Marvin Pleitez aka Lady Drag participates in protests against Salvadoran government's latest actions
© REUTERS / JOSE CABEZAS

Meinung

Bitcoin ist keine Batterie

El Salvador führte Bitcoin als Staatswährung ein. Damals wie heute ist die Begeisterung darüber in der Bevölkerung kaum vorhanden

Star Trek oder Star Wars? Hunde oder Katzen? Ananas auf die Pizza oder nicht? Es gibt viele Fragen, die emotional diskutiert werden – aber kaum irgendwo sonst gehen die Meinungen so radikal auseinander wie beim Thema Bitcoin. Für die einen ist es die Lösung für die Weltprobleme, für die anderen ein Schritt in den Abgrund.

Klar ist: Der Energiebedarf von Bitcoin ist gewaltig. Um Bitcoins zu erzeugen muss man eine riesige Zahl von Rechenoperationen durchführen. Große Computerzentren werden gebaut, die nichts anderes tun als Strom zu verbrauchen um Bitcoins zu generieren.

Bitcoin-Gegner rechnen vor, dass weltweit für Bitcoin jährlich über 120 Terawattstunden an Strom aufgewendet werden – das ist mehr als der Jahresbedarf eines kleinen Landes wie Österreich. Bitcoin-Fans hingegen wenden ein: Das ist immer noch weniger als der weltweite Strombedarf von Wäschetrocknern, und über die beschwert sich auch niemand. Allerdings ist dieser Vergleich nicht ganz fair, denn Kryptowährungen werden nach wie vor nur von einer kleinen Minderheit der Bevölkerung verwendet, Haushaltsgeräte verwenden wir fast alle.

In den vergangenen Jahren ließen Bitcoin-Befürworter aber auch immer wieder mit einem etwas überraschenden Slogan aufhorchen: „Bitcoin ist eine Batterie!“ hört man. Schließlich könne man mit überschüssiger Energie Bitcoin produzieren und sie später, wenn man Strom benötigt, mit Bitcoins zurückkaufen.

Island und das Aluminium

Verglichen wird das dann beispielsweise mit Islands Aluminiumproduktion: Auch die Aluminiumindustrie benötigt gewaltige Mengen an elektrischer Energie – und die ist in Island besonders billig, weil man dort Geothermie nutzen kann. Daher ist es höchst sinnvoll, wenn man Aluminium in Island produziert und dann in andere Länder exportiert.

In gewissem Sinn kann man Aluminium in diesem Sinn als „Batterie“ verstehen: In Island wird mit billigem Strom etwas erzeugt, was andere brauchen und sonst mit teurerem Strom selbst herstellen müssten. Jede Kilowattstunde, die in Island in Aluminiumproduktion gesteckt wird, kann in einem anderen Land eingespart werden, wenn man dort das Aluminium aus Island importiert statt es selbst zu erzeugen.

Die Gesamtmenge an benötigtem Strom bleibt somit gleich, sie fällt bloß an einem anderen Ort an. Und genau das ist es, was passiert, wenn man eine Batterie auflädt und dann anderswo verwendet. Nachdem Aluminium einfacher zu lagern und übers Meer zu transportieren ist als elektrischer Strom, ist Aluminiumerzeugung eine sinnvolle Form, Energie zu exportieren. In gewissem Sinn ist in Island erzeugtes Aluminium eine Batterie. Doch bei Bitcoin ist das grundlegend anders: Wenn ich Strom für Bitcoin-Mining nutze, ist das zusätzlicher Stromverbrauch, er wird deshalb nicht irgendwo anders eingespart.

Ausgleich von Angebot und Nachfrage

Oft wird Bitcoin als ideale Methode dargestellt, Alternativenergie zu fördern: Sonne und Wind sind nicht immer im selben Maß verfügbar. Bitcoin könnte für einen nötigen Ausgleich von Angebot und Nachfrage sorgen: Wenn viel Strom da ist, wird der Überschuss in Bitcoin gesteckt, wenn wenig Strom da ist, steigt der Strompreis kurzfristig, damit ist Bitcoin-Mining nicht mehr profitabel, die Mining-Farmen werden abgeschaltet, damit ist genug Strom für andere Verbraucher da.

