100 Jahre Roboter: Maschinen zwischen Killer und Tanzbär
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Heute vor 100 Jahren fand in Prag die Uraufführung des Theaterstücks "R.U.R." statt. Darin erschafft ein Mann namens Rossum künstliche Wesen, die Menschen schwere Arbeit abnehmen können. Die emotionslosen und schmerzunempfindlichen Wesen werden zum Verkaufsschlager und verbreiten sich rasant, während die Menschheit in Komfort schwelgt und dabei ganz auf die Reproduktion vergisst. Angestachelt durch eine Aktivistin erkennen die Roboter ihre Ausbeutung und bringen alle Menschen bis auf einen um. Leider fehlt ihnen das Wissen, um ihre Art zu erhalten, aber ein Roboter-Liebespaar wird zu Adam und Eva für eine neue Form der Zivilisation.
Die "Roboter" in "Rossumovi Univerzalni Roboti" waren eine Wortkreation des Malers Josef Capek, den sein Bruder Karel Capek um eine Bezeichnung für seine Theaterstück-Protagonisten bat. Der Begriff hat sich bis heute gehalten. Mit ihm wurden und werden verschiedenste Hoffnungen, Ängste und Visionen rund um das Schicksal der Menschheit verbunden.
Automaten
Der Begriff "Roboter" existiert zwar erst seit 100 Jahren, das Konzept dahinter gab es aber schon lange davor, erklärt Christian Stadelmann vom Technischen Museum Wien der futurezone. Bis dahin sprach man vom künstlichen Menschen, vom elektrischen Mensch oder vom Androiden. "Die Tradition geht zurück bis zu den Automaten des 18. Jahrhunderts", meint Stadelmann. Damals kam die Faszination an Maschinen auf, die ohne Zutun des Menschen bestimmte Aufgaben verrichten konnten. Ein frühes Beispiel sei etwa die mechanische Ente des französischen Erfinders Jacques de Vaucanson gewesen, die Körner aufpicken, schlucken und sogar "verdauen" und wieder ausscheiden konnte.
Besonders beeindruckend waren Maschinen in humanoider Form. Ein Beispiel dafür sei etwa der Roboter "Automa", der 1849 gebaut wurde. "Der konnte wirklich Flöte spielen, durch Luftdruck aus dem Mund, während die Finger die Löcher der Flöte geöffnet und geschlossen haben. Er hat 12 Musikstücke beherrscht und konnte sich nach der Aufführung sogar von seiner Bank erheben und sich verbeugen", erzählt Stadelmann. Die Maschine ist heute im Technischen Museum Wien zu sehen, wo sie derzeit Teil der Ausstellung "Künstliche Intelligenz?" ist.
Attraktion vs. Dystopie
Roboter waren lange Zeit hauptsächlich Jahrmarktattraktionen. "Man hat immer mehr reininterpretiert als sie tatsächlich konnten", sagt Stadelmann. In der Science-Fiction-Literatur hatten Roboter freilich ganz andere Fähigkeiten. Prägend für ihr Image war Mary Shelleys Roman "Frankenstein". Das Thema Kontrollverlust zog sich durch, auch bei Capek und später z.B. bei Isaac Asimov (die 3 Robotergesetze). "In der Science-Fiction-Literatur ist das immer sehr dystopisch. Der Gedanke, dass Roboter einmal mächtiger als Menschen werden, war weit verbreitet."
Hier habe sich ein klarer Unterschied zu jenen Maschinen aufgetan, die tatsächlich gebaut wurden. "Die waren zwar schon groß und breitschultrig, aber sie waren eher entzückend. Sie haben geraucht, mit Frauen geschäkert, also sehr menschliche Eigenschaften erhalten", sagt Stadelmann. Ein wichtiges Detail, mit dem jeder Roboter seine Zuschauer verblüffen konnte, war, mit den Augen zu zwinkern.
Industrieroboter seit 1961
Die zackigen Bewegungen, mit denen Roboter lange assoziiert wurden, könnten laut Stadelmann mit der Einführung einer Innovation in der Telekommunikation zusammenhängen. "Die 'Fräulein vom Amt' bei der Vermittlung von Telefongesprächen wurden durch automatische Wählsysteme ersetzt. Die haben sich so ruckartig bewegt." Die ersten Roboter zeichneten sich ebenfalls nicht durch sonderliche Flexibilität aus.
Mit dem Unimate 1900 wurde 1961 der erste Industrieroboter vorgestellt. Der Roboter wurde in der Autoproduktion von General Motors eingesetzt. Die Automatisierung bei der Fahrzeugherstellung griff schnell um sich. Während Roboter in einem solchen Umfeld klar ihre Stärken gegenüber menschlichen Arbeitern behaupten konnten, gab es bei der Entwicklung humanoider Roboter nur langsame Fortschritte. Ein guter Grund, diesen Pfad weiter zu verfolgen, war das Überschreiten einer gewissen Akzeptanzschwelle, meint Stadelmann, wobei die gewünschte Menschenähnlichkeit auch seine Grenzen hat (Uncanny Valley).
Problematische Gefühle
Eine der Qualitäten, die das Image von Robotern prägt, ist ihre Gefühllosigkeit. Roboter werden eher als kalte Maschinen betrachtet, die ihre Aufgaben mit größtmöglicher Effizienz erfüllen und dabei über Leichen gehen. Wie The Conversation berichtet, zieht sich das Konzept durch sehr viele Erzählungen, von "Star Trek" über "Alien" oder "Terminator". Wenn Roboter Gefühle erlangen, ist dies oft das Hauptproblem einer Geschichte, siehe "Chappie", "Ex Machina" oder "Westworld".
Dass Roboter und Gefühle aber kein Widerspruch sind, zeigte sich spätestens durch die Einführung des Robben-artigen Paro in Therapien und Pflegeheimen Anfang der 2000er-Jahre. Auch diverse humanoide Roboter erhielten ein eher putziges Aussehen, von Hondas Asimo über Nao oder Pepper. Obwohl es viel einfacher gewesen wäre, diversen Kreationen einfach Räder zu verpassen, hat man versucht, die komplexe Aufgabe des Gehens zu bewerkstelligen, meint Stadelmann.
Tanz und Ängste
Perfekt in dieser Hinsicht erscheinen die humanoiden Atlas-Roboter von Boston Dynamics. Zuletzt konnte man diesen beim Tanzen zusehen. "Bei solchen Aufführungen geht es um den Show-Effekt", sagt Stadelmann. "Im Takt bewegt haben sich schon Industrieroboter vor 30 Jahren." Dass Atlas sein Gleichgewicht wunderbar halten kann, sei keine Frage mehr, doch: "So ein Video dauert ein paar Minuten, so lange hält auch der Akku." Alltagsaufgaben erledigen können humanoide Roboter noch kaum - im Gegensatz zu vierbeinigen Kollegen wie Spot.
100 Jahre nach dem ersten "Roboter" lässt sich sagen, dass "R.U.R." zwar einige Dinge über Roboter vorweggenommen hat, etwa ein perfektes Gedächtnis. In dem Theaterstück und in vielen Erzählungen danach erschienen intelligente Maschinen als gefährlich. Die Befürchtungen, dass Maschinen Menschen sämtliche Arbeitsplätze wegnehmen, die Welt übernehmen und die Spezies Mensch komplett zerstören, haben sich bislang als unbegründet herausgestellt. Sie leben aber dennoch weiter, heute jedoch weniger in humanoider als vielmehr körperloser Form: als künstliche Intelligenz.
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