Stellaratoren, wie der Wendelstein 7-X, sind sehr komplex. Ein franzözisches Start-up will das Design radikal vereinfachen

Stellaratoren, wie der Wendelstein 7-X, sind sehr komplex. Ein franzözisches Start-up will das Design radikal vereinfachen

© ipp.mpg.de

Science

Französisches Start-up will Fusionsreaktoren radikal vereinfachen

Kernfusionsreaktoren galten schon in der Vergangenheit als Energiequelle der Zukunft. Auch in der Gegenwart ist die Kernfusion noch Zukunftsmusik. Mittlerweile konnte aber bewiesen werden, dass ein positiver Energieoutput möglich ist.

Seither rittern zahlreiche Start-ups um Investorengelder. Sie versuchen sich an immer neuen oder leicht abgeänderten Konzepten, um einen auf Dauer funktionierenden Kernfusionsreaktor zu entwickeln. 

Eines dieser Unternehmen ist das französische Start-up Renaissance Fusion, das gerade 32 Millionen Euro einsammeln konnte. Damit wird der Bau eines Demonstrators finanziert. Renaissance Fusion hat dafür einen radikal vereinfachten Ansatz gewählt. 

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Ein vereinfachter Wendelstein 7-AS

Als Grundkonzept dient ein so genannter Stellarator. Im Gegensatz zu einem Tokamak-Reaktor wird das Plasma im Stellarator nicht in einer Donutform gehalten, sondern ähnelt einem verdrehten Band. 

Der Vorteil des Stellarators ist dabei, dass er theoretisch kontinuierlich Energie erzeugen kann. Beim Tokamak muss die Anlage nach einer gewissen Zeit abgeschaltet und neu gestartet werden.

Als Vorbild für den Stellarator von Renaissance Fusion dient der Wendelstein 7-AS. Von oben betrachtet, hat dieser Reaktor eine fünfeckige Form. "Ich dachte mir, warum treiben wir es nicht auf die Spitze und machen einen echten Zylinder daraus", wird Francesco Volpe, CTO und Gründer des französischen Start-ups von Techcrunch zitiert

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klassischer Stellarator (links), der vereinfachte Stellarator von Renaissance Fusion (rechts)

Komplexes Magnetfeld mit einfachen Bauteilen

Herausgekommen ist eine deutlich weniger komplex wirkende Struktur, die an eine ringförmige Röhre erinnert und an einen flacheen Tokamak. Die zahlreichen Windungen und unförmigen Bauteile des Wendelstein 7-AS sind aber notwendig, um das Magnetfeld zu lenken, das das Plasma in Form hält. 

Um mit der einfacheren Form denselben Effekt zu erzielen, will Volpe die komplex angeordneten Magnete direkt in die Hülle des Stellarators integrieren. Anstelle der starren und dreidimensional verdrehten Magnete, setzt Renaissance unter anderem auf Kabel, um ein Magnetfeld zu erzeugen. Außerdem werden mithilfe eines Lasers mäanderförmige Rillen in die Röhre graviert. 

Die einzigartige und aufeinander abgestimmte Form dieser Rillen interagiert wiederum mit den Magneten. Auf diese einfache Weise kann ein Magnetfeld erzeugt werden, das jenem des Wendelstein 7-AS ähnelt – nur, dass die Bauteile des Renaissance-Fusion-Reaktors deutlich weniger komplex sind. 

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Baden in flüssigem Lithium

Um die Röhre vor dem Bombardement der herumfliegenden Neutronen schützen zu können, will das Start-up die Innenseite des Reaktors in flüssiges Lithium baden. Dafür soll an das flüssige Lithium elektrischer Strom angelegt werden, sodass ein Magnetfeld entsteht. Mit diesem Magnetfeld soll eine Schicht des flüssigen Lithiums an den Innenwänden haften und diese auskleiden. 

Über dem Lithium-Mantel soll gleichzeitig die Wärme für den Antrieb der Dampfturbine abtransportiert werden. Mithilfe der Turbine soll schlussendlich elektrischer Strom erzeugt werden. Und zwar natürlich mehr Energie, als in den Betrieb des Reaktors hineinfließt.

So funktioniert die Kernfusion

Im Gegensatz zur Kernspaltung werden bei der Kernfusion Atome miteinander verschmolzen. Dabei wird Energie freigesetzt. Diese kann in der Form von Hitze genutzt werden, um Wasserdampf zu erzeugen, der wiederum eine Turbine antreibt.

Damit die Kernfusion in Gang gesetzt wird, braucht es noch viel größere Hitze. Über 100 Millionen Grad Celsius sind nötig. Im Kern der Sonne, die ein natürlicher Fusionsreaktor ist, ist es „nur“ 15 Millionen Grad Celsius heiß. Die Kernfusion gelingt dort trotzdem, weil der Druck 250 Milliarden mal größer als in der Erdatmosphäre ist: Ein Zustand, den man auf der Erde bisher nicht reproduzieren kann.

Weil kein Material der Erde 100 Millionen Grad Celsius heißes Plasma aushält, kommen bei Fusionsreaktoren extrem starke Elektromagnete zum Einsatz. Sie halten das Plasma in einem Magnetfeld, damit es nicht mit den Reaktorwänden in Berührung kommt.

Erst wenn das Magnetfeld lange genug stabil gehalten werden kann, wird ein effizienter Betrieb eines Fusionsreaktors möglich. Ansonsten benötigen das Erhitzen bzw. Zünden des Plasmas und dessen Erhaltung mehr Energie als schlussendlich erzeugt wird. 

Gelingt der effiziente Betrieb, könnte ein Fusionsreaktor nahezu unendlich saubere Energie erzeugen, weil das dafür benötigte Isotop Deuterium in Wasserstoff enthalten ist.

Es ist Geduld gefragt

Durch diese radikal vereinfachte Bauweise eines Stellarators sollen die Kosten für die Herstellung eines Fusionsreaktors massiv gesenkt werden können. Derzeit gibt es das Konzept aber nur in einer Computersimulation. Ein funktionierender Testreaktor soll Anfang der 2030er Jahre in Betrieb gehen. 

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