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Hype um Rednote: Das kann der TikTok-Konkurrent

Die chinesische Instagram-Alternative erhielt wegen des nahenden Endes von TikTok in den USA enormen Zulauf

Wer in den vergangenen Tagen die Charts in App Store und Playstore abgegrast hat, wird den Newcomer der Woche bereits bemerkt haben. In Märkten wie den USA und auch in den österreichischen Stores ist eine mysteriöse App mit ausschließlich chinesischem Titel bis auf den ersten Platz im Ranking geschossen.

Nutzerinnen und Nutzern, die des Chinesischen nicht mächtig sind, verrät auch ein genauerer Blick in die Beschreibung oder auf die Screenshots nichts über die App mit dem roten Icon. „Kleines Rotes Buch - dein Guide für das Leben“ wird die App übersetzt genannt, im Englischen wird sie vor allem als Rednote bezeichnet. 

Verantwortlich für die mysteriösen Vorgänge ist die Sperre von TikTok in den USA. Was die App bietet, haben wir uns genauer angesehen.

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Ein Schuss ins Rote

Es mutet etwas eigenartig an, eine App herunterzuladen, bei der wir kein einziges Wort verstehen. Sämtliche Beschreibungen, der App-Name, und auch die Screenshots sind Chinesisch. Lediglich der letzte Screenshot in Apples App Store lässt leise erahnen, worum es sich hier handeln könnte. Ein Trailer auf YouTube offenbart aber zumindest ein für einige vertrautes Gesicht. Der französische Fußball-Star Kylian Mbappé macht dort Werbung für die App, in dem er immer wieder den Begriff "Xiaohongshu" nennt.

Xiaohongshu, so der chinesische Name der App, hat mit fast 700 Bewertungen und im Schnitt 4.9 Sternen zwischenzeitlich Platz eins in den amerikanischen und auch österreichischen App-Charts ergattert. Initial als „Hong Kong Shopping Guide“ gestartet, sollte die 2013 ins Leben gerufene App vor allem chinesische Touristen beim Shopping unterstützen. Aufgrund des Fokus auf Fashion und einer überwiegend weiblichen Nutzerbasis wurde die App schnell zur Instagram-Alternative, welches in China gesperrt ist. 

Viele Ähnlichkeiten, wenig Übersetzung

Möchten wir uns in das Abenteuer Rednote stürzen, braucht es zwingend die App (App Store / Google Play Store). Ein Besuch der Webseite lässt zwar einige Inhalte erscheinen, so richtig damit arbeiten können wir aber nicht. Direkt beim Start der App werden wir mit einem „Welcome to Xiaohangshu“ und Links zu Nutzungsbedingungen und Datenschutzerklärungen begrüßt.

Folgen wir diesen Links, landen wir aber nur auf leeren Seiten. Auch sonst hat Rednote neuen Nutzerinnen und Nutzern nicht viel zu erzählen. Haben wir die Bedingungen akzeptiert, landen wir auf einer Seite, auf der wir unsere Interessen auswählen sollen. Dass es sich hier um die Auswahl der Interessen handelt, lässt sich aber momentan nur mithilfe eines Übersetzungstools ermitteln, denn fast alles ist hier auf Chinesisch.

Die 3 Knöpfe, die übersetzt wurden, lassen erahnen, wie sehr man hier mit nicht-chinesischen Nutzerinnen und Nutzern gerechnet hat. „Already hav (sic!) account, to login“ und „4s interests“ finden wir hier vor.

Rednote in Bildern

Chinesisches Instagram oder TikTok-Klon?

Unter den Tags finden sich aber keinerlei englische oder gar deutschsprachige Auswahlmöglichkeiten. Überspringen wir diesen Schritt, landen wir direkt auf der Hauptoberfläche von Rednote. Und tatsächlich: obwohl die App als chinesische Antwort auf Instagram bezeichnet wurde, ist die Ähnlichkeit vor allem zu TikTok groß.

Zentrale Anlaufstelle ist hier die „For You“-Seite, die Videos passend zu unserem Geschmack serviert und sich mit der Zeit immer stärker an unsere Interessen anpasst. Die vorgeschlagenen Videos bei einem frischen Account sind bereits ein bunter Mix aus englischsprachigen TikTok-Refugees, wie sie sich selbst bezeichnen, unzähligen chinesischen Inhalten und dem ein oder anderen deutschsprachigen Video.

