Was Tesla anders als die Konkurrenz macht - und was nicht
Der Hype um Tesla und seine Elektroautos ist nun schon seit Jahren ungebremst. Der Tenor: Während das Unternehmen von Elon Musk mit seinen E-Autos der Konkurrenz davonfährt, hecheln die alteingesessenen Autobauer hinterher und schaffen es bisweilen nicht, mit Tesla mitzuhalten.
Vergangenen Herbst konnte ich fünf verschiedene Elektroautos testen: Renault Zoe, VW E-Golf, Hyundai Kona Elektro und Nissan Leaf sowie eine Probefahrt mit einem Audi e-tron; mit etwas Verzögerung und nach einem Importmodell nun auch ein Tesla Model 3 Performance Model. Was ich dabei schnell festgestellt habe: Der Hype um die Tesla-Autos kommt nicht ganz von ungefähr.
Innenraumdesign
Tesla bricht beim Model 3 komplett mit dem traditionellen Innenraumdesign: Während Renault, Nissan, VW, Audi und auch Hyundai weitgehend auf Displays, zahlreiche Schalter und Bedienelemente in der Mittelkonsole und eine gewohnte Instrumententafel setzen, dominiert beim Model 3 ein riesiger Touchscreen den Innenraum. Auf physische und dedizierte Bedienknöpfe verzichtet Tesla komplett. Lediglich am Lenkrad befinden sich zwei Drehregler, mit denen man etwa die Lautstärke und Tempomat-Geschwindigkeit aber auch beispielsweise die Ausrichtung der Seitenspiegel steuert.
Im Gegensatz zum reduzierten Innenraum des Tesla Model 3 wirkt das Interieur der Konkurrenz überladen, aber auch vertraut. Wohl wegen der Angst, Kunden nicht mit einem radikal veränderten Design zu überrumpeln, vertrauen die meisten Autohersteller auf Tradition.
Über die Qualität und der Verarbeitung des Model-3-Innenraums spalten sich die Meinungen. "Sieht billig aus, wirkt nicht hochwertig", meinen die einen. "Das ist aber nobel, richtiger Luxus", meinen die anderen. Mit dem Innenraum eines Audi e-tron kann das Model 3 auch trotz seines futuristischen Designs nicht mithalten. Da versprüht der e-tron schon wesentlich mehr bekannten Luxus. Im Vergleich mit dem E-Golf, sind Verarbeitung und die verwendeten Materialien in etwa gleich auf.
Navigation und Laden
Warum sich die meisten Autohersteller so schwer tun, ein zeitgemäßes Infotainment-System in ihren Autos zu implementieren, ist mir unverständlich. Das beginnt beim Kartenmaterial und dem Navigationssystem.
Gibt man die richtige Adresse ein, hat keines der Fahrzeuge ein Problem, dorthin zu finden. Hat man allerdings die Adresse nicht parat und sucht nach markanten Punkten, etwa einem bestimmten Möbelhaus, einem Einkaufszentrum oder einem Restaurant, dann wissen die meisten Navigationssysteme nur mit Glück, wohin es gehen soll - die Metadaten zu den Adressen fehlen hier häufig. Tesla setzt allerdings beim Kartenmaterial und der Navigation auf Google Maps und kann dadurch ganz leicht zu einem Ziel finden, ohne dass man die genaue Adresse eingeben muss.
Ladeinfrastruktur
Fährt man längere Strecken, kann Tesla den Vorteil seiner hauseigenen Ladeinfrastruktur voll ausspielen. Auch Renault, VW und Hyundai vermerken bei einer Routenplanung, deren Strecke über die vorhandene Reichweite hinausgeht, dass man unterwegs an den Strom muss. Welche Ladestation aber konkret angefahren werden muss, bleibt hier zum Teil ein Rätsel, da die Hersteller nur mit gewissen Ladestationsbetreibern kooperieren und daher nicht alle Ladepunkte anzeigen. Außerdem ist es schwierig herauszufinden, wie hoch die Leistung der Ladestation ist und ob sie überhaupt in Betrieb ist.
Bei Tesla wird das Laden des Fahrzeugs direkt in die Routenplanung integriert: Man bekommt angezeigt, wo man Laden muss, wie hoch die Restreichweite beim Erreichen der Ladestation ist und wie lange man dort das Auto anschließen muss, um das eingegebene Ziel zu erreichen.
Auf den Supercharger-Stationen an der Westautobahn werden 125 kW Energie zur Verfügung gestellt: Eine kleine Jause in der nahe gelegenen Tankstelle kaufen, ein Kaffee trinken, noch auf die Toilette gehen und schon ist das Auto - in ungefähr 45 Minuten - nahezu vollständig aufgeladen.
Praktisch ist zudem, dass man sich an den Superchargern nicht authentifizieren muss. Man steckt das Kabel an, die Ladestation erkennt das Fahrzeug, das eine Kreditkarte hinterlegt hat und schon wird geladen. Der offene Betrag wird automatisch abgebucht. Auf der Strecke Wien-Tirol war eine Supercharger-Ladung notwendige, welche jeweils rund 15 Euro gekostet hat.
