Drupal Con 2017 in Vienna

Drupal Con 2017 in Vienna

© Photo by Dominik Kiss

Netzpolitik

"Das schöne an Open Source ist, nicht die Welt zu dominieren"

Christian Ziegler ist Obmann von Drupal Austria, dem Verein zur Förderung und Unterstützung der Open Source Software Drupal

Das Open-Source-Programm Drupal ist eines der weltweit am häufigsten verwendeten Content-Management-Systeme und bildet das Backend für viele dynamische Webseiten. Von 19. bis 22. Juli 2023 finden die Drupal Developer Days in Wien statt, bei denen sich die Community trifft. Wir sprachen mit dem Obmann von Drupal Austria über die Rolle von Drupal, Open Source und die Veranstaltung.

futurezone: Was für eine Rolle spielt Open Source im KI-Zeitalter?
Christian Ziegler:
Open Source spielt schon von Anfang an eine wichtige Rolle bei der Entwicklung von KI-Software. Nach dem aktuellen Boom von OpenAI und ChatGPT drängen jedoch immer mehr Open Source Alternativen auf den Markt. Man geht davon aus, dass sich mittelfristig auch Open Source Plattformen durchsetzen werden. Warum? Weil die Open Source Software vor allem eines bietet: Eine perfekte Ausgangsbasis für Kooperation und Zugang zu bestehenden Lösungen, Daten und Programmteilen. So können Entwickler*innen aus aller Welt bestehende Lösungen einsehen, daraus lernen und optimieren. Resultat ist eine viel größere Anzahl an Anwendungen, die auf einer offenen Plattform basieren. Open Source fördert so die Innovation, und das ist für den Erfolg einer KI-Plattform von höchster Relevanz.

Wie hat sich die Entwicklung von Open Source Software wie Drupal im Laufe der Zeit verändert?
Die Entwicklung hat sich vor allem professionalisiert. Früher lag der Fokus eher auf der Entwicklung neuer Funktionen. Heute liegt er mehr auf der Qualität der Software. Es wird viel Wert auf Code-Qualität, Sicherheit und Benutzerfreundlichkeit gelegt. Dabei wird auch versucht, vermehrt mit anderen Open Source Communities zusammenzuarbeiten, und nicht alles von Grund auf neu zu entwickeln.

Ein Beispiel dafür ist, dass Drupal inzwischen zum Großteil auf Symfony basiert, oder die Zusammenarbeit mit CKEditor. So wurde für die Integration der neuen CKEditor Version 5 in Drupal 10 viele Ressourcen von beiden Seiten in das Projekt gesteckt, mit großem Erfolg. Ein weiteres Beispiel ist der Umstieg der Infrastruktur von drupal.org mit über 50.000 Modulen von einem selbst gestrickten Version Control System zu GitLab. Das ermöglicht nun Workflows und Prozesse, die in der Entwickler*innengemeinschaft allgemein bekannt und gelernt sind. Als Resultat erwartet sich die Community eine größere Entwicklungsgeschwindigkeit und dass es einfacher wird, neue Talente und Mitwirkende für das Projekt zu gewinnen.

Können Open Source Alternativen Monopole bezwingen, ist das überhaupt der Anspruch?
Open Source Alternativen haben schon das Potenzial, Monopole zu bezwingen. In vielen Fällen ist das bereits geschehen, in vielen weiteren Fällen wäre es wünschenswert. Zum Beispiel sehe ich die aktuelle Entwicklung von Twitter sehr skeptisch. Es ist gut, dass es hier mit dem Fediverse eine Alternative gibt, jedoch sieht es so aus, als wären nur gewisse Subkulturen auf eigene Mastodon-Instanzen gewechselt. Stattdessen sieht es so aus, als würden aktuell viele zu Threads von Meta wechseln, also von Elon Musk zu Mark Zuckerberg, aber ob das so viel besser ist?

➤ Mehr lesen: Threads: So kann man den Twitter-Konkurrenten in Europa nutzen

Was genau stört Sie daran?
Der öffentliche Diskurs erfolgt dann noch konzentrierter im Einflussbereich eines einzelnen großen Konzerns. Große Tech-Giganten wie Google und Meta haben schon jetzt enorme Kontrolle über das Internet, das gefährdet das Open Web – also der Idee, dass das Internet ein öffentlicher Raum ist, der jedem zugänglich ist, unabhängig von seiner technischen Ausstattung, seinem Standort oder seiner Fähigkeit, für den Zugang zu zahlen. Offene Standards und Open Source sind jedenfalls von großer Relevanz für den Fortbestand des Open Webs. Auch die Drupal Community ist sich dem bewusst und hat ein Open Web Manifesto erarbeitet.

