Symbolbild: MUGEM setzt zu Beginn auf einen Ski-Jump, wie etwa auch die britische HMS Prince of Wales (im Bild)
MUGEM: Neue Details zum 60.000 Tonnen Flugzeugträger der Türkei
MUGEM steht für Milli Uçak Gemisi. Übersetzt heißt das: Nationaler Flugzeugträger. Unter diesem Projektnamen arbeitet die Türkei an ihrem bisher größten Kriegsschiff.
Admiral Erdinç Yetkin, Kommandant der Marinewerft Istanbul, hat gegenüber CNN Türk ein Update zu den Bauarbeiten geliefert.
Konstruktion an MUGEM hat Anfang 2025 begonnen
Laut Yetkin haben die Bauarbeiten an MUGEM Anfang 2025 begonnen. Er rechnet damit, dass der Stapellauf 2027 oder 2028 erfolgen wird. Damit ist man bereits hinter dem im Vorjahr angekündigten Zeitplan, der allerdings sehr ambitioniert war.
2024 hieß es, dass die Bauarbeiten im selben Jahr beginnen könnten. Die Übergabe an die türkische Marine hätte dann schon 2028 stattfinden können. Laut Yetkin ist der Übergabetermin jetzt für „vor 2030“ geplant. Danach beginnt eine Testphase. Die könnte Monate bis Jahre dauern, bevor MUGEM voll einsatzfähig und in die türkische Marine integriert ist.
Damit der „bevor 2030“-Zeitplan eingehalten kann, werden die Megablöcke des Flugzeugträgers zusammen mit anderen Werften gebaut. Dies soll die Baugeschwindigkeit erhöhen, sagt Yetkin. Der Ski-Jump soll schon in den nächsten Monaten fertiggestellt werden.
Konzeptgrafik der MUGEM
© Türkisches Verteidigungsministerium
Die Rampe kann dann bereits von Rüstungskonzernen wie TAI und Baykar genutzt werden. Dadurch können sie mit Flugtests von Kampfflugzeugen und Drohnen beginnen, die später auf MUGEM stationiert werden sollen. Das soll die Länge der Test- und Integrationsphase reduzieren und den Flugzeugträger schneller voll einsatzfähig machen.
➤ Mehr lesen: Chinas nuklearer Super-Flugzeugträger: Erster Hinweis auf Baubeginn
Technische Daten
Bisher gibt es nur Konzeptgrafiken für den Flugzeugträger zu sehen und Modelle. Das erste öffentlich ausgestellte Modell war im Rahmen der Rüstungsmesse Saha Expo 2024 zu sehen, die in Istanbul stattgefunden hat.
Hier sind die vorläufigen Spezifikationen, die vor Baubeginn genannt wurden. Yetkin hat zumindest die Länge und Verdrängung bestätigt, bis zur Fertigstellung könnten sich aber noch alle technische Daten ändern.
- Länge: 285 Meter
- Breite: 72 Meter
- Verdrängung: 60.000 Tonnen
- Maximalgeschwindigkeit: +25 Knoten (46,3 km/h)
- Reisegeschwindigkeit: 14 Knoten (26 km/h)
- Reichweite: 18.520 km bei Reisegeschwindigkeit
- Antrieb: 4 LM2500 Gasturbinen mit je 23 MW Leistung
- Personenkapazität: +800
- Fluggeräte-Kapazität: 50 (bemannt/unbemannt)
Mit dieser Verdrängung wird MUGEM bei Weitem das größte Kriegsschiff der türkischen Flotte. Diesen Titel hält derzeit noch die TCG Anadolu mit 27.000 Tonnen.
MUGEM wird zudem der erste Flugzeugträger, der komplett im eigenen Land designt und gebaut wird. Durch Computer-Simulationen wurde dafür ein optimaler Rumpf gestaltet. So soll alleine das Design des Bugs für 1,5 Prozent Treibstoffersparnis sorgen. Außerdem sollen durch die Bugform und neuen Propeller weniger Geräusche im Wasser entstehen, wodurch MUGEM schwieriger für Sonar zu erfassen ist.
Katapult kommt später
MUGEM hat 3 Pisten. 2 sind für Starts gedacht und eine für die Landung. Ein Katapult wird es vorerst nicht geben. Stattdessen gibt es einen Ski-Jump. Auch andere moderne Flugzeugträger setzen auf Ski-Jumps, wie etwa die britische HMS Prince of Wales und HMS Queen Elizabeth. Dort sind allerdings F-35Bs stationiert, die durch ihre Senkrechtstart-Fähigkeiten auch mit Ski-Jumps statt Katapulten zurechtkommen.
Die Rampe bei MUGEM ist Teil eines modularen Konzepts. Sie soll später durch ein flaches Deck und ein Katapult ersetzt werden, sobald die Türkei ein selbst entwickeltes Katapultsystem hat. Denn wie der Name schon sagt, soll MUGEM nahezu vollständig ohne ausländische Komponenten auskommen - als Mindestziel wurden über 80 Prozent heimische Produktion gesetzt.