Multimedia
Eigentlich bieten alle Hersteller die Möglichkeit, das Smartphone per Bluetooth oder USB mit dem Fahrzeug zu koppeln. Dadurch kann man auf seine gewohnten Musikplayer, Playlists und lokalen Musikdateien zugreifen und im Auto wiedergeben. Ebenso kann bei allen getesteten Fahrzeugen Android Auto genutzt werden, was etwa die Spotify-Wiedergabe erleichtert und auch Vorteile bei der Navigation mit Google Maps bringt.
Online ist man bei den meisten Autos nur über die Mobilfunkverbindung des Smartphones. Das Model 3 hingegen ist permanent per LTE mit dem Internet verbunden. Wie auch beim Handy, hängt die Qualität der Verbindung vom Mobilfunknetz ab, welche gerade in abgelegenen Regionen manchmal zu wünschen übrig lässt.
Beim Tesla Model 3 kann man Android Auto nicht nutzen. Das ist aber kein Problem, da die Multimedia-Wiedergabe vom Infotainmentsystem kaum Wünsche offenlässt. Hat man lokal gespeicherte Musik-Files am Handy oder nutzt man andere Musik-Streamingservices, können diese auch per Bluetooth-Verbindung wiedergegeben werden.
Spotify ist vollständig im Infotainmentsystem integriert. Ist man kein Spotify-Premium-Nutzer, stellt Tesla eine Premium-Version des Streamingservices zur Verfügung. Premium-Nutzer können sich einfach mit ihrem Account einloggen und auf ihre gespeicherten Playlists und Songs zugreifen.
App und Dashboard
Für die Generation Smartphone gehört im Jahr 2019 eine entsprechende App einfach zum Auto dazu. Hier zeigen sich riesige Unterschiede zwischen den einzelnen Herstellern. Hyundai bietet etwa gar keine App an und bei Nissan ist das Online-Dashboard sowie die App stark verbesserungswürdig. Beim Audi e-tron und dem Renault Zoe konnte die App nicht getestet werden.
VW sticht hier positiv heraus und kann in Sachen App und Online-Dashboard auf ganzer Linie punkten: Beim E-Golf lassen sich zahlreiche Funktionen, Routenplanung und Ladevorgänge in der App und auch über den Desktop organisieren. Geplante Routen können etwa von der App oder dem Dashboard ins Auto übertragen werden. Auch die Usability lässt kaum Wünsche offen.
Die App von Tesla wirkt zwar gelungen und verfügt über zahlreiche Funktionen - Klimasteuerung, Ladeverwaltung und Standortanzeige - jedoch lässt auch sie Wünsche offen. Eine Route in der App zu planen und diese dann an das Fahrzeug zu senden, ist beispielsweise nicht möglich. Ebenso wenig gibt es keine Möglichkeit, das Fahrzeug über den Browser am Desktop zu verwalten. Dass sich das Interface der Tesla-App völlig vom Interface des Touchscreens im Fahrzeug unterscheidet, wirkt nicht ganz stimmig.
Der Tesla-App samt Smartphone kommt allerdings eine zentrale Funktion zu: Sie dienen als Schlüssel für das Fahrzeug. Verbindet sich das Telefon per Bluetooth mit dem Auto, können die Türen geöffnet werden. Auch die Summon-Funktion, also das Herbeirufen des Fahrzeugs und das automatische Ausparken werden über die App gesteuert. Alternativ zum Smartphone gibt es für Tesla-Fahrzeuge eine Kreditkarten-große Karte, die als Schlüssel dient.
Reichweite und Motorisierung
Bei der nominalen Reichweite kann dem Tesla Model 3 (530 Kilometer) nur der Hyundai Kona electric (449 Kilometer) annähernd das Wasser reichen. Beide haben eine ähnliche Reichweite nach WLTP. Die anderen getesteten E-Autos haben einen wesentlich kleineren Akku und dementsprechend eine geringere Reichweite. Nur der Audi (95 kWh) könnte aufgrund seiner Batteriekapazität mit dem Tesla Model 3 (75 kWh) mithalten, schafft aber die Reichweite nicht.
Das Tesla Model 3 Performance Model ist im Grunde ein Supersportwagen, der es in 3,4 Sekunden von Null auf Hundert schafft. Zoe, E-Golf, e-tron, Leaf und Kona electric können hier bei weitem nicht mithalten. Das ist im Alltag aber nicht so schlimm, da das Fahrverhalten aller Autos entsprechend angenehm ist und kaum Wünsche offenlässt.
Fahrassistenzsysteme
Tesla ist mit seinem Autopiloten ein Marketing-Gag voll aufgegangen. Im Grunde ist der Autopilot im Moment ja nicht mehr als ein besserer Spurhalteassistent mit adaptivem Tempomat. Auch der Nissan Leaf, der VW E-Golf sowie der Hyundai Kona electric und der Audi e-tron verfügen über Spurhalteassistenten und einem intelligenten Tempomaten. Nur Zoe-Fahrer müssen sich mit einem herkömmlichen Tempomat begnügen.