Tippen wir auf eines der Videos, rutschen wir dann auch in das von TikTok bekannte Doomscrolling. Mit einem Wischer nach oben gelangen wir zum nächsten Video und können uns so durch tausende Posts scrollen. Auch das Layout innerhalb der Posts ist quasi gleich. Es kann gelikt und kommentiert werden, ebenso gibt es Favorisieren und Teilen.

Gepostet werden können sowohl Videos als auch Fotos. Während Filter hier nicht im Fokus stehen, können wir die Inhalte aber zumindest mit verschiedensten Schriftarten, Stickern und Effekten versehen. Auch Musik lässt sich theoretisch auswählen. Der Katalog kann in Sachen Umfang aber nicht einmal ansatzweise mit TikTok mithalten. Wollen wir einen Post absetzten, müssen wir uns obendrein zwingend mit unserer Telefonnummer verifizieren, sofern dies nicht bereits bei der Erstellung des Accounts erledigt wurde. 

Austausch mit engen Grenzen

Was die Inhalte angeht, ist Rednote momentan vor allem ein Ort der interkulturellen Verständigung. Während auf der einen Seite die eigene Sprache nähergebracht wird, versucht man auf der anderen Seite mehr über die chinesische Kultur zu lernen. Auch Posts zur Flucht von TikTok und die Frage nach Nutzerinnen und Nutzern aus demselben Sprachraum finden sich derzeit gehäuft.

Während die Ähnlichkeiten zu TikTok frappierend sind, unterscheidet sich Rednote bei den Inhalten alleine schon aufgrund der Content-Richtlinien deutlich. So ist etwa die Belustigung über die chinesische Staatsführung nicht erlaubt. Auch Themen wie Transrechte, vulgäre Sprache oder soziale Unruhen sollen zu Löschung der Posts und sogar des gesamten Accounts führen. Besonders restriktiv ist man etwa auch beim Thema Werbung und Verlinkung.

Hinweise auf andere Apps oder gar Webseiten sind nicht erlaubt. Ein Verlinken auf andere Social-Media-Kanäle somit ausgeschlossen. Bisher ist die Content-Moderation aber auch nicht auf nicht-chinesische Inhalte eingestellt. Posts etwa in deutscher Sprache schlüpfen so noch deutlich leichter an den Regeln vorbei.

Eine Welle des Widerstands

Während über die letzten Tage gerade aus den USA, aber auch in anderen Ländern mehrere hunderttausend Nutzerinnen und Nutzern bei Rednote aufgesprungen sind, lässt sich über Sinn und Langlebigkeit des Unterfangens mehr als zweifeln. So betrifft das Thema einer TikTok-Sperre derzeit nur den amerikanischen Markt, während ein Bann etwa in der EU nicht in Aussicht ist.

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Ob diese nach dem Amtsantritt von Donald Trump am 20. Jänner aber überhaupt fortbesteht, ist zumindest zweifelhaft. Darüber hinaus entbehrt es nicht einer gewissen Ironie, dass eine chinesische App, der Spionage, Zensur und die Beeinflussung von Meinung vorgeworfen wird, durch eine andere chinesische App ersetzt werden soll. Dass die Sperre von TikTok auf einem Gesetz, dem Protecting Americans from Foreign Adversary Controlled Applications Act (PAFACA), basiert, das auch für Rednote angewendet werden könnte, ist in diesem einzigartigen Vorgang eine Randnotiz.

Wie schwer es ist, eine Nutzerbasis von einer etablierten Marktmacht zu einer Alternative zu bringen, beweist bis heute das Standing von Twitter/X. Vielmehr darf man diese wohl eher kurzweilige Migrationsbewegung als Mittelfinger Richtung Gesetzgeber in den USA betrachten. Ein Vorgang, aus dem auch andere Staaten ihre Lehren ziehen könnten. 

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Amir Farouk

Early-Adopter. Liebt Apps und das Internet of Things. Schreibt aber auch gerne über andere Themen.

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