Digital Life

Stealth-Fighter F-35 schießt nach 8 Jahren endlich geradeaus

Die F-35 gilt als der derzeit modernste Kampfjet im Einsatz. Der US-Stealth-Fighter hat aber schon etliche Pannen hinter sich.

Eine dieser Pannen wurde erst jetzt beseitigt – 8 Jahre, nachdem die F-35A bei der US Air Force in Dienst gestellt wurde. „Wir können jetzt berichten, dass die Bordkanone verbessert wurde und effektiv ist“, sagt Russ Goemaere, Sprecher für das F-35-Programm, gegenüber tzw.com.

Dass das solange gedauert hat, liegt nicht nur an einem, sondern an einer Serie von Problemen, die mit der Bewaffnung aufgetreten sind.

➤ Mehr lesen: F-35: Nur die Hälfte der Stealth-Fighter ist einsatzfähig

Probleme beim Zielen

Die F-35A der Air Force ist die einzige Variante des Stealth-Fighters, die eine eingebaute Bordkanone haben. Bei der F-35B der Marines und F-35C der Navy, die beide für den Einsatz auf Flugzeugträgern gedacht sind, ist die Kanone nicht intern. Hier kann sie als Pod unter dem Rumpf montiert werden, was aber den Radarquerschnitt erhöht und somit die Tarnkappenfähigkeit reduziert.

Schon 2016, also im Jahr der Indienststellung der F-35A, wurden Probleme mit der Bordkanone bemerkt. Üblicherweise haben Flugzeuge ein Head-up Display (HUD). Dieses projiziert Informationen und das Fadenkreuz für die Bordkanone vor das Cockpitfenster. Bei der F-35 gibt es kein HUD. Die Informationen werden stattdessen über Displays im Pilotenhelm (Head-mounted Display = HMD) eingeblendet.

F-35-Testpilot*innen berichteten, dass die Option Bodenziele mit der Bordkanone anzugreifen, unbrauchbar ist. Tests in diese Richtung fortzusetzen sei potenziell gefährlich. Grund dafür seien die Symbole im HMD, die das Ziel und andere Informationen überdecken und schwer zu lesen sind. Zudem sei der angezeigte Zielpunkt nicht stabil – er würde über „flattern“, anstatt dort zu bleiben, wo er hingehört.

Auch für den Luftkampf sei die Bordkanone nur beschränkt zu gebrauchen. Der Zielpunkt sei nicht verlässlich, wenn ein feindliches Flugzeug getrackt wird. Weil alle F-35-Varianten HMDs nutzen, betrafen diese Probleme nicht nur die interne Bordkanone der F-35A, sondern auch die Pod-Kanonen der F-35B und F-35C.

➤ Mehr lesen: Chinesische KI entwickelt überraschende Taktik für Hyperschall-Luftkampf

Kanone schießt nicht gerade aus

Es dauerte bis 2020, bis die HMD-Probleme mit einem Softwareupdate gelöst werden. Bis das dann soweit war, traten neue, gravierende Probleme mit der GAU-22/A, der Bordkanone der F-35A, auf.

GAU-22/A

Die Aufhängung der Kanone war nicht in einer Linie mit der Mündung. Das heißt: Die GAU-22/A schießt nicht dahin, wo sie soll. In einem Bericht des US-Verteidigungsministerium aus dem Jahr 2020 heißt es dazu: „Basierend auf Tests mit der aktuellen F-35A, ist die Präzision der Bordkanone inakzeptabel.“ Als Gegenmaßnahme wurden alle GAU-22/A in den F-35As neu ausgerichtet.

Test der GAU-22/A am Boden

Kanone beschädigt das eigene Flugzeug

Die fehlerhafte Aufhängung der Kanone löste ein weiteres Problem aus. Nach Einsätzen, bei denen die GAU-22/A abgefeuert wurde, wurden Risse in der Hülle des Flugzeugs nahe der Mündung entdeckt.

2022 wurden weitere Beschädigungen festgestellt. Neben der Mündung der Kanone befindet sich eine Titanplatte. Diese soll verhindern, dass der Druck und das Mündungsfeuer, das beim Schießen entsteht, das Flugzeug beschädigen. Genau bei diesem Gun Blast Panel wurden Risse festgestellt.

Laut einem Bericht sei der Druck der Kanone größer, als beim Design der Platte vorgesehen wurde. Diese Risse könnten dazu führen, dass die Platte im Flug bricht oder sich löst. Teile davon könnten ins Triebwerk geraten und die F-35A so zum Absturz bringen. Selbst wenn das nicht passiert, würde die fehlende Platte die Stealth-Eigenschaften der F-35A reduzieren, wodurch sie leichter von Flugabwehrraketen erfasst werden kann.

