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Swarovski AX Visio im Test: Smartes Fernglas erkennt Vogel- und Tierarten

Den Durchblick habe ich, aber ich muss mich doch weitestgehend auf mein eigenes Vogel-Wissen verlassen

Als Swarovski Optik bei der CES im Jänner sein neues smartes KI-Fernglas AX Visio vorgestellt hat, war ich sehr aufgeregt. Ein Fernglas, das auf Knopfdruck Vogel- und Säugetierarten erkennt? Bitte gerne, danke!

Dass bei einem solchen Gerät der Preis happig ist, wird niemanden wundern. Die Frage ist aber: Funktioniert es so gut, dass 4.600 Euro dafür gerechtfertigt sind? Ich habe es mir mit großem Enthusiasmus angesehen – und habe eine deutliche Antwort auf diese Frage gefunden.

Testübersicht

  • Funktionen und Lieferumfang
  • Haptik
  • Optik
  • Vogel- und Säugetiererkennung
  • Was alles nicht funktioniert
  • Kamera
  • Smartphone-App
  • Fazit

Welche Funktionen hat es?

Im Paket enthalten sind neben dem Fernglas eine Tasche (separat 92 Euro), UCS Trageriemen (separat 84 Euro), ein Ladegerät + USB-Kabel für den Akku (mit einem Mini-USB Anschluss, das wirkt ein bisschen rückschrittlich), Schutzdeckel für das Fernglas, „Soap & Brush“-Kit sowie ein Reinigungstuch. Da ist man schon sehr zufrieden mit seinem Set, denn alles wirkt hochwertig. Insgesamt ist es eine aufregende und befriedigende Auspack-Erfahrung. 

Lieferumfang des smarten Swarovski AX Visio

Auf dem Fernglas sitzt eine Kameralinse, die das Beobachtete fotografiert. Dafür stehen 28 GB interner Speicher bereit. Die aufgenommenen Fotos und Videos können zum Smartphone übertragen werden, wenn man es über Bluetooth mit dem AX Visio verbindet.

Der Dioptrienausgleich funktioniert erwartbar gut. Die Augenmuscheln lassen sich für Brillenträger*innen hineindrehen. Schaut man hindurch, ist mit dem rechten Auge das Display zu sehen. Es zeigt Informationen in Rot an. Über das Funktionsrad wählt man zwischen: 

  • Kamera“ zum Fotos machen
  • Vogel“ zum Vögel erkennen
  • Eichhörnchen“ um Säugetiere zu erkennen
  • Kompass“ um sich die Himmelsrichtungen als Orientierungshilfe anzeigen zu lassen
  • Markierung“, um eine Markierung zu setzen. Gibt man das Fernglas weiter, kann die Person den angezeigten Pfeilen zum markierten Punkt folgen
  • Live-View“ um das Kamera-Bild mit bis zu 5 Personen per Livestream über die App zu teilen
  • Favoriten“: 2 frei belegbare Funktionen, z.B. mit Schmetterlings- und Libellenerkennung (installierbar über die Begleit-App)

Haptik

Das Fernglas ist wertig verarbeitet und liegt gut in der Hand. Die grüne Farbe der Swarovski-Ferngläser kann man mögen oder nicht, zumindest ist sie nicht auffällig. Das AX Visio wiegt 1.090 Gramm (ohne Akku), mit Akku kommen nochmal ungefähr 100 Gramm dazu. An sich ist das nicht ungewöhnlich, ein großes Fernglas hat nunmal sein Gewicht.

Für seinen Hauptzweck – die Tiererkennung – muss man es aber sehr ruhig halten. Je länger man mit der Erkennung beschäftigt ist, umso mehr hängt sich das Gewicht des Fernglases an - und das ruhig Halten wird schwieriger.

4.600 Euro Fernglas auf 20 Euro Küchenwaage

Eine Kleinigkeit hat mich gestört. Um das Batteriefach zu öffnen, muss ein kleiner Hebel hochgeklappt und gedreht werden. Das geht so schwer, dass ich mich erst gar nicht getraut und die Verantwortung an einen Kollegen abgetreten habe. Man muss mehr Kraft anwenden, als man möchte, um es zu öffnen. Der Hebel ist aus Plastik und macht auf mich keinen langlebigen Eindruck – aber vielleicht täusche ich mich da auch. Für den Preis hätte man hier ein anderes Material wählen können. 

