ZTZ-201: Chinas neuer Hybrid-Panzer wirft Fragen auf
China bereitet gerade seine größte Militärparade seit Jahren vor. Am 3. September 2025 jährt sich zum 80. Mal der Sieg über Japan im Zweiten Weltkrieg.
Im Rahmen der Vorbereitung für die Parade taucht seit Wochen neues Kriegsgerät auf. Jetzt gibt es auch neue Bilder und Details zu Chinas modernem Hybrid-Kampfpanzer. Dieser wird vorerst von Beobachtern ZTZ-201 bzw. ZTZ-20 genannt. Der offizielle Name ist noch nicht bekannt.
In einem Video ist zu sehen, wie mehrere ZTZ-201 die geplante Parade-Route entlangfahren. Sie haben die Nummern LZ161 bis LZ164. Danach folgen die ebenfalls neuen Schützenpanzer, mit den Nummern LZ171 bis LZ174.
Plug-In-Hybrid
Genauso wie der Name, sind auch die technischen Angaben zum ZTZ-201 noch nicht offiziell. Daher sind die bisher durchgesickerten Informationen mit Vorsicht zu genießen. Demnach nutzt der Panzer einen Hybridantrieb, bestehend aus Dieselmotor, Akkusystem und 2 Elektromotoren.
Das Antriebssystem soll so eine Leistung von 1.500 PS haben. Es soll ein Plug-In-System sein. Das heißt: Die Akkus werden extern geladen, anstatt durch einen Dieselgenerator. Dies deutet darauf hin, dass der ZTZ-201 die Elektromotoren nutzt, bis die Akkus leer sind, dann übernimmt der Dieselmotor. Der Dieselmotor könnte womöglich auch bei höheren Belastungen (hohe Geschwindigkeit, steiles Gelände) zusätzlich aktiv werden.
Auf der Straße soll der ZTZ-201 eine Maximalgeschwindigkeit von 80 km/h erreichen, im Gelände 50 km/h. Zur maximalen Reichweite gibt es keine Angabe.
Leichter Kampfpanzer als Novum am Schlachtfeld
Laut Informationen soll der ZTZ-201 35 bis 40 Tonnen wiegen. Das ist sehr leicht für einen Kampfpanzer. Der amerikanische M1A2 Abrams bringt über 61 Tonnen auf die Waage, Chinas Type 99A 55 Tonnen.
Damit wäre der ZTZ-201 im Englischen ein Medium Tank – eine Kategorie, die im Zweiten Weltkrieg geläufig war, aber eigentlich seit den 60er-Jahren nicht mehr existiert. Zeitweise werden noch ältere Generationen von Kampfpanzern, die unter der 50-Tonnen-Grenze liegen, als Medium Tanks bezeichnet, wie etwa der Leopard 1.
Im Deutschen gibt es derzeit keinen gängigen Ausdruck für solche Panzer, am ehesten passt hier leichter Kampfpanzer. Moderne Kampfpanzer, die in die 30-bis-40-Tonnen-Klasse fallen, gibt es derzeit nicht. Die US-Armee hat mit dem M10 Booker einen Panzer, der in die Kategorie fällt. Allerdings wurden nur 80 Stück davon gebaut, das Projekt wurde Anfang Mai 2025 gestrichen.
Mobilität statt Panzerung
Die Idee hinter einem leichten Kampfpanzer ist, dass höhere Mobilität gegen Schlagkraft und Panzerung eingetauscht wird. Ein leichterer Panzer ist nicht nur schneller, sondern kann auch einfacher von Schiffen und Flugzeugen transportiert werden und z.B. einige Brücken nutzen, für die ein klassischer Kampfpanzer zu schwer wäre.
Damit dürfte klar sein, warum China gerade jetzt einen leichten Kampfpanzer baut: die angedrohte Invasion von Taiwan. Nachdem die Type 05 Amphibienpanzer die erste Landungswelle bilden, könnten die ZTZ-201 mit Landungsschiffen und Hovercrafts folgen.
