Dieses Kraftwerk erzeugt mit der Wärme des Ozeans unendlich Strom
An einem durchschnittlichen Tag absorbieren die Meere in tropischen Regionen 278 Petawatt an Sonnenenergie. Ein 4.000stel davon würde ausreichen, um den täglichen Strombedarf der Welt zu decken, berichtet New Atlas.
Das britische Unternehmen Global OTEC verspricht, diese Energie anzuzapfen. Schon 2025 soll ein entsprechendes, schwimmendes Kraftwerk bereitstehen und Strom erzeugen.
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Meereswärmekraftwerk
Die Idee für sogenannte Meereswärmekraftwerke (Ocean Thermal Energy Conversion – OTEC) ist nicht neu. 1881 gab es erste Experimente damit. Am besten funktioniert das Konzept in Gebieten, mit konstant hohen Temperaturunterschieden im Meer, wie eben den Tropen. An der Oberfläche hat das Wasser 25 Grad Celsius und mehr, in 800 Metern Tiefe nur 4 Grad Celsius.
An der Meeresoberfläche befindet sich eine schwimmende Plattform, die am Meeresboden verankert ist. Eine Wasserleitung führt von der Plattform 800 Meter in die Tiefe, eine andere zapft das warme Oberflächenwasser an. Auf der Plattform befindet sich ein geschlossener Kreislauf mit einer Flüssigkeit wie Ammoniak, deren Siedepunkt zwischen den Höchst- und Niedrigtemperaturen im Wasser liegt.
Wird die Flüssigkeit mit warmen Oberflächenwasser aufgeheizt, wird sie zu Gas. Das treibt eine Turbine auf der Plattform an, die Strom erzeugt. Das Gas wird dann mit dem Wasser aus der Tiefe gekühlt, bis es wieder flüssig wird. Dann beginnt der Kreislauf erneut.
Vorteile und Nachteile
Der Vorteil dieses Systems: Gegenüber Photovoltaik und Windkraft kann es ununterbrochen laufen und Strom erzeugen. Zudem kann es sehr schnell gestoppt und die Stromproduktion wieder aufgenommen werden, um Spannungsspitzen im Stromnetz auszugleichen. Der „Rohstoff“ zur Energieerzeugung ist, wie bei Sonne und Wind, quasi unendlich vorhanden. Theoretisch könnte auch eine große Menge an OTECs die Meerestemperatur ein bisschen reduzieren, bzw. zumindest die Erwärmung verlangsamen.
Es gibt aber auch Nachteile, die bisher ultimativ dafür gesorgt haben, dass sich OTECs nicht durchgesetzt haben. Die berüchtigten Tropenstürme können die Plattformen und Leitungen beschädigen. Durch das korrosive Salzwasser ist die Abnutzung am Material hoch und erfordert häufige Wartungsarbeiten. Zudem verbrauchen die Pumpen viel Energie. Ein 1981 in Japan errichtetes OTEC konnte 120 Kilowatt Strom erzeugen – brauchte davon aber selbst 90 Kilowatt für die Pumpe.
Aus diesen Gründen wird angenommen, dass ein OTEC mindestens 100-Megawatt-Leistung haben muss. Erst durch eine so hohe Energiemenge wäre der Betrieb gewinnbringend, da die hohen Wartungskosten für die Infrastruktur und der Leistungsverlust durch den eigenen Pumpenbetrieb ausgeglichen werden müssen. Ein solches OTEC ist aber entsprechend groß und würde schon in der Errichtung enorm viel Geld verschlingen.
Dominique hat 1,5-Megawatt-Leistung
Dennoch glaubt das Unternehmen Global OTEC jetzt eine Lösung gefunden zu haben, die „den ersten kommerziellen OTEC-Betrieb“ ermöglicht. Das Kraftwerk heißt Dominique und hat eine Leistung von 1,5 Megawatt. Errichtet werden soll es vor der afrikanischen Küste. Dort wird es Strom für São Tomé und Príncipe liefern. 2025 soll es in Betrieb gehen und 17 Prozent des derzeitigen Energiebedarfs des Inselstaats decken.
Wer die Errichtung von Dominique finanziert, ist derzeit nicht klar. Der Inselstaat selbst wird es mit ziemlicher Sicherheit nicht sein. Auch wer den erzeugten Strom bezahlt, muss wohl noch geklärt werden. Global OTEC rechnet damit, dass bei dieser Generation von OTECs eine Megawattstunde zwischen 150 und 300 US-Dollar kosten wird. Das ist deutlich mehr als die 70 US-Dollar pro Megawattstunde für Diesel, die man derzeit in etwa auf São Tomé und Príncipe bezahlen muss. Global OTEC hofft, mit größeren OTECs diese Kosten künftig auf 50 Dollar pro Megawattstunde zu senken. Das wäre in etwa die Größenordnung von Elektrizität aus Wind- und Sonnenenergie.
Angesichts der derzeitigen Informationen sind Analyst*innen jedenfalls skeptisch, ob Dominique jemals wirklich gebaut wird. 2014 wurde etwa von einem anderen Unternehmen eine 10-Megawatt-Anlage vor der Karibikinsel Martinique angekündigt. 72 Millionen Euro Finanzierung wurden für das Projekt aufgestellt. 2018 wurde es wegen „technischer Schwierigkeiten“ mit den Leitungen eingestellt.
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OTEC als totaler Verlust bauen und betreiben
Heuer hat ein Unternehmen namens OTE eine Theorie dazu aufgestellt, wie OTECs den Durchbruch schaffen können. Irgendjemand müsse 200 bis 300 Millionen US-Dollar in die Hand nehmen, um ein 5 bis 10 Megawatt OTEC zu bauen. Dieses müsse von Vornherein als „totaler Verlust“ gewertet werden und dennoch ein paar Jahre im Vollbetrieb sein. So könne man zeigen, dass das Konzept funktioniert und es wert ist, eine 100-Megawatt-Anlage zu errichten.
Falls es keinen Investor gibt, hat OTE einen Lösungsvorschlag. Man könne doch das OTEC bei Hawaii bauen und für Bitcoin-Mining verknüpfen. Dieser Vorschlag kommt aber weder bei Analyst*innen noch Umweltschutzorganisationen gut an. Ein Kraftwerk für grüne Energie lediglich zu nutzen, um die energiehungrige Kryptowährung Bitcoin zu schürfen, statt den Bedarf an fossilen Energiequellen zu reduzieren, gehe völlig am Ziel vorbei.
Es wäre jedenfalls wünschenswert, wenn OTECs effizient genug werden, um kostengünstig grüne Energie zu erzeugen. Über 600 Millionen Menschen weltweit leben laut Global OTEC auf tropische Inseln. Auf vielen davon wird Strom durch Dieselgeneratoren bzw. durch Kraftwerke, die fossile Energiequellen benötigen, erzeugt. Nicht nur das Verbrennen dieser setzt CO2 frei, sondern auch der Transport mit Frachtschiffen zu den Inseln. Solche Schiffe nutzen häufig noch Schweröl als Sprit und zählen deshalb als besonders große Umweltsünder.
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