterentwickeln wird. Bleibt die Größe ähnlich wie jetzt, könnte es direkt von Häfen auslaufen. In einer kleineren Variante könnte es am Rücken von bemannten U-Booten transportiert werden, bis es zum Einsatz kommt. Das würde die Reichweite erhöhen, macht aber für Taiwan nicht besonders viel Sinn, da die potenziellen Invasoren ohnehin direkt vor der sprichwörtlichen Haustüre hocken.
Sollte der Smart Dragon serienreif werden, so eine gängige Hypothese, soll er universal einsetzbar sein. Anstatt nur eine Aufgabe zu erfüllen, kann er, aufgrund der Torpedoröhren, relativ einfach missionsspezifische Ladung mitführen. Wie zuvor erwähnt, könnten das Minen, kleinere UUVs und Torpedos sein. Aus Torpedoröhren könnten sich auch Marschflugkörper starten lassen, um Landziele anzugreifen.
Eine mögliche Taktik könnte dann sein, viele Huilongs bei vielen kleineren Inseln Taiwans zu „parken“. Sollte China wirklich angreifen, können sie aktiviert werden, um wichtige Ziele aus einer für China unerwarteten Richtung, bzw. von mehreren Seiten gleichzeitig anzugreifen. Zu solchen Prioritätszielen gehören Chinas Flugzeugträger und amphibische Landungsschiffe.
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Doch kein unbemanntes U-Boot?
Einigen Berichten zufolge könnte Huilong aber gar kein echtes UUV sein. Demnach sei eine Crew von 2 bis 4 Personen vorgesehen. Damit würde Huilong in etwa den nordkoreanischen Mini-U-Booten der Yono-Klasse entsprechen. Diese sind 22 Meter lang und haben getaucht eine Verdrängung von etwa 120 Tonnen. Üblicherweise haben sie 4 Mann Besatzung. Bewaffnet sind sie mit 2 Torpedoröhren im Kaliber 533mm.
Das ist generell plausibel, aber eher unwahrscheinlich. Taiwan setzt stark auf Drohnen und autonome Kriegsgeräte – ein bemanntes Mini-U-Boot wirkt da wie ein Rückschritt. Möglich wäre, dass es eine bemannte Version von Huilong gibt, um die Systeme und Steuerung zu testen, bevor dann eine komplett unbemannte Variante in See sticht.