Durch ihre hohe Geschwindigkeit an Land sollen die ZTZ-201 schnell von der Küste aus vorstoßen und verhindern, dass Taiwan seine Kampfpanzer in günstige Positionen bringt, um die nächsten Landungswellen abzuwehren, die aus Type-99-Kampfpanzern und anderem schweren Gerät bestehen würden.
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105mm-Kanone statt 120mm
Wie der M10 Booker soll auch der ZTZ-201 eine Kanone im Kaliber 105mm haben. Das spart Gewicht, reguläre Kampfpanzer sind aktuell mit 120mm- und 125mm-Kanonen bewaffnet. Die geringere Feuerkraft soll durch die technische Weiterentwicklung von panzerbrechenden Geschoßen kompensiert werden.
Das Projektil aus der Kanone des ZTZ-201 soll 1.706 Meter pro Sekunde Mündungsgeschwindigkeit haben. Zum Vergleich: Das Projektil der aktuellen, panzerbrechenden Munition M829A4 des M1A2 Abrams kommt auf 1.650 m/s. Es ist dafür ausgelegt, die Reaktivpanzerung (explodiert beim Aufprall nach außen, um das Geschoß unschädlich zu machen) und Panzerung moderner Kampfpanzer zu durchschlagen.
Querschnitt einer M829A4
© Red Knight 6
Die höhere Geschwindigkeit sagt aber nicht wirklich etwas aus, solange die Masse des Projektils des ZTZ-201 nicht bekannt ist. Wegen des geringeren Kalibers und der damit geringeren Pulvermenge in der Hülse wird das Projektil weniger als das der M829A4 (11kg) wiegen.
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Taiwan nutzt hauptsächlich veraltete Kampfpanzer
Allerdings nutzt Taiwan hauptsächlich Kampfpanzer aus den 50er- und 60er-Jahren: 480 Stück M60A3, 450 Stück CM11 und 250 Stück CM12. Einige der CM11s wurden nachträglich mit Reaktivpanzerung ausgestattet. Ein modernes, panzerbrechendes Geschoß wird diese aber vermutlich trotzdem nicht vollständig abwehren.
Taiwan hat von den USA 108 Stück M1A2T gekauft, eine Exportversion des Abrams. Die erste Tranche wurde bereits geliefert, die letzte soll 2026 ankommen. Beim M1A2T wurde die Panzerung aus abgereichertem Uran durch ein anderes Material ersetzt. Welches genau, ist nicht bekannt. Man kann aber davon ausgehen, dass die M1A2Ts deshalb nicht so gut geschützt sind, wie die regulären M1A2.
Zudem gab es schon im Vorfeld Kritik daran, dass der Abrams zu schwer für einige Brücken und Straßen Taiwans ist, was die Mobilität auf der Insel einschränkt. Der ZTZ-201 könnte ihn also womöglich ausmanövrieren.
Zu wenig Panzerung?
Dennoch betrachten Analysten und Rüstungsexperten den ZTZ-201 kritisch – besonders, was die Panzerung angeht. Auf den neuen Fotos ist etwa zu erkennen, dass die Luken für die Besatzung sehr dünn sind. Zudem scheint der Turm nicht auf beiden Seiten gleich stark gepanzert zu sein. Gerade in Zeiten, in denen man immer mit Angriffen von Kamikazedrohnen, nicht nur von allen Seiten, sondern auch von oben, rechnen müsse, sei dies problematisch.
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Außerdem seien am Turm keine Blowout-Ventile zu erkennen. Diese sollen verhindern, dass, wenn nach einem Treffer die Munition im Inneren des Panzers explodiert, der ganze Turm weggesprengt wird. Die Wucht der Sekundärexplosionen wird durch die Ventile nach draußen geleitet.
Weiters seien an den Seiten des Turmes Scharniere zu erkennen, für Klappen, die sich nach außen öffnen lassen. Dies deutet ebenso auf eine schwache Panzerung hin. Das alles, kombiniert mit der geringeren Durchschlagskraft der Kanone, lässt Analysten stark am ZTZ-201 zweifeln.
