Selbstkühlende Feuerwehrjacke soll Leben retten
Bei gefährlichen Einsätzen sterben auch in Österreich immer wieder Feuerwehrleute, darunter viele Freiwillige. Salzburger Forscher entwickeln nun eine intelligente Feuerwehrjacke, die automatisch eine Kühlung aktiviert und so gefährliche Überhitzung verhindern soll.
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Wenn es brennt, müssen Feuerwehrleute blitzschnell ausrücken und zu brennenden Häusern fahren, wo sie dann unter extremer körperlicher Belastung ohnmächtige Brandopfer aus den Häusern heraustragen. Während sie sich durch Flammen, Rauchschwaden und Schmutz vorwärtskämpfen, müssen sie hohe Temperaturen aushalten. Weil die Luft zum Atmen fehlt, tragen Feuerwehrleute eine Sauerstoffflasche am Rücken, die sie 20 Minuten lang mit Luft versorgen kann.
Gefährlicher Hitzestress führt zu schlechteren Entscheidungen
Neben dem fehlenden Sauerstoff macht den Einsatzkräften auch die extreme Hitze zu schaffen: Geraten sie in akuten Hitzestress, weil ihre Körpertemperatur plötzlich über 38,5 Grad steigt, handeln sie risikofreudiger und impulsiver – und treffen dadurch Entscheidungen, die tödlich sein können: „Im Einsatz bemerkt dann jemand, dass im oberen Stock noch eine Person ist, die er retten will. Er hat aber nur mehr 2 Minuten Sauerstoff. Im Hitzestress trifft er womöglich eine falsche Entscheidung“, erklärt Severin Bernhart von der Salzburg Research Forschungsgesellschaft.
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Er und seine Kollegen entwickeln deshalb eine Feuerwehrjacke mit einem Kühlsystem, das automatisch aktiviert wird. Das mehrteilige System besteht aus einer zusätzlichen, 1,25 Kg schweren Luftflasche, die beim Einsatz neben der Sauerstoffflasche am Rücken getragen wird.
Dazu kommt ein akkubetriebener Textilsensor, der die steigende Feuchtigkeit in der Jacke misst. Denn in der luftundurchlässigen Schutzjacke steigt die Feuchtigkeit stark an, weil sie nicht entweichen kann.
Körpereigene Kühlung funktioniert nicht mehr
„Der menschliche Körper schwitzt, um sich zu kühlen. Aber das funktioniert nur, wenn die umgebende Luft trocken ist und den Schweiß auch aufnehmen kann“, erklärt Bernhart. Ist das nicht mehr möglich, steige die sogenannte Körperkerntemperatur stark an und die Einsatzkraft gerate in Hitzestress. Diesen kritischen „Kipppunkt“ wollten die Forscher mit automatisch aktivierten Luftstößen hinauszögern: „Die Luft aus der Flasche ist trocken und weil sie zusammengepresst ist, zudem kühl“, erklärt Bernhart.
Die Jacke kühlt also einerseits durch die Luftzirkulation, andererseits wird so auch die körpereigene Kühlung wieder aktiviert. Die Schwierigkeit war, den richtigen Zeitpunkt zu finden, wann die Luftzufuhr aktiviert wird, um dem Anstieg der Körpertemperatur vorzubeugen.
In mit Feuerwehr-Schutzkleidung in der Sauna
Für ein Experiment setzten die Forscher deshalb 19 Männer in voller Feuerwehrmontur in eine Sauna, wo sie bei 60 Grad Raumtemperatur mehrere Aufguss-Runden mitmachten. Dann machten sie verschiedene Messungen: Die Probanden mussten etwa eine Kapsel schlucken, die die Körperkerntemperatur misst. Alle 5 Minuten wurde ein neuer Aufguss gemacht und Bernhart kam in die Sauna und befragte die Probanden nach ihrem Empfinden.
Anhand dieser Daten berechneten die Forscher dann, ab welcher Nässe die Luftzufuhr in der Jacke aktiviert werden muss, um den kritischen Punkt hinauszuzögern, an dem der Hitzestress einsetzt.
Fakten
Smart Textiles sind Kleidungsstücke, die mit integrierten Sensoren verschiedene Körperdaten wie Vitalwerte oder die Körpertemperatur messen können. Bei der Feuerwehrjacke wird ein Textilsensor aus Baumwolle verwendet, der sich mit Schweiß vollsaugt. Über einen Spannungsteiler wird dann die Veränderung im Gewebewiderstand gemessen.
Brandsimulationsanlage sind Container, in denen Feuerwehrleute für den Ernstfall üben. Dort gibt es Brandherde, Hindernisse und Puppen, die herausgebracht werden müssen.
66.354 Brandeinsätze gab es in Österreich 2022 laut ÖBFV-Statistik.
99 Prozent der Feuerwehrleute sind hierzulande Ehrenamtliche.
Test im Brandsimulator
Als sie die ersten Jacken fertig hatten, wollten die Forscher wissen, ob sie auch bei einem echten Brand funktioniert. Deshalb testeten sie die Feuerwehrkleidung auch in einem Brandsimulator.
Noch ist die intelligente Jacke nicht fertig, in einem Folgeprojekt wollen die Forscher sie nun weiterentwickeln. „Wir müssen jetzt untersuchen, ob die Jacke tatsächlich den kühlenden Effekt hat, den wir uns erhoffen. Das subjektive Feedback von den Feuerwehrmännern war allerdings schon sehr positiv“, meint Bernhart.
Aktuell sei sie auch noch zu sperrig und mit rund 1,5 Kilogramm zu schwer. „Die Jacke ist noch nicht praktikabel für eine praktische Anwendung“, erklärt Bernhart. Bei Smart Textiles sei das normal: Zuerst müsse man schauen, ob es funktioniert, später komme das Produkt. Er schätzt, dass die kühlende Feuerwehrjacke in 3 Jahren fertig sein könnte.
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