Fernglas-Qualität

Es ist eine Offenbarung, wenn man durch das Fernglas schaut. Die Darstellung ist hell, klar und gestochen scharf - wenn man richtig fokussiert hat. Die 10-fache Vergrößerung holt Tiere nah genug heran. Da man es genau auf seine Augen und seine Sehstärke einstellen kann, ist es angenehm zu nutzen – mit und ohne Brille. 

32 mm Objektivdurchmesser sind für Bird-Watching keine Premium-Ausstattung, aber auch nicht schlecht. In der Regel greift man ab 40 mm zu, damit zu allen Tageszeiten und im düsteren Wald mehr Licht einfällt. Allerdings kann ich mich auch in der Dämmerung nicht über ein zu dunkles Bild beschweren, also ist das ok. Die Dämmerungszahl von 17,9 liegt im oberen Mittelfeld (sie errechnet sich aus Vergrößerung und Objektivdurchmesser). Swarovski hat für weniger Geld bessere Birding-Ferngläser im Sortiment, die sind aber nicht smart.

Über das Funktionsrad kann man schnell zwischen den Modi wechseln

Technische Spezifikationen

Das kann das smarte Swarovski AX Visio: 

  • Objektiv: 10x Vergrößerung, 32 mm wirksamer Objektiv-Diameter, 3,26 mm Austrittspupillen-Ø, 17,8 mm Augenabstand, 112 m/1000m, Sehfeld in m/1.000 m, 6,4 ° Sehfeld, 6,4 ° Sehfeld für Brillenträger*innen, 60 ° Augenseitiges Sehfeld, 3 m kürzeste Einstellentfernung, -7/+5 dpt Dioptrienausgleich, > 5 dpt Dioptrienkorrektur bei ∞, 88 % Lichttransmission, 17,9 Dämmerungszahl nach ISO 14132-1
  • Kamera: 13MP (4208 x 3120px) Kameraauflösung (effektiv), 640x480, HD 1280x720, Full HD 1920x1080 30/60 Hz Videoauflösung, 
  • Akku: Li-Ion 3.000 mAh Batterie, 15 h / 2 h Betriebsdauer Akku Normalbetrieb/Maximalbetrieb
  • Interner Speicher: 28 GB
  • Erkennung: 9.000 Vögel, 300 Säugetiere, 200 Schmetterlinge, 50 Libellen
  • Größe und Gewicht: 154 mm Länge ca., 137 mm Breite ca., 96 mm Höhe ca., 1.090 g Gewicht ca.
  • Umgebung & Bedingungen: -10 to +50 °C Funktionstemperatur, -30 to +70 °C Lagertemperatur

Vogel- und Säugetiererkennung

Das Herzstück ist die Vogel- und Säugetiererkennung. Hier merkt man: Ausnahmsweise muss man erstmal die Bedienungsanleitung lesen, bevor man wild auf Knöpfe drückt. Dort erfährt man, dass es 2 verschiedene Modi gibt, je nachdem wie weit der Vogel / das Tier entfernt ist. Per Knopfdruck wechselt man zwischen ihnen und es erscheint ein kleiner oder ein großer roter Ring bzw. ein Rechteck auf dem Display. Danach drückt man den Kamera-Auslöser und wartet auf das Einblenden des Namens.

Wenn das funktioniert, ist es super. Vor allem wurde darauf geachtet, dass das Display das Sichtfeld nicht zu stark stört. Man stellt scharf, man visiert an und drückt den Knopf. Was für mich das beste Feature des Fernglases ist: Alle Beobachtungen werden automatisch als Foto gespeichert. Sie können in der App später angeschaut und organisiert werden. So lassen sich Favoriten speichern und man kann ein Beobachtungstagebuch erstellen. Im Idealfall kann das so aussehen: 

Technisch funktioniert das so: Das Fernglas macht ein Foto und die KI-gestützte Software analysiert das Bild und gleicht es mit der internen Datenbank ab. Zudem werden über die GPS-Koordinaten Vögel ausgeschlossen, die nicht in der Region leben. Zum Testen war ich am Neusiedler See und im Tiergarten Schönbrunn. Da im Zoo viele Exoten flattern, will ich dem Fernglas mal nachsehen, dass dort so manche gefiederten Freunde nicht erkannt werden. 

