Hype um Twitter-Alternative: Das kann die neue App Hive
Dieser Artikel ist älter als ein Jahr!
Nach der Übernahme von Twitter durch Elon Musk ist es innerhalb und auch rund um das soziale Netzwerk deutlich unruhiger geworden. Nach Wellen von Massenentlassungen, der Entscheidung, den ehemaligen US-Präsident Donald Trump zu entbannen und einer angekündigten Generalamnestie für gesperrte Accounts, laufen nicht nur viele Werbepartner*innen davon, auch unter den Nutzer*innen wachsen vielerorts die Zweifel.
Der Aufruhr rund um Twitter führt fast zwangsläufig auch zu Debatten, welche Alternative den angeschlagenen Vogel ersetzten soll. Schon seit den ersten Übernahmegesprächen Anfang des Jahres war Mastodon der vielversprechendste Kandidat, konnte aber trotz mehrerer Migrationswellen bei vielen Nutzer*innen noch keinen bleibenden Eindruck hinterlassen. Eine weitere App, die erst in den letzten Tagen Momentum generieren konnte, ist Hive.
Was ist Hive
Hive, was übersetzt Bienenstock bedeutet, möchte eine möglichst ähnliche Alternative zu Twitter bieten, während gleichzeitig einige Elemente verbessert werden. Das Unternehmen wird auf den ersten Blick von einigen unbekannten Variablen umgeben. Wer auf die Webseite geht, um mehr über Hive bzw. die Gründer*innen herauszufinden, wird nicht wirklich schlauer. Auf der Seite gibt es eine kleine Timeline zur Entstehung der App, in der vom Gründer „Raluca“ gesprochen wird, der sich angeblich selbst das Programmieren beigebracht hat, um ein eigenes soziales Netzwerk an den Start bringen zu können.
Wer genau Raluca sein soll, lässt sich nicht herausfinden. Das eigentlich verpflichtende Impressum fehlt auf der Seite nämlich komplett. Auch eine Kontaktaufnahme scheint eher nicht erwünscht zu sein. Wer auf die Seite „Contact Us“ geht, wird zwar herzlich eingeladen, dem Team eine Nachricht zu senden, nur steht nicht, wie man das Team kontaktieren kann.
Immerhin, Guidelines und eine Privacy Policy sind vorhanden. Darin wird unter anderem festgehalten, dass ein respektvoller Umgang erwünscht ist und NSFW-Content zwingend als solcher gekennzeichnet werden muss. Bereits klargestellt hat Hive, dass Trump und Konsorten keinen Platz im Bienenstock haben sollen. Ultrarechte Accounts werden laut eigenen Aussagen gnadenlos gelöscht.
Simple Anmeldung
Anders als etwa Twitter und auch Mastodon, existiert Hive ausschließlich in seinen entsprechenden Apps. Die Interaktion ist somit ausschließlich per Smartphone und Tablet möglich, Desktop-Nutzer*innen sind vorerst ausgeschlossen. Während die App anfänglich lediglich für iOS zur Verfügung stand, ist sie mittlerweile auch für Android erhältlich und erreicht somit das Gros der Smartphone-Nutzer*innen.
Haben wir die App heruntergeladen, können wir relativ schnell loslegen. Zuallererst braucht es eine Account-Registrierung. Zur Auswahl stehen hier die klassische E-Mail, per Google-Account oder per Apple-ID. Haben wir uns angemeldet, müssen wir noch unser Alter zur Verifikation angeben und einen Nutzernamen aussuchen.
Um dann direkt interessante Inhalte serviert zu bekommen, sollen wir außerdem 3 Themenbereiche aussuchen. Auswählen können wir hier etwa Astrologie, Tech, Space oder Food. Haben wir unsere Auswahl getroffen, ist die Einrichtung bereits abgeschlossen.
Lahmes Zurechtfinden
Wer Hive zum ersten Mal betritt, findet logischerweise eine leere Timeline vor. Um diese zu befüllen, wechseln wir zuerst in den Reiter „Discover“. Dort stelle ich mir dann erstmalig die Frage, ob Hive nicht vielleicht eher eine Instagram-Alternative sein soll. Statt Text bekomme ich nämlich ausschließlich Bilder zu sehen. Und auch die Sortierung in verschiedene Kategorien erfüllt nicht wirklich ihren Sinn.