Der Audi e-tron ist der einzige, der in Sachen Sensoren im Hinblick auf autonomes Fahren mit dem Model 3 mithalten kann. Der größte Unterschied zum Model 3, sind die vollmundigen Ankündigungen von Tesla-Chef Elon Musk und das angebliche Potential, das in der Autopilot-Funktion steckt. Er behauptet ja, dass die Tesla-Fahrzeuge in einigen Monaten komplett autonom fahren können und so gesehen fit für die Zukunft seien.
Was die kommenden Monate, eher die kommenden Jahre in Sachen autonomes Fahren parat halten und welche Hersteller hier die Nase vorn haben werden, wird sich erst mit der Zeit zeigen.
Sonstiges
Der Überwachungsmodus ist eine feine Sache. Potentielle Autodiebe und Vandalismus soll durch den Sentry Mode vorgebeugt werden. Auch wenn er Parkschäden oder ähnliches nicht verhindern kann, ist der Überwachungsmodus in der Lage die Verursacher ausfindig zu machen. Parkt man seine 65.000-Euro-Karre nimmt einem der aktivierte Wächter-Modus einige Sorgen. Allerdings ist das Aufzeichnen von Videos im Rahmen des Sentry Mode in Österreich nicht erlaubt.
Mit versteckten Features, so genannten Easter Eggs, weiß Elon Musk, wie man sich im Gespräch hält. Bis auf die integrierten Atari-Games, haben die Easter Eggs keinen Nutzwert. Diesen kleinen Spaßfaktor vernachlässigen die anderen Hersteller komplett.
Weil es bei unserem ersten Model 3-Test zu kurz gekommen ist: Das günstigste Tesla-Auto hat bei Regenwetter eine Art Konstruktionsfehler beim Kofferraum. Öffnet man den Kofferraumdeckel auf dem sich Regenwasser angesammelt hat, rinnt dieses Wasser auf die Dachfläche, von wo aus es wieder in Richtung offenen Kofferraum rinnt. Das meiste Wasser wird zwar von einer Rinne aufgefangen, doch an manchen Stellen schwappt das Wasser über und platscht in den Kofferraum.
Fazit
Die Situation um Tesla und der Konkurrenz erinnert an den Siegeszug des iPhones: Anfang der Nullerjahre konnten die meisten Handys bereits Fotos machen, Bilder versenden, Musik wiedergeben und sich sogar mit dem Internet verbinden - all diese Features waren jedoch meist nur unzureichend umgesetzt und funktionierten nicht zufriedenstellend. Dann kam das iPhone und revolutionierte den Umgang mit Mobiltelefonen komplett. Viele eingesessene Hersteller konnten nicht mit und verschwanden unterhalb der Wahrnehmungsgrenze.
Mit Tesla und den traditionellen Autoherstellern sieht die aktuelle Situation nun ähnlich aus: Die E-Autos von VW, Audi, Renault, Nissan und Hyundai haben zwar allesamt einen ähnlichen Funktionsumfang, können aber beim Fahrerlebnis - analog zur User-Experience damals am iPhone - nicht wirklich und wenn dann nur zum Teil mithalten.
Während die Infotainmentsysteme von VW, Audi, Hyundai, Nissan und Renault samt Interieur und Bedienung nahezu alle Stückerl spielen, stecken sie immer noch in einem alten Schema fest. Tesla hat nicht das Auto neu erfunden, steckt aber seine smarten Funktionen in eine völlige neue Verpackung, die auf die Smartphone-Generation abzielt und wesentlich zeitgemäßer wirkt.
Da der Automarkt aber nicht ganz so schnelllebig ist wie der Handy-Markt, bleibt den traditionellen Herstellern noch Zeit. Diese sollten sie aber effizient nutzen, um dem US-Autobauer etwas entgegenzusetzen. Denn mit ihrer jahrzehntelangen Erfahrung in der Produktion und der damit verbundenen Skalierbarkeit, können alteingesessenen Hersteller auch die Preis-Karte spielen und ihre Autos deutlich günstiger anbieten - wie es mit Tesla-Gebrauchtwagen, Langlebigkeit und Servicierung aussieht, wird sich ohnehin erst zeigen.
Mit den aktuellen Preisen bleiben die Tesla-Autos Luxusfahrzeuge, die sich nur sehr wenige leisten können. Der aktuelle Hype um das Unternehmen von Elon Musk wird dadurch wohl auch nicht ewig anhalten.
Preis
Die Anschaffung eines Model 3 wird in Österreich staatlich gefördert - und zwar in sämtlichen Modellvarianten. Die Basisversion mit Standard-Reichweite Plus, an deren Preis sich die staatliche Förderung orientiert, kostet 44.500 Euro.
Das Model 3 mit maximaler Reichweite und Allradantrieb kostet ohne Sonderausstattung 54.800 Euro und das Performance-Modell mit Allradantrieb kommt auf 64.600 Euro. Als Leasingvariante der Basisversion gibt Tesla auf seiner Website eine monatliche Rate von 493 Euro an.