Der große Frust

Ist also alles perfekt? Leider nicht. Es gibt mehrere "Aber", die meine große Freude in großen Frust umschlagen ließen. Häufig wurde das Tier nämlich nicht oder falsch erkannt. Man drückt den Auslöser, das Fernglas lädt lange und man liest: "Bird not recognized" (Vogel nicht erkannt). Was hier für Swarovski spricht: Zumindest wird ein Grund dafür genannt. Entweder es wurde kein Vogel gefunden, das Foto ist nicht scharf genug, man wackelt zu stark oder die Vogelart ist nicht bekannt. Hier eine Fail-Sammlung: 

Ein Eichhörnchen ist je nach Blickwinkel ein "Elch". Fast alles ist erstmal ein Hund oder eine Katze. Durch mehrmalige Versuche muss das AX Visio überzeugt werden, dass es doch eine Ziege ist. Bei der Unterscheidung von Nebel- und Rabenkrähen ist das Fernglas auch unsicher, manchmal tippt es sogar auf Rabe. Geringe Kontraste, etwa bei weiblichen Vögeln, die nunmal gut getarnt sind, sorgen dafür, dass die KI sie oft gar nicht findet. 

Wenn die Tiere zu weit weg sind, klappt das auch nicht. So habe ich sehr deutlich in weiter Entfernung einen Fasan auf einem Feld gesehen, das Fernglas aber nicht. Laut Swarovski gilt: Je näher, desto besser - bei Singvögeln sei eine Entfernung von 20 bis 30 Metern das Maximum. Ein großer Nachteil ist hier der fehlende Entfernungsmesser. Damit könnte möglicherweise die tatsächliche Größe eines Tieres erkannt werden und in die Analyse einfließen - dann würde aus einem Wollschwein vielleicht kein Streifenhörnchen gemacht.

Vögel richten sich in der Regel nicht nach dem Fernglas, sondern machen, was sie wollen. Das Problem ist, dass das Fernglas recht langsam reagiert. Um den Vogel scharf zu stellen, damit das Foto gemacht und analysiert werden kann, muss er manchmal einige Sekunden lang stillsitzen. Bewegt er sich, ist das Bild vielleicht zu unscharf für die Erkennung und es klappt nicht. Je häufiger die Erkennung nicht klappt, desto anstrengender wird es, das Fernglas ruhig zu halten. Während man krampfhaft versucht, nachzuschärfen, wird es immer schwerer. Spätestens wenn es nicht mehr meckert, dass das Bild unscharf, sondern dass es verwackelt ist, steigt die Wut. Man bräuchte oft ein Stativ, das ist aber nicht vorgesehen. 

Kamera

Was gut funktioniert, ist die Kamera. Lädt man nach seinem Ausflug die Bilder herunter, hat man die gesamte Ausbeute des Tages in der Hand. Damit ein scharfes Foto gelingt, ist sicher mehr Übung und Zeit notwendig, als ich für diesen Test hatte. Ein paar Bilder sind aber dabei, die mir Freude machen: 

Die Videofunktion ist wahrscheinlich deswegen da, weil's geht. Durch die Vergrößerung wackelt das Bild so stark herum, dass man seekrank wird. Schön ist hingegen die Funktion "Live-View". Bis zu 5 Handys oder Tablets können mit dieser Funktion gleichzeitig dem Blick durch das Fernglas folgen. Für gemeinsame Ausflüge ist das ein schönes Feature.

Gute Smartphone-App 

Die Begleit-App "Swarovski Optik Outdoor" macht das Fernglas komplett. Hier lassen sich Updates installieren (pro Jahr sollen 2 bis 3 Feature-Updates kommen) und Einstellungen vornehmen. So kann man z.B. die Sprache ändern und sich die lateinischen Namen anzeigen lassen. Es können auch weitere Anwendungen heruntergeladen werden, etwa die Schmetterlingserkennung, die man auf dem Fernglas einrichten und verwenden kann. 

Die geschossenen Bilder lassen sich in der App in per Bluetooth vom Fernglas herunterladen und in Alben sortieren, als Favoriten markieren und mit Notizen versehen. So entsteht eine Art Birding-Tagebuch. Im Idealfall werden Name, Fundort sowie Datum und Zeit gespeichert.