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Ist es nicht extrem schwierig, dieser Marktmacht etwas entgegenzusetzen?
Trotz solcher Bestrebungen ist es in manchen Bereichen schwer, gegen die Marktmacht der großen Tech-Giganten zu bestehen. Aber vielleicht ist es auch das Schöne an Open Source, dass es nicht wirklich darum geht, die Welt zu dominieren, sondern darum, sie besser zu machen. Es geht darum, Alternativen und Gemeinschaften zu schaffen, in der jeder mitmachen kann und von den Beiträgen anderer profitieren kann. In manchen Bereichen setzt sich Open Source durch, in manchen Bereichen ermöglicht Open Source zumindest das Ausweichen auf alternative Angebote.

Was sind die Vorteile von Open Source Lösungen?
Open Source fördert Innovation, indem es jedem ermöglicht, auf dem aufzubauen, was bereits existiert. Es gibt keine Gatekeeper, die entscheiden, wer teilnehmen darf und wer nicht. Jeder hat die Freiheit, zu experimentieren, zu lernen und zu wachsen. Und das ist unglaublich mächtig. Ein weiterer Vorteil von Open Source ist die Transparenz. Du kannst den Code überprüfen und genau verstehen, wie zum Beispiel ein Algorithmus funktioniert. Das ist besonders wichtig, wenn es um ethische Fragen geht. Bei proprietären Lösungen weißt du oft nicht genau, was im Hintergrund passiert. Bei Open Source hingegen kannst du den Algorithmus genau unter die Lupe nehmen und sicherstellen, dass er fair und unvoreingenommen ist.

Die große Community von Open Source Projekten und die meist hohe Anzahl von Expert*innen und Entwickler*innen macht es auch einfacher, Anbieter*innen zu wechseln und vermindert so die Gefahr einer Abhängigkeit bzw. eines Lock-ins. Und es macht auch einfach Spaß, mit Menschen aus aller Welt gemeinsam an einer Software oder einem Produkt zu arbeiten, und dieses weiter zu verbessern und zu ergänzen.

Bei den Drupal Developer Days dreht sich alles um das Open-Source-CMS

Die Drupal Dev Days finden von 19. bis 22. Juli statt

Was dürfen sich Entwickler*innen von der Konferenz in Wien erwarten?
Die Drupal Developer Days bringt Menschen aus aller Welt zusammen, die am Open Source CMS Drupal interessiert sind. Es gibt eine große Anzahl von Vorträgen, Workshops und vieles mehr. Das Programm umfasst 63 Vorträge und Workshops zu Drupal und Webentwicklung allgemein. Natürlich kommt auch das Thema KI und die Auseinandersetzung mit dessen Chancen und Gefahren nicht zu kurz. Zu den Keynote-Sprechern gehören Carina Zehetmaier von Women in AI Austria, Alexander Varwijk von Open Social und der renommierte Autor Preston So. Darüber hinaus erhält man einen Einblick, wie eine Open Source Community wie Drupal arbeitet und funktioniert. Die Drupal Developer Days sind vor allem auch dazu da, gemeinsam an der Software zu arbeiten. Für Anfänger*innen und Neueinsteiger*innen gibt es eigene Programme, die den Start erleichtern. Und natürlich gibt es auch genügend Möglichkeiten zu feiern und sich mit anderen Besucher*innen auszutauschen. An allen vier Tagen sind diverse Abendveranstaltungen geplant.

➤ Mehr lesen: Drupal-Entwickler*innen aus aller Welt treffen sich in Wien

Kürzlich wurde eine gefährliche Sicherheitslücke in Drupal entdeckt: Was raten Sie Entwickler*innen und Anwender*innen hier?
Die Drupal Community veröffentlicht regelmäßig Sicherheitsupdates. Das ist grundsätzlich nichts Negatives, sondern zeigt, dass das System viel benutzt und analysiert wird. Keine Software ist perfekt. Werden Sicherheitsprobleme erkannt und gemeldet, kümmert sich das Drupal Security Team um die Verwaltung und Veröffentlichung der Fixes. Es ist natürlich wichtig, die Security Releases von Drupal zu verfolgen und die Updates möglichst schnell einzuspielen. Security Releases werden grundsätzlich auf drupal.org/security veröffentlicht, es steht dort auch ein RSS-Feed zur Verfügung. Auch auf Twitter können Drupal Security Updates abonniert werden – leider nicht im Fediverse. Fragen zu Drupal Sicherheitsupdates stellt man besten in Slack.

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Barbara Wimmer

shroombab

Preisgekrönte Journalistin, Autorin und Vortragende. Seit November 2010 bei der Kurier-Futurezone. Schreibt und spricht über Netzpolitik, Datenschutz, Algorithmen, Künstliche Intelligenz, Social Media, Digitales und alles, was (vermeintlich) smart ist.

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