Wenn in der Ukraine Kamikazedrohnen, die ein paar Hundert oder Tausend Dollar kosten, sogar T90-Kampfpanzer regelmäßig zerlegen, dürfte der ZTZ-201 besonders leicht zu knacken sein. Und Taiwan setzt bei seinen aktuellen Rüstungsbemühungen stark auf Drohnen, um eine mögliche chinesische Invasion abzuwehren.
Unbemannter Turm
Um für die geringe Panzerung zu kompensieren, setzt der ZTZ-201 auf Hightech. So soll der Turm unbemannt sein. Das heißt: Alle 3 Besatzungsmitglieder sitzen in der Wanne, die bei Panzern prinzipiell stärker gepanzert ist als der Turm. Ein Treffer auf dem Turm würde damit zwar den Panzer unschädlich machen, aber die Crew hat höhere Überlebenschancen.
Unbemannte Türme gelten als die Zukunft im Panzerbau. So wird etwa an einer Leopard-Variante mit unbemanntem Turm gearbeitet und auch der nächste Abrams könnte dieses Feature haben.
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Der einzige Panzer mit unbemanntem Turm, der derzeit bei einer Armee in Dienst gestellt wurde, ist der russische T-14 Armata. Das behauptet zumindest der Hersteller Rostec. Der Panzer wurde bisher noch nicht im Ukrainekrieg gesichtet, stattdessen gibt es immer wieder Berichte über Probleme, die seine Einsatztauglichkeit einschränken.
Aktives Abwehrsystem
Der ZTZ-201 hat zudem ein aktives Abwehrsystem. An 4 Ecken des Turms befindet sich jeweils ein Radar, das heranfliegende Raketen, Geschoße und Drohnen erkennt. Links und rechts gibt es einen Launcher mit je 4 Röhren. Wird eine Bedrohung erkannt, wird diese durch den Launcher abgeschossen, bevor sie den Panzer erreichen kann.
Sieht man sich die Fotos des ZTZ-201 genau an, erkennt man auch, dass das Abwehrsystem links und rechts mit einer Art Chassis am eigentlichen Turm montiert ist. Der Turm selbst ist auffällig schlank, wenn man sich das Chassis wegdenkt. Dieses Chassis könnte gleichzeitig wie eine Knautschzone wirken und so Einschläge am Turm abschwächen und womöglich verhindern, dass die eigentliche Panzerung des Turms durchschlagen wird.
ZTZ-201, verladen auf einem Zug
Augmented Reality und Waffenstation am Turm
Neben dem Radar des aktiven Abwehrsystems hat der ZTZ-201 noch Rundum-Kameras und LiDAR-Sensoren. Die Besatzung soll Augmented-Reality-Headsets nutzen können, die die Bildschirme im Inneren des Panzers ergänzen. Dadurch sollen sie in Echtzeit über Gefahren gewarnt werden, die aus verschiedenen Richtungen kommen.
Am Turm befindet sich eine Waffenstation, die unabhängig vom Turm gesteuert werden kann. Diese ist mit einem Maschinengewehr oder einer Maschinenkanone bestückt. Da die Waffe weit nach oben gekippt werden kann und über ein eigenes optisches Zielsystem verfügt, ist denkbar, dass damit automatisch anfliegende Drohnen bekämpft werden sollen. Das würde die Überlebensfähigkeit gegen Kamikazedrohnen erhöhen. Auch westliche Länder arbeiten an solchen Systemen für Kampfpanzer.
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Die offizielle Enthüllung des ZTZ-201 wird wohl am 3. September stattfinden. Sollten sich die Informationen über die Ausstattung bewahrheiten, hätte China nicht nur weltweit als einziges Land einen leichten Kampfpanzer, sondern auch den modernsten Panzer der Welt, weil er viele Technologien kombiniert, an denen westliche Rüstungskonzerne noch arbeiten – falls der ZTZ-201 einsatzfähig ist. Man kann derzeit nicht ausschließen, dass es sich hierbei nur um einen Prototyp handelt oder ein Mock-up, also einen Panzer, der „verkleidet“ wurde, um so auszusehen, wie später das Serienmodell des ZTZ-201.