Schwierige Prognose: So wird Hochwasser in Österreich vorhergesagt
Durch die Klimaerwärmung steigt das Risiko für Extremwetterereignisse drastisch an. Erst Mitte August fielen an der Wetterstation Hohe Warte in Wien innerhalb von 70 Minuten mehr als 100 Liter Regen pro Quadratmeter - ein Rekord.
Auch für dieses Wochenende haben die Wetterexperten der Unwetterzentrale eine Regenwarnung für den Nordosten Österreichs ausgesprochen. Bis zu 300 Liter Niederschlag pro Quadratmeter werden erwartet.
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Viele große Hochwasser in Mitteleuropa werden durch Mittelmeertiefs verursacht. Das jetzige Tief Anett bringt feuchte Luft vom Mittelmeer nach Österreich, gleichzeitig strömt kalte Luft aus dem Norden ins Land, was in höhergelegenen Lagen für Schneefall sorgt.
Wissen wie viel, aber nicht wo
“Die Niederschlagsprognose ist ein wesentlicher Faktor bei der Hochwasservorhersage”, sagt Martin Angelmaier, Leiter der Abteilung Wasserwirtschaft der niederösterreichischen Landesregierung, zur futurezone. “Die vorhergesagte Niederschlagsmenge stimmt meistens recht gut. Unsicher ist nur, wo der Niederschlag heruntergeht.”
Definition von Hochwasser
Von Hochwasser spricht man, wenn der Pegel eines Gewässers deutlich über dem Normalstand liegt. Bei der Donau wird das etwa über die Wasserführung angegeben, also die Menge Wasser, die den Fluss herunterfließt. Das Mittel der Donau liegt hier bei 1.500 bis 1.900 Kubikmeter pro Sekunde.
Bei einem jährlich stattfindenden Donauhochwasser beträgt die Wasserführung etwa 5.000 Kubikmeter pro Sekunde. Bei einem Hochwasserereignis, das nur alle 10 Jahre auftritt, sind es rund 7.000 Kubikmeter pro Sekunde. Bei einem 30-jährlichem Hochwasser fließen rund 10.000 Kubikmeter Wasser pro Sekunde die Donau herunter.
Am Freitag wurden an der Donau in Korneuburg ein Durchfluss von etwa 2.700 Kubikmeter pro Sekunde gemessen. Bis Sonntagabend sind knapp 9.000 Kubikmeter prognostiziert, also etwas weniger als bei einem Hochwasser, das alle 30 Jahre stattfindet.
Das spielt besonders bei kleinen Einzugsgebieten - also aus welchem Gebiet Niederschläge zu einem Fluss zusammenlaufen - eine große Rolle. “Bei der Donau macht es keinen Unterschied, ob ein Niederschlag 30 Kilometer weiter östlich oder westlich heruntergeht. Für das Ybbstal oder Erlauftal ist das ein großer Unterschied”, sagt Angelmaier.
Um genaue Vorhersagen abgeben zu können, werden immer mehrere Wettermodelle analysiert. Dazu wird noch ein Schwankungsbereich berechnet, der immer größer wird, je weiter man in die Zukunft schauen will. Die Prognosemodelle werden zudem an vergangenen Ereignissen kalibriert. Es wird also geschaut, ob es in der Vergangenheit bereits ähnliche Regenfälle gegeben hat und welche Auswirkungen diese hatten.
Platzregen oder langandauernder Niederschlag
Zu beachten ist, ob der Niederschlag plötzlich oder über einen längeren Zeitraum niedergeht. “Lokaler Platzregen ist extrem schwer bis gar nicht prognostizierbar”, sagt der Experte. Bei einem großflächigen Ereignis wie dem jetzigen seien die Prognosen deutlich besser. An der Donau könne man den Wasserstand bereits 48 Stunden im Voraus berechnen, an kleineren Flüssen, wie der Ybbs, Erlauf und Traisen, sind immerhin 24 Stunden möglich.
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Auch die Bodenbeschaffenheit gibt Auskunft, ob und wo es zu einem Hochwasser kommen kann. Ein ausgetrockneter Boden kann bei Starkregen am Anfang wenig Wasser aufnehmen, bei der aktuellen Wetterlage spiele das aber kaum eine Rolle. Der Regen startete am Donnerstag mäßig, die Bodenporen, also die Hohlräume im Boden, hatten genug Zeit, sich zu öffnen.
“Die Böden nehmen am Anfang sehr viel Wasser auf, aber irgendwann sind sie gesättigt”, sagt Angelmaier. Besonders bei ausgiebigem Regen über mehrere Tage spielt daher die Oberflächenversiegelung keine Rolle mehr. Anders sieht das natürlich bei kleineren Hochwassern mit plötzlichem Starkregen aus.
Schneefallgrenze als Unsicherheitsfaktor
Ein weiterer Unsicherheitsfaktor - besonders in Österreich - ist die Schneefallgrenze. “Diese ist nur schwierig zu berechnen”, sagt Angelmaier. Allerdings ist es wichtig zu wissen, wie viel Niederschlag als Schnee liegen bleibt und erst nach einigen Tagen in die Flüsse kommt.
Was nicht in die Prognosemodelle mit einfließt, sind die Grundwasserstände. Diese unterscheiden sich lokal sehr stark. Im südlichen Wiener Becken liegt der Grundwasserspiegel etwa 20 bis 30 Meter unterhalb der Geländeoberkante. Im nördlichen Wiener Becken sieht das anders aus. Da kann es sein, dass der Grundwasserspiegel irgendwann an die Oberfläche tritt und große Lacken auf den Feldern entstehen.
Radikale Änderungen
So genau wie heute konnte man Hochwasser allerdings noch nie vorhersagen. “In den vergangenen 25 Jahren hat sich die Hochwasserprognose radikal verändert”, sagt Angelmaier. Beim großen Hochwasser 2002 war eine Vorhersage etwa nur für die Donau möglich, und das auch nur für 12 Stunden.
Mittlerweile gebe es allein in Niederösterreich knapp 70 Messpunkte, deren Daten nahezu live auf der Internetseite des Wasserstandsnachrichtendienstes abgerufen werden können. Das Interesse der Bevölkerung ist besonders in Zeiten schwerer Regenfälle groß.
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