Das klingt wunderbar! Damit können wir also unseren gesamten Energiebedarf problemlos mit erneuerbaren Energiequellen decken, auch wenn sie stark fluktuieren. Aber Moment mal: Wir lösen das Energieproblem, indem wir einfach zusätzlichen Energiebedarf schaffen? Die Lösung für Stromknappheit ist, zusätzlichen Strom zu verbraten und gegebenenfalls kurzfristig auf dieses zusätzliche Stromverbraten verzichten zu können? Und das nennen wir dann eine Batterie?

Nach dieser Logik könnte man das Energieproblem auch lösen, indem man Waldwege mit elektrischen Fußbodenheizungen ausstattet, oder die Kanalisation mit Flutlichtanlagen. Auch das könnte man dann jederzeit abschalten, um den Stromverbrauch an die aktuelle Stromerzeugung anzupassen.

Trotzdem kann Bitcoin helfen

Wer den Gedanken, dass Bitcoin etwas für Alternativenergie tun könnte, damit aber völlig vom Tisch fegt, macht auch wieder einen Fehler: Es ist nämlich völlig richtig, dass Bitcoin in manchen Fällen Alternativenergie profitabel machen kann. Wie ist das etwa in abgelegenen Regionen, in denen manchmal nur sehr wenig Strom erzeugt wird? Möglicherweise lohnt es sich dort gar nicht, Windkraft oder Photovoltaik zu installieren. Es kann aber sein, dass die Sache schlagartig profitabel wird, wenn man dort mit überschüssigem Strom Bitcoin-Mining betreibt.

Aber in diesem Fall ist die Frage: Wenn man überschüssigen Strom zu manchen Zeiten in ein Produkt verwandeln möchte – ist Bitcoin dann tatsächlich das optimale Produkt? Gäbe es da nicht sinnvollere Alternativen? Warum quält man tausende Computerprozessoren mit für sich genommen sinnlosen Bitcoin-Rechenaufgaben, wenn man sie auch für Rechenoperationen einsetzen könnte, die ohnehin erledigt werden müssen? Warum kann man statt Bitcoin-Mining nicht rechenintensive wissenschaftliche Berechnungen durchführen? Oder könnte man mit dem Strom nicht etwa auch Wasserstoff produzieren, der sich dann aufbewahren und transportieren lässt?

Es ist kompliziert 

Und an dieser Stelle wird die Sache extrem kompliziert. Was ein sinnvolles und was ein sinnloses Produkt ist, lässt sich nämlich nicht immer klar sagen. Manche Leute vergleichen Bitcoin mit anderen Finanztransaktionen, etwa mit dem globalen Kreditkartensystem. Da schneidet Bitcoin mit seinem immensen Energiebedarf schlecht ab. Andere Leute weisen aber darauf hin, dass Bitcoin ganz grundlegende Vorteile hat, die kein anderes Zahlungssystem aufweist: Es ist dezentral, nicht von politisch beeinflussten Nationalbanken abhängig und für alle Menschen zugänglich.

Man kann Bitcoin daher nicht nur auf einer energietechnischen Ebene beurteilen, sondern nur auf einer gesamtwirtschaftlichen. Bitcoin ist keine Batterie – so viel steht fest. Und Bitcoin hat gravierende Nachteile. Aber ob Bitcoin auch Vorteile hat, die diesen Nachteil aufwiegen, ist eine völlig andere Frage.

Wenn Bitcoin es schafft, weltweit den Ausbau von Alternativenergie in so großem Ausmaß zu fördern, dass der Nachteil des hohen Strombedarfs aufgewogen wird, dann kann man nur dafür sein. Wenn Bitcoin uns vor Inflation und Wirtschaftskrisen schützen kann, wie manche Fans versichern, wäre der hohe Strombedarf wohl gerechtfertigt. Die Beweise für solche optimistischen Sichtweisen scheinen derzeit aber zu fehlen. Um solche Fragen zu beantworten brauchen wir jedenfalls eine etwas substanziellere Diskussion als den Streit zwischen dogmatischen Fans und radikalen Gegnern, den wir heute beobachten.

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Florian Aigner

Florian Aigner ist Physiker und Wissenschaftserklärer. Er beschäftigt sich nicht nur mit spannenden Themen der Naturwissenschaft, sondern oft auch mit Esoterik und Aberglauben, die sich so gerne als Wissenschaft tarnen. Über Wissenschaft, Blödsinn und den Unterschied zwischen diesen beiden Bereichen, schreibt er regelmäßig auf futurezone.at und in der Tageszeitung KURIER.

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