Was hier noch toll wäre: Nicht jeder kann die ganzen Fotos auf seinem Handy speichern. Eine Desktop-App oder eine Web-Version wäre schön, damit man über lange Zeit seine Funde archivieren kann, ohne das Smartphone vollzumüllen. Bei 3 Beobachtungstrips entstanden zirka 200 Bilder und 2 kurze Videos und die App belegt aktuell 405 MB Speicherplatz. Man kann die Fotos natürlich in eine Cloud laden, da fehlen dann aber die Infos und Notizen.

Mit der Live-View-Funktion sieht man auf bis zu 5 Geräten, was durch das Fernglas zu sehen ist

Fazit

Nach 2 Wochen mit dem Swarovski Optik AX Visio hab ich eine klare Meinung zur Artenerkennung: Ich brauche sie nicht. Wenn ich mich schon bei so einfachen Tieren wie Eichhörnchen und Nebelkrähe nicht auf die KI verlassen kann, dann weiß ich auch nicht, ob sie mich vielleicht bei den Tieren falsch informiert, die ich nicht kenne. Je nach Blickwinkel ist ein Kauz mal eine Eule und eine Ziege ein Pferd - das reicht nicht.

Natürlich ist das Fernglas optisch erstklassig. Natürlich ist die Kamerafunktion toll und das ganze Set hochwertig. Aber es wird mir für 4.600 Euro als smartes Fernglas verkauft, das 9.000 Vogelarten erkennt. Die müssen dann nah genug sein, sich gut vom Hintergrund abheben und sich nicht zu viel bewegen. Das führt dazu, dass ich gar nicht so sehr den Vogel beobachte und diesen Moment genieße, sondern dass ich panisch Knöpfe drücke und am Rädchen drehe, obwohl das Bild für mich scharf ist - aber anscheinend nicht für die Vogelerkennung. Das produziert Frust und Wut - das Gegenteil der Gefühle, die sonst bei mir beim Birding aufkommen. 

Hinzu kommt, dass das Gerät 30 Sekunden zum Hochfahren braucht. Es gibt keinen Stand-by-Modus. Unterwegs habe ich es daher die ganze Zeit eingeschaltet gelassen. Sonst muss man hoffen, die Tiere warten ruhig, bis das AX Visio einsatzbereit ist. Dadurch hielt der Akku bei mir zwischen 3 bis 4 Stunden. Also sollte man noch die 63 Euro für einen zweiten Akku ausgeben, wenn man den ganzen Tag unterwegs sein will. 

Ich würde das Gerät daher im aktuellen Zustand nicht kaufen. Es werden noch Updates kommen und ich bin mir recht sicher, die KI wird mit der Zeit besser trainiert. Aber ich kann nur das testen, was ich in der Hand habe. Wofür ich aber bereit wäre, Geld auszugeben, ist eine abgespeckte Version – nur mit der Kamerafunktion und App-Anbindung. Das ist dann zwar nicht die smarte Innovation, aber ich muss mich auch jetzt nach jedem Trip mit dem AX Visio hinsetzen und prüfen, ob die identifizierten Arten korrekt sind. Mit dem tollen Fernglas, der guten Kamera und dem App-Tagebuch wäre ich absolut glücklich, die KI brauche ich nicht. 

Das Swarovski AX Visio kostet offiziell 4.600 Euro und ist seit 1. Februar erhältlich. Online ist es aktuell vergriffen, bei lokalen Händlern gibt es aber noch Geräte (mehr dazu hier). 

Pro & Contra

Pro

  • Herausragende Bildqualität
  • Wertige Verarbeitung, liegt gut in der Hand
  • Macht Spaß und Lust rauszugehen und Tiere zu beobachten
  • Foto-Sammlung in der App hilft beim Erstellen eines Beobachtungstagebuchs
  • Lädt durch Live-View und Markierungsmöglichkeit zum gemeinsamen Beobachten ein

Contra

  • Akku hält laut Swarovski bei Maximalbetrieb nur 2 Stunden – Zusatzakku kostet 63 Euro 
  • Tiererkennung funktioniert unzuverlässig und ist friemelig
  • Fernglas braucht lange zum Hochfahren und für die Erkennung
  • Hoher Preis dafür, dass es (noch) nicht gut genug funktioniert
  • Obwohl die Sprache auf "Deutsch" gestellt ist, werden einige Tiernamen auf Englisch angezeigt

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Franziska Bechtold

frau_grete

Liebt virtuelle Spielewelten, Gadgets, Wissenschaft und den Weltraum. Solange sie nicht selbst ins Weltall kann, flüchtet sie eben in Science Fiction.

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