COVID-Impfung: Enttäuschung oder Lebensretter?
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Die Hoffnungen waren groß, als Ende 2020 die ersten Menschen gegen COVID-19 geimpft wurden. Die Daten sahen vielversprechend aus, nach damaligem Stand der Wissenschaft gab es gute Gründe, an ein rasches Ende der Pandemie zu glauben. Aber es kam anders: Das Virus mutierte, gegen die neuen Varianten war die Impfung deutlich weniger wirksam. Eine Impfung schützt zwar nach wie vor gut gegen schwere Verläufe, aber leider viel schlechter als erhofft gegen Infektion und Weitergabe des Virus an andere.
Millionen Gerettete
Lag „die Wissenschaft“ also doch falsch? Hatten die Impfgegner also doch recht? Es ist Zeit, Bilanz zu ziehen, und das Bild ist recht eindeutig: Die Impfung gegen COVID-19 hat einen gewaltigen Nutzen gebracht. Zwar erkrankten bei den Corona-Wellen seit Herbst 2021 um Größenordnungen mehr Menschen als bei der ersten Welle 2020, aber die Zahl der Todesfälle und der Patienten, die Betreuung in Intensivstationen benötigen, ist deutlich geringer.
Das ist eine ausgezeichnete Nachricht – denn genau darum ging es bei allen Maßnahmen: Todesfälle zu verhindern und das Gesundheitssystem vor Überlastung zu schützen. Die Impfung hat einen wichtigen Beitrag dazu geleistet, den gesamtgesellschaftlichen Schaden durch COVID-19 zu verringern. Im Fachmagazin Lancet erschien eine Studie, die davon ausgeht, dass die COVID-Impfung bereits Millionen Menschenleben gerettet hat.
Das Problem ist nur: Wir Menschen blicken meist nicht auf die gesamtgesellschaftliche Ebene. Uns interessiert, wie es uns ganz persönlich ergeht. Und auf individueller Ebene ist die Impfung eine Enttäuschung: Man lässt sich impfen, geht brav auffrischen – und dann wird man trotzdem krank. Ob man ohne Impfung vielleicht auf der Intensivstation gelandet oder gar gestorben wäre, kann niemand sagen. Wir können höchstens eine Wahrscheinlichkeit dafür abschätzen – durch Statistiken auf kollektiver Ebene. Und so bleibt auf persönlicher Ebene nur der völlig verständliche Ärger übrig, trotz Impfung erkrankt zu sein.
Gesellschaftliche und persönliche Ebene
Die Impfung ist also kollektiv sinnvoll, fühlt sich individuell aber nicht so an. Das macht die Sache kompliziert. Wir müssen daher auch politisch zwischen gesamtgesellschaftlichen und individuellen Maßnahmen unterscheiden: Impfkampagnen sind sinnvoll. Individuelle Einschränkungen für Ungeimpfte – etwa Zutrittsverbote – sind aber schwer zu argumentieren, wenn Geimpfte das Virus ebenso gut weitergeben können.
Vertrauen in Impfungen und in Wissenschaft insgesamt erzeugt man nur durch maximale Ehrlichkeit: Man soll die Impfung nicht als wirkungsvoller hinstellen als sie tatsächlich ist. Es gibt nichts daran schönzureden, dass jeden Tag auch Geimpfte an COVID erkranken. Großspurige Ankündigungen, man könne dank mRNA-Technologie in kürzester Zeit an neue Mutanten angepasste Impfstoffe auf den Markt bringen, haben sich nicht bewahrheitet – auch aus rechtlichen und politischen Gründen.
Gleichzeitig muss man aber auch festhalten: Die zentralen wissenschaftlichen Behauptungen rund um die Impfung sind wahr. Ja, die Impfung wirkt. Ja, sie rettet Menschenleben. Ja, man wird sie an neue Mutanten anpassen können – und wenn wir die nötigen rechtlichen Rahmenbedingungen dafür schaffen, wird es eines Tages auch ausreichend schnell gehen.
Impf-Panikmache: Nicht knapp daneben, sondern völlig falsch
Die Impfgegner-Seite hingegen ist mit ihren Behauptungen radikal gescheitert: Nein, es ist keine Impfschäden-Katastrophe über uns hereingebrochen. Nein, die Geimpften sind nicht gestorben, wie es von panikschürenden Impfgegnern prognostiziert wurde. Nein, mRNA-Impfungen beeinträchtigen nicht die Fruchtbarkeit. Nein, es gibt weder Mikrochips noch anderes Teufelszeug in der Impfung. All das hat sich als falsch herausgestellt. Nicht als etwas voreilig und überzogen, wie die anfänglichen Ankündigungen der Impfstoff-Hersteller, sondern als völlig daneben.
Es ist wichtig, Fehler einzugestehen. Und vielleicht sollte man von der COVID-Impfung lernen, in solchen Fällen künftig etwas vorsichtiger zu formulieren, Unsicherheiten klarer anzusprechen und darauf hinzuweisen, dass die Wirkung vielleicht auch geringer ausfallen kann als die ersten Daten vermuten lassen. Aber dann muss man genauso hohe Maßstäbe auch an all jene selbsternannten COVID-Experten anlegen, die monatelang in Fernsehshows puren Unsinn verbreitet haben – und jetzt keine Fehler eingestehen, sondern bloß leise geworden sind, oder sogar weiterhin wissenschaftlich Unhaltbares erzählen.
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