Die Binnenschifffahrt könnte man einfacher als die maritime Schifffahrt dekarbonisieren

Die Binnenschifffahrt könnte man einfacher als die maritime Schifffahrt dekarbonisieren

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Die Binnenschiffe der Zukunft fahren elektrisch und ohne Kapitän

Kaum ein Verkehrsmittel transportiert Güter so energieeffizient wie Schiffe. Pro Tonne und Kilometer erzeugen sie viel weniger Kohlendioxid als Flugzeuge, Lastwägen und viele Züge. Sauber kann man ihre Antriebe deswegen aber noch nicht nennen. Großteils werden heute Diesel oder auf See gar Schweröl dafür verwendet. Die fossilen Treibstoffe produzieren nicht nur Treibhausgasemissionen, sondern auch gesundheitsschädliche Abgase. Es gibt daher große Bemühungen, den Schiffsverkehr nachhaltiger zu gestalten, sowohl am Meer, als auch auf Flüssen und Seen.

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"Gerade in der Binnenschifffahrt haben wir eine gute Chance, Emissionen zu reduzieren", sagt Jens Neugebauer vom Institut für Schiffstechnik der Universität Duisburg-Essen. "Sie ist größer als bei der Seeschifffahrt. Die Schiffe legen häufiger an und haben kürzere Routen zwischen Aufenthalten in Häfen." Dadurch ergeben sich mehr Möglichkeiten, Strom zu laden oder alternative Treibstoffe zu tanken.

Die MS Salzburg am Wolfgangsee diente als Muster für eine theoretische Antriebsumrüstung

Die MS Salzburg am Wolfgangsee diente als Muster für eine theoretische Antriebsumrüstung

Erneuerung funktioniert nur langsam

Bei der Erforschung alternativer Schiffsantriebe gebe es laut Neugebauer viel Dynamik. Auch in Österreich forscht man daran. Im abgeschlossenen Projekt HyShip wurde etwa untersucht, wie man den Antrieb von Schiffen auf Wasserstoff umrüsten könnte. Als theoretisches Beispiel diente das Passagierschiff MS Salzburg auf dem Wolfgangsee. Wie sich zeigte, ist die Umrüstung auf Wasserstoff möglich, allerdings sehr kostspielig. "Sie ist in etwa 4 Mal teurer als einen alten Dieselmotor durch einen neueren, effizienteren Motor zu ersetzen", erklärt Projektmanager Florian Sandner von der ÖSWAG Werft Linz

Bei Wasserstoff existiere derzeit auch noch keine geeignete Versorgungsinfrastruktur. Batterien als Energiespeicher seien dagegen verfügbar, Ladeinfrastruktur wesentlich leichter realisierbar. Einfacher als eine Umrüstung des Antriebs sei freilich, auf die nächste Schiffsgeneration zu warten und dieser einen anderen Antrieb zu verpassen.

"Schiffe sind auf eine Lebensdauer von 50 bis 70 Jahren ausgelegt", erklärt Logistik-Experte Matthias Prandtstetter vom Austrian Institute of Technology (AIT). "Bei Lkw sind es 7 bis 10 Jahre. Da hat man automatisch eine raschere technologische Erneuerung. Bei Schiffen geht das viel langsamer." Wasserstoff als Energiespeicher erscheine Reedern deswegen so attraktiv, weil die hohe Energiedichte pro Kilogramm vorteilhaft im Vergleich zu Batterien sein kann, erklärt AIT-Forscherin Judith Kapeller. Dadurch sei ein längerer, durchgehender Betrieb möglich. Ein eigenes Versorgungssystem mit Wasserstoff aufzustellen, sei für Schiffsunternehmen aber unrentabel. "Man könnte aber Synergien nutzen, etwa indem man einen zentralen Elektrolyseur zur Wasserstoffherstellung plant, der auch Busse und Züge versorgt."

Lieferung per Schiff als Möglichkeit

Neben der Dekarbonisierung ist auch die Automatisierung für die Binnenschifffahrt attraktiv. Das beginne schon bei ganz simplen Dingen, wie dem Anschließen von Schiffen an das Stromnetz im Hafen, schildert Prandtstetter. Derzeit sei das oft ein umständlicher, analoger Prozess. Um es Schiffsführern zu erleichtern, ihre Bordgeneratoren abzuschalten, könnte die Freischaltung und Abrechnung auch einfach per Mobiltelefon-App erfolgen.

In weiterer Folge gehe es aber auch um das autonome Fahren auf Flüssen und Seen. "Dadurch kann man Personalmangel abpuffern und neue Märkte erschließen", sagt Jens Neugebauer. Er koordiniert das Projekt "Smart & Green Ship", bei dem ein 15 Meter langes Forschungsschiff gebaut wird, mit dem ab Herbst 2024 auf dem Rhein und in den Kanälen des Ruhrgebiets autonome Systeme und neue Antriebe getestet werden. Kleinere, autonome Schiffe könnten künftig in Ballungsräumen selbstständig Lieferungen zustellen oder als öffentliches Transportmittel dienen, prognostiziert der Forscher.

Rendering des futuristischen Forschungsschiffes des Projekts "Smart & Green Ship"

Rendering des futuristischen Forschungsschiffes von "Smart & Green Ship". Der Entwurf im Video oben wurde überarbeitet und mit einem Antrieb von Torqeedo ausgestattet

Hohe Anforderungen für Maschinen und Menschen

Die Anforderungen an Sensoren und Bordsysteme seien aber hoch. "Es gibt Begrenzungen für Fahrtrouten, stark wechselnde Wasserstände, viel Strömung. Das macht das autonome Fahren schwieriger als auf See", sagt Neugebauer. Anders als Fahrzeuge im Straßenverkehr seien Schiffe sehr träge und könnten nicht einfach stehenbleiben. Dementsprechend weit müssen Sensoren vorausblicken können.

Matthias Prandtstetter sieht das Potenzial von autonomen Schiffen vor allem in der "City-Logistik" - natürlich nur in Städten mit vielen Wasserwegen, wie Amsterdam. Langfristig könnte die Automatisierung aber auch auf größeren Schiffen, etwa Schubverbänden auf Rhein oder Donau, voranschreiten. "Schiffspersonal hat einen anstrengenden Job. Man ist mehrere Wochen, manchmal sogar Monate unterwegs. Mit einem geregelten sozialen Leben ist das schwer vereinbar. Die Arbeit auf Schiffen ist auch körperlich sehr anstrengend. Da ist jede Art von technischer Unterstützung interessant."

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David Kotrba

Ich beschäftige mich großteils mit den Themen Energie, Mobilität und Klimaschutz. Hie und da geht es aber auch in eine ganz andere Richtung.

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