➤ Mehr lesen: Das sind die 10 größten Flugzeugträger der Welt
Es ist denkbar, dass die Türkei für MUGEM ein elektromagnetisches Katapult entwerfen will. Diese sind die Nachfolger der üblichen Dampfkatapulte und werden etwa von den USA auf der USS Gerald Ford und von China auf der Fujian eingesetzt.
Flugzeuge und Drohnen auf MUGEM
MUGEM hat einen Hangar für 30 Flugzeuge. An Deck haben weitere 20 Fluggeräte Platz.
Als einzig bemanntes Kampfflugzeug ist derzeit eine Flugzeugträger-Variante des TAI Hürjet angedacht. Die reguläre Version des leichten Kampfjets hatte im April 2023 ihren Erstflug. Aktuell existieren 2 Prototypen, erste Jets aus der Serienfertigung soll es 2026 geben.
Neben der TB-2- und TB-3-Drohne soll auf MUGEM auch die Stealth-Drohne Anka-3 stationiert werden. Wenn sie von Land startet, hat sie 1,2 Tonnen Waffenlast.
Bestückt werden soll sie zumeist mit Waffen zum Angriff auf Bodenziele. Dazu gehören Marschflugkörper und gelenkte Bomben.
➤ Mehr lesen: Anka-3 crasht knapp neben stark befahrener Straße
Speziell für Flugzeugträger wird die Bayraktar Kızılelma entwickelt. Die Stealth-Drohne geht schon als unbemanntes Kampfflugzeug durch. Sie soll auf MUGEM zum Einsatz kommen und 1,5 Tonnen Nutzlast haben. Sie kann sowohl gegen Bodenziele eingesetzt werden als auch für Luftkämpfe. Dafür lässt sie sich mit Luft-Luft-Raketen bestücken.
Bewaffnung von MUGEM
MUGEM hat nicht nur bewaffnete Flugzeuge und Drohnen, sondern ist auch selbst bewaffnet. Die Systeme dienen primär zur Verteidigung gegen Luft- und Seeziele. So gibt es ein MiDLAS-Raketenstartsystem mit 32 Zellen, in denen sich Antiluft- und Antischiffsraketen befinden.
➤ Mehr lesen: Russlands nuklearer Schlachtkreuzer sticht nach 28 Jahren wieder in See
Zusätzlich gibt es 4 Gökdeniz-Systeme. Diese sind das Gegenstück zum amerikanischen Phalanx-System. Jede der 35mm-Kanonen von Gökdeniz hat ein eigenes Radar, um bei Bedarf autonom Luftziele auf kurzen Distanzen zu bekämpfen. Dazu gehören Drohnen sowie anfliegende Marschflugkörper und Raketen.
Weiters gibt es 6 Stück Aselsan STOP. Dabei handelt es sich um 25mm-Maschinenkanonen. Die Waffenstationen können durch optische Bilderkennung automatisch Ziele verfolgen. Mit ihnen sollen u. a. Kamikazeboote abgewehrt werden.
➤ Mehr lesen: Mysteriöses Kamikaze-Boot mit gewaltiger Sprengkraft vor Rumänien aufgetaucht
Der „falsche“ Flugzeugträger TCG Anadolu
Die Türkei hat aktuell nur einen Flugzeugträger in seiner Flotte: die TCG Anadolu. Und die ist eigentlich ein amphibisches Landungsschiff.
Sie ist baugleich mit dem spanischen Flaggschiff Juan Carlos I, wurde also nicht in der Türkei designt. Mit einer Verdrängung von 27.000 Tonnen ist sie nicht mal halb so groß wie MUGEM.
Sie kann theoretisch als Flugzeugträger genutzt werden, wenn der Hangar umkonfiguriert wird. Ursprünglich war vorgesehen, dass bis zu 10 amerikanische F-35B auf dem Schiff stationiert werden. Dabei handelt es sich um die Senkrechtstarter-Version des Stealth-Fighters.
➤ Mehr lesen: F-35B war für 118 km führerlos: Jetzt spricht der Pilot
2020 wurde die Türkei von den USA aber aus dem F-35-Programm geschmissen, weil sie russische S-400 Luftabwehrsysteme angeschafft hat. Auf der Anadolu sind deshalb aktuell nur Drohnen und Hubschrauber stationiert.
Dazu gehört der amerikanische AH-1W Super Cobra. Dieser soll ab 2025 durch den türkischen TAI T929 ATAK 2 abgelöst werden.
Die Umrüstung zum Flugzeugträger wird bei der Anadolu vermutlich erst erfolgen, wenn die Entwicklung von Kızılelma und Anka-3 weiter fortgeschritten ist. Solange diese nicht bereit für Teststarts und -landungen auf Hoher See sind, macht der Umbau der Anadolu keinen Sinn.
Kommentare