Während wir unter „Trending“ eine bunte Mischung an Postings vorfinden, ist dies auch in den anderen Kategorien der Fall. Wer etwa unter „Tech“ PC-Builds, Smartphones und andere Technik erwartet, wird enttäuscht. Stattdessen gibt es freizügige Cosplays, Tiervideos und Memes, die alles sind, aber sicher keine Technologie. Auffallend ist auch, dass die App massive Verzögerungen beim Laden hat.
Jedes Tippen im Discover-Tab verursacht mehrere Sekunden Wartezeit. Höchstwahrscheinlich, weil die Server mit dem Ansturm der letzten Tage nicht zurechtkommen. Während der Lag verkraftbar ist, kann ich mit einer Sache deutlich weniger leben: Ich kann keine Text-Inhalte finden. Stattdessen werden die Postings mit fortdauernder Suche immer freizügiger, das ein oder andere Dick Pic beweist auch, dass die NSFW-Markierung nicht wirklich ernst genommen wird. Da Hive eine automatische Erkennung von anstößigen Inhalten scheinbar nicht beherrscht, flattern regelmäßig Penisse über den Bildschirm. Ein Umstand, der nicht unbedingt zur Nutzung der App in der Öffentlichkeit einlädt.
Der Discover-Tab serviert in der Grundeinstellung ausschließlich Bilder - Textinhalte wie bei Twitter werden aber nicht in den Empfehlungen angezeigt. Erst das Tippen auf eine Kategorie oder das Eingeben eines Hashtags und das anschließende Wechseln der Darstellung in den Text-Modus bringt dann endlich die gesuchte Twitter-Experience.
Hive in Bildern
8 Bilder
Mühsamer Aufbau
Wollen wir unsere Timeline mit für uns interessanten Inhalten füllen, ist aber mühsame Handarbeit gefragt. Theoretisch müssten wir jeden einzelnen Account, der von Twitter zu Hive gewechselt ist, händisch suchen. Follow-Vorschläge, die uns anhand einzelner Accounts immer neue Nutzer*innen anzeigen, gibt es nicht. Nachdem ich nun meine ersten Follows hinterlassen habe, wandelt sich immerhin das Bild. War es zu Beginn noch eine Instagram-Kopie, sind wir jetzt bei der Twitter-Kopie angekommen. Zumindest oberflächlich.
Die Timeline ähnelt der Vogel-App und auch die Interaktionsfeatures sind quasi gleich. Wir können auf Posts antworten, mit einem Herz reagieren oder einen Repost machen, der mit und ohne Zitat abgesetzt werden kann. Darüber hinaus können wir einzelne Posts melden oder ganze Accounts blocken.
Ebenfalls möglich ist das Versenden von Direktnachrichten. Wie bei Twitter geben wir hier einfach den Account-Namen ein und können uns direkt und privat mit anderen austauschen. Neben unserer Timeline und dem wenig hilfreichen Discover-Tab finden wir außerdem noch den Reiter für Benachrichtigungen und den Profil-Reiter
Bei unserem Profil können wir den Header sowie das Profilbild anpassen. Zudem ist durch die Integration von Apple Music und zukünftig wohl auch Spotify das Einbinden von Musik ins eigene Profil möglich. Eigens hinterlegen können wir außerdem unsere Pronouns und unsere Sternzeichen.
Fazit
Während Hive optisch vielversprechend wirkt, lässt die App leider in einigen Punkten zu wünschen übrig. Das einfache und schnelle Set-up ermöglicht eine unkomplizierte Anmeldung, das Finden von Inhalten stellt sich im Test aber als große Hürde heraus.
Das fehlende Onboarding mit empfohlenen Inhalten und vorgeschlagenen Accounts macht es relativ schwer, schnell Fuß zu fassen. Während die optisch ansprechende Oberfläche sicherlich viele im Vergleich zu Mastodon überzeugen wird, darf stark bezweifelt werden, dass sich Hive einfach so durchsetzt. Am Ende scheint es sich nur um eine Algorithmen-freie Kopie von Twitter zu handeln, deren Besitzer*innen links der Mitte angesiedelt sind.
Kommentare