Die Platte wurde etwas umgestaltet, 2023 wurden aber erneut Risse festgestellt. Die Lösung des US-Verteidigungsministeriums dafür: Einfach die Platte austauschen, wenn nach einer Mission Risse darin zu sehen sind.

GAU-22/A ist ein Einzelstück in der Air-Force-Flotte

Auch wenn jetzt offiziell alle derzeit bekannten Probleme der GAU-22/A behoben sind, gibt es weiterhin Kritik an ihr. Diese hat mit dem Design zu tun und der Entscheidung der US Air Force, die ikonische A-10 in Pension zu schicken.

Wie viele aktuelle Bordkanonen für Flugzeuge, ist auch die GAU-22/A eine Gatling Gun. Das heißt sie hat mehrere Läufe, die rotieren. Dadurch wird immer der Reihe nach aus den Läufen geschossen. Das reduziert die Erhitzung und Abnutzung, wodurch höhere Schussraten möglich sind, ohne die Bordkanone zu beschädigen.

Die F-35 ist das einzige Flugzeug der US-Streitkräfte, das die GAU-22/A nutzt. Die übliche Gatling Gun bei den Flugzeugen der US-Streitkräfte ist die M61 Vulcan. Die 20mm-Kanone mit 6 Läufen kommt ua. bei der F-14, F-16, F-18 und F-22 zum Einsatz. 

F-35A kann nur 3 Sekunden lang schießen

Das wirft die Frage der Ökonomie auf. Eine neu produzierte Kanone braucht neue Ersatzteile, neue Schulungen für das Wartungspersonal, neue Tests und, wie man anhand der vielen Probleme gesehen hat, Entwicklungs- und Folgeentwicklungszeit, was alles Geld kostet.

Nötig war die Entwicklung der GAU-22/A, um Gewicht zu sparen. Deshalb hat sie nur 4 Läufe und eine Feuerrate von 3.300 Schuss pro Minute. Die M61 Vulcan kann hingegen mit 4.000 bis 6.000 Schuss pro Minute betrieben werden.

Dieser Nachteil wurde beim Design der F-35A als Vorteil verkauft, um einen anderen Nachteil zu rechtfertigen. Das Magazin der GAU-22/A fasst lediglich 180 Schuss. Das heißt, die F-35A kann nur 3,27 Sekunden schießen, während des gesamten Einsatzes.

GAU-22/A hat eine Abdeckklappe, um stealthy zu sein

Das kleine Magazin ist ebenfalls der Gewichtsersparnis und des Platzmangels geschuldet. Mehr Platz im Innenraum würde heißen, dass die F-35A größer sein müsste oder Ausbuchtungen im Gehäuse bräuchte, was wiederum die Stealth-Eigenschaften reduziert.

Stichwort Stealth: Vor der GAU-22/A befindet sich deshalb eine Abdeckung, die sich nur beim Schießen öffnet und nach dem Schießen wieder schließt. So soll der Radarquerschnitt klein gehalten werden. Denn jede zusätzliche, nicht im Grunddesign bedachte Kante oder Öffnung erhöht den Radarquerschnitt.

Munition kostet 131 US-Dollar pro Schuss

Zum Vergleich: Die F-16 hat 511 Schuss an Bord, die F-22 480 Schuss. Um die geringe Magazinkapazität bei der F-35A zu kompensieren, kommt mit 25mm ein größeres Kaliber zum Einsatz, nach dem Motto: Durchschlagskraft statt hohe Munitionsdichte am Ziel. Aber auch das bedeutet: Es muss neue Munition produziert werden, weil nicht die 20mm-Munition der M61 Vulcan genutzt werden kann.

Die 25mm-Munition im Einsatz hat die Bezeichnung PGU-48/B und wird vom deutschen Unternehmen Rheinmetall gefertigt. Der Wolfram-Kern durchschlägt Panzerung und splittet sich danach in Schrapnell auf, um etwa technische Ausrüstung in Fahrzeugen zu zerstören und Panzerbesatzungen auszuschalten.

Die Munition der GAU-22/A

Ein Schuss kostet 131 US-Dollar. Ein volles Magazin für die F-35A kostet demnach 23.580 US-Dollar – die in 3 Sekunden rausgeblasen sind. Die Standard-20mm-Geschosse, die die Air Force bei ihren anderen Flugzeugen verwendet, kostet hingegen nur 34 US-Dollar pro Schuss. Ein volles 511-Schuss-Magazin der F-16 kostet demnach nur 17.374 US-Dollar.

Ablöse für A-10

Dass die Air Force diese kostspielige Lösung gewählt hat, liegt an den Plänen, die ikonische A-10 abzulösen. Das Bodenangriffsflugzeug befindet sich seit 1976 in Dienst und gilt als veraltet. Bisherige Versuche, sie durch neue Kampfjets zu ersetzen, schlugen aber fehl.

Denn sie ist nicht nur für ihre besondere Robustheit berühmt, sondern auch für ihre Bordkanone GAU-8. Dieses Monstrum einer Gatling-Gun hat 7 Läufe. Mit Magazin ist die Waffe 6,4 Meter lang. Das Gesamtgewicht mit den maximal möglichen 1.350 Schuss im Magazin beträgt über 1,8 Tonnen.

Zum Vergleich: Die Aktuelle A-10C ist 16 Meter lang und hat ein Leergewicht von 11 Tonnen. Daher wird ihr nachgesagt, dass das Flugzeug um die GAU-8 herumdesignt wurde.

GAU-8 versus VW Käfer

30mm-Geschosse mit Urankern

Die GAU-8 verschisst 30mm-Geschosse. Derzeit sind 2 Typen im Einsatz, die im Verhältnis 4:1 ins Magazin geladen werden. Nach 4 PGU-14/B (panzerbrechendes Brandgeschoss mit abgereichertem Urankern) folgt ein PGU-13/B (hochexplosives Brandgeschoss). Die effektive Reichweite liegt bei 1,2 Kilometer, die maximale Reichweite bei 3,6 Kilometern.

Die Schussrate beträgt 3.900 Schuss pro Minute. Mit der Standard-Beladung von 1.174 Schuss im Magazin kann die A-10 also 18 Sekunden lang schießen. Der A-10 wird nachgesagt, dass sie mit dieser Feuerkraft nicht nur einzelne Panzer, sondern ganze Kolonnen effektiv bekämpfen kann.

Gegen moderne Kampfpanzer scheint das nicht zuzutreffen: Die 30mm-Geschosse haben eine Durchschlagskraft von etwa 59mm Panzerstahl, beim üblichen 30-Grad-Angriffswinkel und einer Distanz von einem Kilometer.

Russische T-72 und T-90 haben eine dickere Panzerung – aber nicht überall. Durch die hohe Feuerrate könnten die vielen 30mm-Geschosse weniger gepanzerte Stellen treffen, die Ketten sprengen oder andere Systeme zerstören, die zwar nicht den Panzer explodieren lassen, aber ihn im Gefecht unbrauchbar machen. Im Militärjargon spricht man dann von einem „technischen Kill“.

➤ Mehr lesen: Ukrainischer Bradley gegen T-90: Videospiele halfen bei "unmöglichem" Sieg

Wozu überhaupt eine Bordkanone in der F-35A?

Dass die F-35A mit ihrer GAU-22/A, die ein kleineres Kaliber, eine geringere Schussrate und nur 180 Schuss im Magazin hat, der A-10 nacheifern kann, ist illusorisch. Die Air Force rechtfertigt sich damit, dass die A-10 heutzutage ohnehin primär gelenkte Gleitbomben und Luft-Boden-Raketen einsetzt, anstatt die Bordkanone. Das könne die F-35A auch – die außerdem viel weniger anfällig für moderne Bodenabwehr ist, aufgrund ihrer Stealth-Eigenschaften.

So betrachtet macht das Sinn, wirft aber die Frage auf, wozu die F-35A überhaupt eine Bordkanone bekommen hat, die noch dazu bisher nur Probleme gemacht hat. Um einen anonymen F-35A-Piloten zu zitieren: „Weil es sich ein Sesselpupser-General, der seit 30 Jahren nicht mehr in einem Cockpit war, beim Anforderungskatalog für die F-35 so eingebildet hat.“

Bis 2028 sollen alle A-10 ausgemustert werden. Dass die F-35A dann die Nahbereich-Bodenunterstützung übernehmen wird, ist eher unwahrscheinlich. Rüstungsexpert*innen gehen davon aus, dass die Air Force dafür zukünftig Drohnen, insbesondere Loyal-Wingman-Drohnen, einsetzen wird.

➤ Mehr lesen: Boeings Stealth-Kampfdrohne MQ-28 Ghost Bat zeigt sich in den USA

Klicken Sie hier für die Newsletteranmeldung

Hat dir der Artikel gefallen? Jetzt teilen!